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Hildegard als Äbtissin

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Bald nach der offiziellen Bestätigung Hildegards als Prophetin und Visionärin durch den Papst steigt auch der Bekanntheitsgrad der Benediktinerabtei auf dem Disibodenberg. Hildegards Ansehen als Vorsteherin der kleinen Frauenklause führt dazu, dass immer mehr Mädchen aus Adelsfamilien um Aufnahme in die klösterliche Gemeinschaft bitten. Die den Frauen zur Verfügung stehenden Klosterzellen reichen jedoch nicht aus, um alle Anwerberinnen aufnehmen zu können. Magistra Hildegard strebt insgeheim wahrscheinlich auch nach Unabhängigkeit vom Männerkloster und so denkt sie an die Gründung eines eigenen Konvents. Sie lässt ihre Umgebung wissen, dass Gott ihr diesen Plan bzw. Auftrag ins Herz gelegt hat. Der Ort für das neue Bauwerk wird Hildegard in einer Vision gezeigt. Auf dem so genannten Rupertsberg, wo die Nahe in den Rhein mündet und wo einst der heilige Rupertus gelebt hat, soll das neue Frauenkloster entstehen.

Die Ruinen des Klosters Disibodenberg heute. In diesem Trakt befand sich das Refektorium. Hildegard war mit Jutta von Sponheim eine der ersten Frauen, die in die ab 1108 errichtete Frauenklause des Benediktinerklosters einzog.

Ihre Mitbrüder, die Benediktinermönche vom Disibodenberg, legen sich allerdings quer: Sie wollen die Nonnen aus verschiedenen Gründen (vor allem wirtschaftlichen) nicht wegziehen lassen. Durch die zunehmende Bekanntheit Hildegards hat das Kloster in Form von großzügigen Schenkungen seitens des Adels profitiert. Diese Zuwendungen würden durch das Wegziehen der Nonnen mit Sicherheit geringer ausfallen. Bevor die Mönche endlich ihre Zustimmung zum Umzug geben, durchlebt Hildegard – mit kräfteraubenden Animositäten der Glaubensbrüder konfrontiert – eine lange und schwere Krankheitsphase. Als der Abt schließlich nachgibt, gesundet Hildegard allmählich wieder, sodass sie sich in den folgenden Jahren als Bauleiterin mit Energie und Entschlossenheit ihren ehrgeizigen Plänen widmen kann.

Das für die Klostergründung vorherbestimmte Gelände erwirbt die engagierte Ordensvorsteherin im Jahre 1147. Großzügige Schenkungen aus adeligen Kreisen sowie die Erbschaft von Gut Bermersheim, welches Hildegards Geschwister dem Kloster Rupertsberg übereignen, machen diesen ersten Schritt zur Unabhängigkeit der Frauengemeinschaft möglich.

Ein neuerlicher Konflikt mit Abt Kuno bahnt sich an, als dieser sich weigert, den Nonnen ihre rechtmäßigen Besitzungen auszuhändigen, die er bislang verwaltet hat – beispielsweise die Mitgift der Nonnen in Form von Liegenschaften und deren Erträge. Dadurch ist die weitere Finanzierung des bereits begonnenen Bauprojekts in Frage gestellt. Erst durch weitere Schenkungen seitens Hildegards Verwandtschaft und des lokalen Adels kann sich die in wirtschaftlicher Hinsicht kritische Situation entspannen.

Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse kann Hildegard im Jahre 1150 mit etwa 20 Nonnen das Klosterareal auf dem Rupertsberg beziehen. Anfangs ist die Geduld der Schwestern aufgrund noch nicht vorhandener bzw. nicht fertiggestellter Räumlichkeiten sehr gefordert. Ställe, Scheunen, eine Waschküche sowie ein Backhaus sind für eine mittelalterliche Klosteranlage ebenso unentbehrlich wie eine Kapelle und eine Klosterkirche. Auch an ein Skriptorium sowie an Kunstwerkstätten wird bei einer Klostergründung normalerweise gedacht. Hildegard waren diese ausgewiesenen Räume der Kunst- und Wissensweitergabe sicher ein zentrales Anliegen bei der Planung ihres Konvents. Zur Selbstversorgung müssen Felder und Äcker bestellt werden. Die nach und nach angelegten Gärten liefern Obst und Gemüse und in den umsichtig angelegten Kräuterbeeten werden Heilmittel für die eigene Klosterapotheke gewonnen.

Einige der adeligen Nonnen lehnen sich bald nach dem Wegzug vom Disibodenberg gegen die aus ihrer Sicht unannehmbaren Zustände und Entbehrungen in der neuen Unterkunft auf, andere verlassen – enttäuscht und überfordert – für immer das neu errichtete Kloster auf dem Rupertsberg.

Doch nach Bewältigung der anfänglichen Herausforderungen kann das Ordensleben auf dem Rupertsberg unter der klugen und fürsorglichen Leitung Hildegards aufblühen. Es dauert nicht lange, bis sich erneut junge adelige Frauen bei Hildegard vorstellen und um Aufnahme in die klösterliche Gemeinschaft bitten.

Die erste urkundliche Bezeugung des Klosters Rupertsberg fällt in das Jahr 1158. Von Kaiser Barbarossa lässt sich die vorausplanende Äbtissin 1163 einen Schutzbrief ausstellen, in dem die Besitzungen und Rechte der Ordensgemeinschaft ein für alle Mal bestätigt und abgesichert werden.

Kloster Rupertsberg um 1620, Stich in Meissner, Politisches Schatzkästlein, 1638.

Das von Hildegard von Bingen gegründete Kloster wird 1632 im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden zerstört. Die Nonnen fliehen zunächst nach Köln, 1636 finden sie Zuflucht im Kloster Eibingen.

Die Klosteranlage auf dem Rupertsberg bietet für insgesamt 50 Nonnen Platz und Beschäftigung. Damit ist sie größer als die meisten Frauenklöster der damaligen Zeit, die durchschnittlich zwischen 20 und 30 Nonnen aufnehmen können. Innerhalb des Klosterbezirks gibt es auch eigene Häuser für Angestellte und Gäste. Wie ein späterer Sekretär Hildegards – Wibert von Gembloux – voller Bewunderung berichtet, hat die Bauherrin in allen Arbeitsräumen (vermutlich in der Küche, der Klosterapotheke, der Krankenabteilung, der Waschküche sowie in den Ställen) Rohre für Fließwasser anfertigen lassen. Ein Novum für die damalige Zeit!

Gute zehn Jahre später erweist sich die neu errichtete Klosteranlage aufgrund der weiterhin anwachsenden Frauengemeinschaft als zu klein. Hildegard entschließt sich, in Eibingen bei Rüdesheim ein verwaistes Augustiner-Doppelkloster zu erwerben. Die zielstrebige Bauherrin vom Rupertsberg lässt dieses durch Kriegswirren beschädigte Gebäude wieder herrichten, sodass bald darauf – im Jahre 1165 – insgesamt 30 Schwestern in das fertiggestellte Klostergebäude einziehen können. Im Gegensatz zu Hildegards Erstgründung, wo nur adelige Frauen Einlass fanden, werden in Kloster Eibingen vermutlich auch Mädchen bürgerlicher Herkunft aufgenommen.

Zweimal wöchentlich besucht die inzwischen hochbetagte Äbtissin die ihr anvertrauten Nonnen am gegenüberliegenden Ufer des Rheins. Dabei nimmt sie beachtliche Strapazen auf sich: Sie muss jedes Mal (vermutlich auf einem Kahn) den Rhein überqueren und einen relativ langen Fußmarsch bis zum Tochterkloster in Kauf nehmen.

Hildegard von Bingen

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