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ALBATROS

Der mächtige Kastanienbaum im Hinterhof stand in voller Blüte, seine Äste wogten in einem launischen, bisweilen orkanartigen Frühlingswind auf und ab, einige der Zweige mit ihren zarten Blütenkerzen wischten dabei sachte an einem geschlossenen Fenster im dritten Stock eines Wohnhauses entlang, als wollten sie hinein sehen und sich ein Bild machen von dem, was da drinnen geschah. Es war ein kleines, verwahrlostes Kinderzimmer, der Boden übersät von Spielzeug, mit einem Laufgitter in der Mitte des Raums, dessen Tür in den Angeln gebrochen war und schräg herunter hing, einem überdimensionalen Hampelmann an der Wand mit seitlich abgeknicktem Kopf, einem offenen Schrank voller Krempel und einer Kommode in der Ecke, deren Schubladen von Babywäsche überquoll, schräg gegenüber ein Kinderbett, in dem ein schreiender Säugling lag. Er schrie schon eine ganze Weile, rot im Gesicht, Arme und Beine verkrampft und eng am Körper, doch niemand kam, um nach ihm zu sehen. Das kleine Wesen wurde immer leiser, bis es ganz verstummte. Der Kopf ruckte unruhig hin und her, wieder und wieder stießen Arme und Beine jäh ins Leere, die Augen nahmen einen Ausdruck von Ohnmacht und Qual an, der sich allmählich verfestigte, als sei es nicht das erste Mal, daß seine gellenden Hilferufe ungehört verhallten, doch diesmal womöglich das eine Mal zuviel. Sanft wiegten sich die Blütenkerzen der Kastanie am Fenster hin und her, als wollten sie es trösten, doch mit seinem Verstummen war auch die Hoffnung erloschen, daß es jemals jemanden geben werde, der es vor der Welt beschützte.

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