Читать книгу ALBATROS - Urs Aebersold - Страница 14

Оглавление

8

Es war halb acht vorbei, als Leonard beim Krankenhaus ankam und sich anhand des Gebäudeplans auf den Leuchttafeln vor dem Eingang zu orientieren versuchte, wo die psychiatrische Abteilung lag. Sie war in einem separaten Anbau untergebracht, der hinter dem Haupttrakt lag. Er machte sich auf den Weg dorthin, und mit jedem Schritt drückten seine Gedanken schwerer auf sein Gemüt.

Am Empfang der Psychiatrie wies man ihn in den ersten Stock und kündigte gleichzeitig sein Kommen an. Oben am Treppenabsatz eilte ihm ein Arzt entgegen und streckte ihm schon von weitem seine Hand entgegen.

"Sind Sie Herr Lansing? Ich bin Dr. Berglund… ich bringe Sie zu Ihrer Mutter, Frau Kaspar…"

"Was ist mit ihr?"

"Sie hat sich offenbar mit ihrem Lebensgefährten gestritten und in ihrer Wohnung randaliert… dabei hat sie sich an einer Glasscherbe geschnitten, doch das ist nur nebensächlich, sie hatte einen richtigen Zusammenbruch…"

Sie eilten durch leere Flure, der Arzt wandte sich wieder an Leonard.

"Hat Ihre Mutter wieder ihren Mädchennamen angenommen? Sie heißen anders…"

"Ich bin nicht bei meiner Mutter aufgewachsen, meine Adoptiv-Eltern heißen Lansing…"

"Verstehe…"

Wieder bogen sie um eine Ecke.

"Hat sie nicht gesagt, was sie von mir will?"

"Nein… sehen Sie sich denn nicht regelmäßig?"

"Das letzte Mal vor fünfzehn Jahren…"

"Gibt es Spannungen zwischen ihnen?"

"Nur ein Ziehen in der Brust, wenn ich an unsere letzte Begegnung denke…"

Dr. Berglund hielt seinen Eilschritt bei und musterte Leonard von der Seite.

"Sie darf sich nicht aufregen… schaffen Sie das?"

"Ich werde mich bemühen…"

Der Arzt nickte.

"Sie ist stark sediert, versuchen Sie also, sich so unbefangen wie möglich zu geben…"

Vor einem Raum, einer Art Wartezimmer, kamen sie zum Stehen. Polstersessel standen herum und ein niedriger Holztisch, der als Ablage diente. Dr. Berglund stieß Leonard leicht an und wies auf eine Frau, die dort in einer Ecke saß.

"Ihre Mutter… ich lasse Sie jetzt allein… neben der Tür ist eine Klingel, drücken sie drauf, wenn Sie fertig sind…"

Dr. Berglund verschwand hinter einer der Türen, und Leonard machte ein paar Schritte in den Raum.

"Du wolltest mich sehen?"

Die Mutter wandte langsam den Kopf in seine Richtung und sah ihn mit stumpfem Blick an.

"Leonard…"

Sie war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihre nackten Füße steckten in ausgetretenen Pantoffeln, über das Krankenhaushemd hatte sie sich einen verwaschenen Morgenmantel geworfen. Gesicht und Körper wirkten aufgedunsen, die einst blonde Mähne hing in farblosen Strähnen herab. Ihre linke Hand war bandagiert.

"Setz dich doch…"

Leonard ließ sich ihr gegenüber vorsichtig in einem Sessel nieder. Auf eine solche Veränderung war er nicht gefaßt gewesen, er mußte an sich halten, um seine Bestürzung nicht zu zeigen.

"Kann ich etwas für dich tun?"

Die Mutter lächelte schwach, von dem Hochmut und der Arroganz ihrer letzten Begegnung war sie weit entfernt.

"Es geht nicht um mich… ich wollte dir nur etwas sagen…"

Leonard zwang sich, freundlich zu sein, gleichzeitig war er auf der Hut.

"Und das wäre?"

Seine Mutter belebte sich etwas, ohne ihre Stellung zu verändern.

"Ich habe dir damals nicht verraten, wer dein Vater ist…"

"Ich weiß…"

"Ich wollte dich verletzen, aber das war nur der eine Grund…"

Leonard richtete sich auf, und seine Mutter fuhr fort.

"Schlimmer ist, daß ich nur seinen Vornamen kenne…"

Mit abbittender Miene sah sie ihn an.

"Leonardo…"

Sein Herz machte einen Sprung.

"Du hast mir seinen Namen gegeben…"

Sie nickte langsam und starrte dabei ins Leere.

"Das war alles, was ich von ihm hatte…"

"Warum seid ihr nicht zusammengeblieben?"

"Ich war siebzehn, und wir waren verliebt… keiner von uns dachte an die Zukunft…"

"Aber du warst doch schwanger von ihm…"

"Bevor ich das wußte, war er schon wieder verschwunden…"

"Und du hast ihn nie wiedergesehen?"

"Er ist Italiener, er erzählte mir, daß er nur zu Besuch bei seiner Familie sei…"

"Und deine Eltern?"

"Die wollten nichts mehr mit mir zu tun haben… sie mieteten eine Wohnung für mich…"

Die Erregung, die sich Leonard bemächtigt hatte, war verflogen, was seiner Mutter nicht entging.

"Tut mir leid, Leonard, aber wenigstens das solltest du wissen… vielleicht verachtest du mich jetzt ein bißchen weniger…"

Leonard sah auf und spürte, daß sie es ehrlich meinte.

"Ich danke dir… melde dich, falls ich etwas für dich tun kann…"

"Für mich wird gesorgt… es wird Zeit, daß ich ein neues Leben beginne…"

Sie lächelte wehmütig und sah ihn lange an. Leonard ließ sich von seinem Sessel gleiten, faßte mit beiden Händen nach ihrer gesunden Hand und preßte sie sich heftig gegen die Stirn. Dann stand er rasch auf, drückte auf die Klingel neben der Tür und warf einen letzten Blick zurück. Sie sah noch genauso aus, wie er sie vorgefunden hatte, doch jetzt umfing ein matter Glanz wie eine Aura ihre hingekauerte Gestalt, und seine Augen wurden feucht.

ALBATROS

Подняться наверх