Читать книгу Tabu Bittere Erfahrungen - Ute Dombrowski - Страница 12
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ОглавлениеDrei Tage später war Katja zu Cora gereist. Karim musste arbeiten und konnte nicht mit. Aber es war seine Chance, allein zu Daniel zu fahren und ihm auf den Zahn zu fühlen. Sie hatten sich zum Abendessen verabredet. Daniel sah müde aus, diese Situation, die er ja selbst herbeigeführt hatte, machte ihm schwer zu schaffen. Aber er wollte sich niemandem anvertrauen, schon gar nicht Karim, der sich seine Frau geangelt hatte.
Die Enttäuschung, die er am Neujahrsmorgen beim Frühstück tapfer überspielt hatte, war später mit aller Macht aus ihm herausgebrochen und er hatte wütend den ganzen Nachmittag Holz für den Kamin gehackt. Daniel wusste, dass er selbst daran schuld war, aber er wollte es sich nicht eingestehen.
Die beiden Männer gingen zu ihrem Italiener. Sie aßen Pizza und unterhielten sich über die Arbeit und Marie. Die hatte Neujahr angerufen und Karim erzählt, dass sie einen Nachfolger für ihre Firma suchen würde. Sie wollte sich in Südafrika zur Ruhe setzen.
„Marie hat mich auch gefragt“, sagte Daniel gelassen.
„Aber du hast doch hier genug zu tun. Oder denkst du ernsthaft darüber nach?“, fragte Karim.
Daniel schüttelte den Kopf.
„Ich kann hier nicht weg. Außerdem, Isabelle und ich wollen hier bald gemeinsam arbeiten und eine Familie gründen. Ich kann wirklich nicht weg.“
Karim ballte unter dem Tisch seine Fäuste. Er hatte Lust, Daniel direkt ins Gesicht zu schlagen, aber er riss sich zusammen und dachte: Wenn wir wieder bei ihm sind …
Sie tranken noch einen Kaffee, dann fuhren sie zurück auf das Weingut. Daniel ging mit Karim in den Weinkeller und wollte ihm den neuen Rotwein zeigen. Es gluckerte nur noch selten in den Röhrchen auf den Fässern. Karim atmete tief durch und sah Daniel an.
„Wie geht es denn deiner Isabelle? Hast du ein Bild von ihr?“
„Wir sind noch nicht dazu gekommen, Fotos zu machen. Es geht ihr gut.“
Daniel tat beschäftigt, denn ihm waren Karims Fragen nicht recht.
Karim bohrte weiter: „Wann kommt sie denn zu dir? Kann ich sie mal treffen? Wir können ja mal etwas zusammen unternehmen.“
Daniel geriet unter Druck und presste die Kiefer fest aufeinander.
„Den genauen Tag kann ich dir nicht sagen. Irgendwann nächste Woche. Oder so.“
„Ah ja … oder so. Daniel?“
Daniel fühlte sich jetzt furchtbar unwohl.
„Was willst du denn von mir?“
Karim schaute ihn böse an.
„Ich will die Wahrheit! Höre bitte auf mich zu verarschen, verdammt nochmal! Sag mir eines: Existiert diese Isabelle überhaupt?“
Daniel drehte sich um und lief aus dem Weinkeller. Karim rannte hinterher und hielt ihn an der Schulter fest.
Er rief noch einmal: „Los, rede endlich mit mir!“
Daniel schüttelte die Hand ab und schaute sich verzweifelt um. Er fühlte sich ertappt. Er hätte wissen müssen, dass Karim ihm auf die Schliche kommen würde. In ihm machte sich eine große Wut breit: auf sich, auf Katja, auf Karim, auf die ganze Welt. In seiner Wut brauchte er einen Sündenbock und dafür musste nun sein bester Freund herhalten.
„Was willst du eigentlich?“, schrie er Karim unvermittelt an. „Dich geht das doch alles gar nichts an. Du hast doch nur darauf gewartet, dass ich aus dem Weg bin und du freie Bahn bei Katja hast. Du hast dir meine Frau gekrallt und spielst dich hier auf.“
Karim war total erschrocken. So hatte er seinen Freund noch nie erlebt. Daniel starrte ihn hasserfüllt an.
„Ja, du hast recht! Es gibt keine Isabelle. Ich bin allein. Ich liebe Katja, sonst niemanden. Sie sollte frei sein und wieder eine Chance haben, glücklich zu werden, denn ich trage für alles die Schuld. Dass ich Linette geheiratet habe, dass wir kein Kind bekommen konnten, dass Eva sich in unser Leben mischen konnte. Ich habe sie betrogen. Sie kommt nicht zurück, weil ich hier mit Eva gevögelt habe und nun hat sie genau das mit dir gemacht. Unter meinem Dach!“
Karim stand jetzt direkt vor Daniel.
„Nein! Hat sie nicht. Hör auf damit! Sie liebt dich, das weißt du. Und sie hat alles versucht, hier wieder glücklich zu werden. Hör auf zu jammern. Du machst alles immer schlimmer. So eine bescheuerte Idee! Wie kann man denn so einen Mist machen!“
Er hatte Daniel am Kragen gepackt, doch der stieß ihn heftig zurück.
„Lass mich in Ruhe und verschwinde. Schlaf doch weiter mit meiner Frau. Hau ab!“
Die Wut war verraucht, zurück blieb ein Gefühl der unendlichen Leere. Karim ging hinein, holte seine Jacke und fuhr in seine Wohnung.
Er konnte nicht mehr denken und war verzweifelt, genauso verzweifelt wie Daniel.
Katja war ein paar Tage später wieder heimgekommen und ahnte nicht, was geschehen war. Sie hatte eine schöne Zeit mit Cora gehabt. Sie waren zu einem Konzert der Philharmoniker gegangen, auch eine Shoppingtour in Berlin hatten sie sich gegönnt. Karim hatte sich beim abendlichen Telefonieren nicht anmerken lassen, dass etwas nicht in Ordnung war. Er wollte ihr auch jetzt nichts davon sagen, denn Katja war nun mit ihm zusammen und das sollte auch so bleiben.
Er wusste nicht, ob er damit klarkommen würde, dass sie Daniel immer noch liebte, aber er wollte es versuchen. Dieses eine Mal wollte er an sich denken. Als Katja zu ihm in die Wohnung kam, nahm er ihr galant die Jacke ab. Seit gestern taute es bei drei Grad. Sie ließ die nassen Schuhe im Flur stehen. Karim nahm sie in den Arm und küsste sie.
„Endlich bist du wieder da, ich hatte solche Sehnsucht nach dir.“
Katja schlang die Arme um ihn und strich ihm über den Rücken. Ihre Hände wanderten unter seinen Pullover. Er zog ihn schnell aus und sie liebten sich auf der Couch vor dem flackernden Kamin. Danach erzählte Katja von den Tagen bei Cora. Michel hatte sie verwöhnt und Cora hatte ohne Ende von ihrem Traummann geschwärmt. Er trug sie auf Händen und las ihr jeden Wunsch von den Augen ab.
Michel hatte auch guten Kontakt zu Elli, die sehr gerne mit dem neuen Freund ihrer Mutter durch die Stadt schlenderte. Er war großzügig, aber Elli hatte nie das Gefühl, er würde ihre Zuneigung kaufen wollen. Mit ihm besprach sie ihre Probleme und er durfte sagen, welche Klamotten an ihr gut aussahen. Cora war glücklich und mischte sich nicht ein. Somit hatte sich auch ihr Verhältnis zu Elli entspannt.
Karim berichtete danach von seiner neuen Arbeit. Er war froh, dass er nur der Pilot war, denn die Unfälle, zu denen sie gerufen wurden, waren oft sehr schrecklich. Er nahm viele Bilder mit nach Hause, aber es gab jeden Monat ein Treffen mit einem Seelsorger, der mit ihnen das Unfallgeschehen und ihre Gedanken und Gefühle analysierte und ihnen half, die Vorfälle zu verarbeiten.
„Hauptsache fliegen. Und es gibt gutes Geld für regelmäßige Arbeitszeiten. In Südfrankreich war ich ja eigentlich immer auf Abruf.“
Katja grinste.
„Hauptsache, du bist bei mir.“
Sie rollte sich auf ihn und flüsterte in sein Ohr: „Und jetzt nochmal von vorne.“
Das ließ sich Karim nicht zweimal sagen.
Die Schule begann und Katja setzte sich in der Pause zu Lena. Sie schaute sie von der Seite an. Irgendetwas hatte sich verändert und jetzt sah sie es: Lena hatte ein kleines Bäuchlein bekommen. Als Katja sie darauf ansprach, lachte sie fröhlich.
„Ja, ich habe nicht zu viel gegessen über die Feiertage, ich bin schwanger.“
Katja drückte sie herzlich.
„Ich freue mich so für dich! Ach, ist das schön. Mal eine gute Nachricht in all dem Chaos. Herrlich!“
Lena schaute sie an und sagte: „Chaos hört sich spannend an. Erzähl!“
Als Katja geendet hatte, fragte Lena nur: „Und bist du nun glücklich?“
„Ja, sehr glücklich.“
In dem Moment wusste Katja, dass sie es nicht war und niemals wieder sein würde ohne Daniel. Als sich zwei große Hände auf ihre Schultern legten, drehte sie sich um und schaute in die strahlenden Augen von Maurizio. Er setzte sich zu ihnen.
„Hallo, die Damen“, begrüßte er sie charmant und sah Katja interessiert an. „Ich wünsche euch ein gutes Neues Jahr. Ich hoffe, ihr hattet schöne Ferien.“
„Oh ja, dir auch alles Gute. Wie war es in Italien bei deinen Lieben?“
Lena schaute zwischen ihnen hin und her und fragte: „Italien? Lieben? Was hast du denn da gemacht?“
Er grinste und zeigte auf ihren Bauch.
„Na so etwas habe ich nicht gemacht. Nein, Spaß beiseite. Ich war bei meinen Eltern. In den Ferien fahre ich oft heim. Es gibt immer viel zu tun auf unserem Weingut.“
Maurizio holte unter seinem Stuhl eine Flasche hervor und stellte sie vor Katja hin.
„Der ist für dich. Du kannst ihn probieren und dann sagst du mir, wie er dir schmeckt. Du kennst dich ja aus.“
„Danke, ich probiere ihn gerne.“
„Vielleicht mit mir?“
Aha, dachte sie, daher wehte der Wind. Das Date. Er ließ nicht locker. Aber Maurizio war lange nicht so widerlich wie damals Robert mit seiner Aufdringlichkeit. Er hatte Charme, das musste sie ihm lassen. Jetzt grinste sie.
„Ich probiere ihn heute Abend mit meinem Freund. Alles andere wäre unpassend.“
„Der dich vor den Ferien abgeholt hat?“
„Ja, genau der.“
„Na dann, zum Wohl.“
Er stand auf und ging in die Turnhalle. Die beiden Frauen schauten ihm nach. Lena seufzte.
„So ein schöner Mann. Und so nett.“
Katja nickte und ging in den Unterricht. Maurizio gefiel ihr schon ganz gut, aber sie war mit Karim zusammen und sie liebte Daniel. Und es war sowieso alles kompliziert.