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zehn

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Am anderen Morgen kam Michel fast nicht aus dem Bett hoch. Er hatte solche Kopfschmerzen, dass er das Gefühl hatte, sein Schädel würde platzen.

Dieser verdammte Rotwein!

Seine Vermieterin machte ihm einen Eisbeutel, den er sich auf den Kopf hielt. Das war natürlich sehr nett, dennoch ließ ihn das Gefühl nicht los, als ob sie sich freuen würde. Hatte sie gestern Abend erraten, dass er zu einer Frau ging? Hatte er vielleicht zu laut in der Dusche gesungen? Wahrscheinlich.

Als das Dröhnen in seinem Kopf etwas nachließ, ging er unter die Dusche und ließ abwechslungsweise kaltes und heißes Wasser über sich laufen. Das half. Er zog sich an und machte sich grimmig auf den Weg in sein Büro. Die ganze Zeit dachte er an Mali. Er hörte immer noch ihr Flüstern an seinem Ohr. Er wusste nicht, ob er Mali hassen sollte oder ob er sich auf das nächste Mal freuen sollte. Im Büro ärgerte er sich über Lena, die gestern und heute freigenommen hatte, was sie natürlich mehr als verdient hatte. Tanner war auch nicht da. Michel fühlte sich elend und von der ganzen Welt verlassen.

Dann ging es mit den Verhören von Bekims Cousins endlos weiter. Von der Werdt bestand darauf, sie persönlich zu befragen. Beantwortet wurden allerdings nur die harmlosesten Fragen. Ansonsten schwiegen sie hartnäckig. Von der Werdt tobte, schrie, dann war er plötzlich wieder ganz freundschaftlich, sogar väterlich. Gegen Mittag gab er es auf. Am Nachmittag holte man die ganze greifbare Verwandtschaft. Alle schwiegen verstockt und antworteten nur das Nötigste. Alles Drohen und Schimpfen nützte nichts. Gegen fünf Uhr wurde die Befragung abgebrochen. Bis es dunkel wurde, hockte Michel über den Akten, dann ließ er den Kopf sinken und schlief über einem Berg Akten ein.

Er schreckte hoch, als sein Mobiltelefon schrillte. Es war Mali. Mali die Erlöserin. Mali mit dem erlösenden Wort: Komm!

Eine Stunde später stand er frisch geduscht und frisch rasiert vor Malis Haustür und klingelte. Sie riss die Tür auf. Ihre Haare waren nass.

Haben wir wieder gleichzeitig geduscht?

Du bei dir. Ich bei mir.

Sie lachten.

Das waren dann für viele Stunden seine letzten Worte.

Sie gingen die Treppe hoch. Sie war barfuß und trug einen schwarzen Kimono mit rosaroten Distelblüten. Im Schlafzimmer brannten Kerzen. Mali schlüpfte aus ihrem Kimono. Ihre Haut schimmerte im Kerzenlicht. Sie drehte sich zu ihm. Die Spitzen ihrer Brüste waren hart und leuchteten golden.

Sie blickte ihm in die Augen. Dann berührte sie ihn zwischen den Beinen.

Michel schluckte und nickte.

Am anderen Morgen um sieben Uhr rief Michel Sommer an und meldete sich krank. Er habe hohes Fieber. Mali hatte glücklicherweise ihren freien Tag.

Das mit dem Fieber war nicht einmal gelogen, denn er fühlte sich tatsächlich fiebrig und wie in Trance. Zwischendurch hatten sie gemeinsam geduscht, in der Küche eng umschlungen eine Kleinigkeit gegessen und getrunken und waren wieder zurück ins Bett gegangen. Erst gegen Mittag waren sie eingeschlafen.

Als sie wieder erwachten, war der Nachmittag fast schon vorbei. Draußen regnete es in Strömen. Michel war allein im Bett.

Sein Telefon klingelte. Widerwillig nahm Michel ab. Es war Lena, die sich erkundigen wollte, wie es ihrem Chef ging. Er antwortete krächzend und mit heiserer Stimme.

Ich habe immer noch Fieber. Ich hoffe, dass ich morgen kommen kann. Gibt’s was Neues?

Nichts, was ich Ihnen am Telefon sagen könnte.

In diesem Moment rief Mali irgendwas Fröhliches von unten.

Zu spät hielt er den Hörer mit der Hand zu.

Sie sind nicht allein, Chef?

Michel schnaubte.

Erstens habe ich Ihnen verboten, Chef zu sagen, und zweitens ist es meine Nachbarin, die fragt, ob ich etwas brauche.

Lena kicherte.

Oh, wie nett!

Ja, es gibt sie eben noch, die hilfsbereiten Nachbarn.

Interessant ist allerdings, Michel (sie betonte Michel mit übertriebenem Nachdruck), dass ich Sie über Ihr Festnetz nicht erreichen konnte.

Sie kicherte wieder.

Ich wünsche Ihnen gute Besserung und hoffentlich bis morgen. Ich bin ab sieben im Büro.

Bevor er etwas sagen konnte, hatte sie schon wieder aufgelegt.

Teufelsbraten!

Michel drehte sich um. Er sah Mali nackt im Türrahmen stehen.

Teufelsbraten? Meinst du etwa mich?

In diesem Augenblick klingelte sein Telefon wieder. Unwillig nahm er ab.

Verdammt. Kann man denn nicht einmal in Ruhe krank sein!

Ach du Armer! Krank? Und wieso bist du dann nicht zu Hause? Du liegst sicher in den Armen einer Frau, ich kenn dich doch!

Es war Tanner.

Michel bekam vor Aufregung einen Hustenanfall.

Bist du zurück?

Ja, alter Schwede. Bist du erkältet? Können wir uns morgen sehen? Also natürlich nur, wenn du wieder auf den Beinen bist. Kommst du zu mir zum Essen? Es gibt marokkanischen Kamelbraten. Gegen acht! Aber bitte pünktlich.

Ja, ja, sicher. Ich rufe dich morgen früh an.

Mali kuschelte sich an ihn.

Wer war denn das?

Das war Simon Tanner, zurückgekehrt aus Marokko.

Ist er dein Freund?

Michel nickte.

Ja, das kann man so sagen.

Und was hat er in Marokko gemacht? Ferien?

Michel schmunzelte.

Nein, nein, er war auf Einladung von Mohammed dem VI., König von Marokko, dort. Vielmehr dessen Gattin, der ehemaligen Prinzessin Lalla Salma, jetzige Gemahlin des amtierenden Königs.

Sie boxte ihn in die Seite.

Du nimmst mich auf den Arm, oder?

Sie wälzten sich lachend im Bett. Dann küssten sie sich lange und innig. Sie spreizte ihre Beine, zog die Knie hoch und sein Mund verschwand in ihrem Schoß.

Die Wohlanständigen

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