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Karim reiste am zweiten Wochenende im November an. Er wollte erstmal im Hotel wohnen, aber Katja schüttelte den Kopf.

„So ein Quatsch, du wohnst natürlich bei mir, bis du in deine Wohnung kannst. Muss denn noch renoviert werden?“

„Na gut. Wenn ich dir nicht zur Last falle, bleibe ich erstmal hier. Ich muss nur noch ein paar Wände streichen, der Rest ist soweit fertig. Der Vermieter hat neuen Fußboden verlegt und sonst ist auch alles gut. Die Küche kommt am Dienstag, darum bin ich jetzt schon hier. Hast du Lust zum Einkaufen? Ich will Farbe, da brauche ich weibliche Beratung.“

„Gerne!“, rief Katja. „Hol mich doch am Montag nach der Schule ab, dann kaufen wir alles, was du brauchst ein und ich helfe dir beim Streichen.“

Katja machte etwas zu essen und die beiden setzten sich in die Küche. Karim hatte es nicht gewagt, sie zu berühren, obwohl er vermutete, dass seine Chancen nach Katjas Trennung von Daniel ganz gut standen, aber er hatte auch Angst, dass sie ihn zurückweisen würde. Also bezog er das Gästezimmer, ohne etwas anderes in Betracht zu ziehen.

Katja erschien ihm irgendwie überdreht. Woran das lag, konnte er nicht sagen. Sie machte auch keinerlei Annäherungsversuche und so gingen sie wie selbstverständlich jeder in das eigene Bett. Den Sonntag verbrachten sie mit Spazierengehen und Essen zuhause.

Danach erklärte Karim vorsichtig: „Ich werde jetzt mal zu Daniel fahren und die Umzugsangelegenheiten mit ihm besprechen.“

Katja entgegnete fröhlich: „Das ist eine gute Idee. Grüße ihn ganz herzlich von mir und auch diese Isabelle, wenn sie da ist.“

Karim schüttelte den Kopf und fuhr los. Hatte er hier irgendetwas verpasst? Als er bei Daniel ankam, wurde er ebenso fröhlich empfangen. Daniel öffnete zur Feier des Tages sogar eine Flasche Wein. Sie saßen am Kamin, weil es in diesem Jahr schon recht früh richtig kalt war. Daniel erzählte von der Arbeit auf dem Weingut und Karim berichtete ausführlich über den Verkauf des Helikopters und den Umzug.

Bevor er wieder zu Katja fuhr, fragte er: „Wie geht es dir denn nach der Trennung von Katja? Ist alles in Ordnung?“

Daniel sah ihn strahlend an.

„Mir geht es bestens und Isabelle tut mir sehr gut. Leider ist sie gerade für einen großen Auftrag in Spanien. Zu Weihnachten fahre ich zu ihr. Wir wollen Weihnachten und Silvester gemeinsam verbringen. Bis dahin telefonieren wir jeden Tag.“

„Willst du dich von Katja scheiden lassen?“

Daniel schüttelte den Kopf und winkte ab.

„Ach, das eilt nicht. Irgendwann werden wir das mal in Angriff nehmen.“

Karim hatte das unbestimmte Gefühl, dass hier irgendetwas vollkommen falsch lief, aber er konnte es nicht einordnen und fragen wollte er nicht. Mal sehen, wie es sich entwickelt, dachte er. Und jetzt schlich sich ein ganz anderer Gedanke wieder zurück in seinen Kopf, um sich dort festzusaugen: Vielleicht würde er doch noch seine Traumfrau bekommen.

Am Montag nach der Schule fuhren Katja und Karim in den Baumarkt und kauften Farbe, Pinsel, Farbrollen und Abdeckplane.

Stolz zeigte Karim Katja seine neue Wohnung. Es war ein heller Altbau mit hohen Decken und großen Fenstern. Von einem quadratischen Flur ging es links vorne ins Bad, links hinten ins Schlafzimmer. Rechts vorne war die Tür zur Küche, daneben gab es ein Arbeits- oder Gästezimmer und geradeaus fand sich Katja in einem riesigen hellen Wohnzimmer mit Kamin wieder.

„Diese Wohnung ist ein Traum. Ich wusste gar nicht, dass man so etwas hier finden kann. Karim, du hast das große Los gezogen.“

Karim lächelte. Er war glücklich über ihre Freude. Sie schauten aus dem großen bodentiefen Fenster in den Garten. Jetzt wagte er es auch das erste Mal, seit er hier war, einen Arm um Katja zu legen. Sie ließ es geschehen und fühlte sich gut bei der Berührung. Im Wohnzimmer wollten sie mit der Arbeit beginnen. Karim hatte vor, die lange Wand dem Fenster gegenüber hellgrau zu streichen, der Rest sollte weiß bleiben.

Katja wusste gar nicht, welche Möbel er hatte, denn sie war nie in seiner Wohnung gewesen. Entweder hatten sie sich bei ihr, in Maries Haus oder bei Daniel getroffen. Marie, dachte sie. Was hatte sie wohl zu Karims Umzug nach Deutschland gesagt? Sie fragte ihn und er grinste.

„Sie war erst ganz traurig. Aber dann meinte sie, dass mir eine Abwechslung mal guttun würde. Wir haben uns darauf geeinigt, dass ich meinen Urlaub immer bei ihr verbringe. In der letzten Zeit war sie auch selten zuhause. Du kennst sie ja.“

„Oh ja, Marie ist immer auf Achse. Das mit dem Urlaub ist ein sehr guter Plan! Da komme ich mit, wenn ich Ferien habe. Aber jetzt bist du erstmal hier. Wenn du Glück hast, schneit es bald, kalt genug ist es ja.“

Karim lachte.

„Oh ja, dann machen wir eine Schneeballschlacht! Und du bringst mir Skilaufen bei.“

Nun musste Katja lachen.

„Nein, daraus wird nichts, ich kann nämlich nicht Ski laufen. Ich eiere da immer nur herum wie eine einbeinige Ente. Aber auf die Schneeballschlacht komme ich gerne zurück.“

Sie legten zuerst die Folie aus und Karim rollte weiße Farbe als Grundierung an die Wand, Katja klebte die Kanten für das Grau ab. Anschließend nahm sie die kleine Rolle und malte die Wand an. Am Ende saßen beide auf dem Boden an der Heizung und betrachteten ihr Werk. Sie lobten sich gegenseitig. Karim konnte nicht anders, er küsste sie ganz sachte auf den Mund. Katja sah ihn an, sagte aber nichts.

Er stand auf, zog sie vom Boden hoch und sie gingen ins weiß und grün geflieste Badezimmer. Es gab eine Wanne, zwei Waschbecken, eine Toilette und eine ebenerdige Dusche. Katja schrubbte ihre Finger an dem einen, Karim die seinen an dem anderen Waschbecken. Im großen Spiegel, der über die ganze Wand reichte, trafen sich ihre Blicke.

Mit nassen Händen griff er nach ihr, zog sie an sich und küsste sie. Katja schlang die Arme um seinen Hals und schmiegte sich fest an ihn. Plötzlich ließen sie sich los und konnten sich nicht mehr in die Augen sehen. Schweigend fuhren sie heim und gingen schlafen. Karim in sein Bett, Katja in ihres.

Zwei Wochen später zog Karim in seine neue Wohnung ein. Katja und Daniel waren schon ganz früh zu ihm gekommen. Sie begrüßten sich mit einem freundschaftlichen Kuss auf die Wange, vermieden aber jede weitere Berührung. Als Bea später mit Kartoffelsalat und Würstchen kam, staunte sie, als sie die drei einträglich bei der Arbeit sah.

Karim hatte moderne Möbel in schwarz, mit viel Chrom und Glas. Zuerst schien es ein totaler Gegensatz zum alten Stil der Wohnung zu sein, aber dann harmonierte es doch wunderbar. Sie setzten sich zum Essen an den großen Küchentisch. Bea hatte einen Karton mit Tellern gefunden und abgewaschen. Mit Küchenrolle hatte sie alles abgetrocknet. Das Besteck fand sich nach einer halben Stunde im Schlafzimmer.

Die Unterhaltung war entspannt. Bea war sich nicht sicher, ob die beiden Eheleute wirklich so locker waren oder nur perfekte Schauspieler. Sie ahnte nicht, dass Karim ähnliche Gedanken hatte. Misstrauisch schaute Bea von einem zum anderen. Sie wagte aber nicht, etwas dazu zu sagen, Karim schwieg ebenfalls.

In dieser Nacht schlief er in seiner Wohnung und Katja fuhr heim. Bea und Daniel verabschiedeten sich auch.

Katja sagte zu Karim: „Träum schön, mein Lieber. Du weißt, was du in der ersten Nacht in der neuen Wohnung träumst, geht in Erfüllung.“

Er nickte und dachte: Wenn du wüsstest, wovon ich träume.

In der Woche vor den Weihnachtsferien setzte sich Maurizio zu Katja an den Tisch im Lehrerzimmer und schenkte ihr einen winzigen Schokoladenstern. Sie sah ihn erstaunt an. Bis dahin war er freundlich, aber distanziert geblieben.

„Schöne Weihnachten wünsche ich dir. Verbringst du die Zeit mit deinem Mann?“

„Nein, wir haben uns getrennt. Ich bin daheim und bei meiner Freundin. Und du? Frau? Freundin? Familie?“

„Ich fahre nach Italien zu meinen Eltern. Sie haben dort ein Weingut.“

Katja staunte und sagte freundlicher als sonst: „Oh, dann kennst du dich ja mit Wein aus. Mein … Mann und ich haben … hatten ein Weingut. Er lebt dort mit seiner neuen Freundin.“

„Aha, neue Freundin. Und du? Hast du einen neuen Freund?“

Katja wollte nicht mit ihm darüber reden, darum zuckte sie mit den Schultern.

„Vielleicht … vielleicht auch nicht.“

Maurizio grinste, küsste sie ohne Vorwarnung auf die Stirn und ging. Verrückt, dachte Katja, und heiß …

Sie war am letzten Schultag mit Karim verabredet. Er wartete vor der Schule auf sie. Sie wollten zum Ferienbeginn schön essen gehen. Auf dem Weg holten sie Bea ab. Nach dem Essen verabschiedete er sich und die beiden Frauen gingen zum Weihnachtsshopping in die Stadt. Es begann zu schneien.

„So ist das richtig“, freute sich Bea und fing eine Flocke mit der Hand. „Weiße Weihnachten wären ja mal wieder etwas Feines.“

„Oh ja, es wäre vor allem etwas für Karim, denn der liebt Schnee über alles. Ich hoffe, es bleibt etwas davon liegen.“

Bea und Katja betraten nach dem Großeinkauf ein Café und wärmten sich auf. Bei einer heißen Schokolade betrachteten sie die dicken Flocken, die im Licht der Straßenbeleuchtung tanzten.

Bea stieß Katja leicht an und fragte: „Sag mal, darf ich dich etwas fragen?“

Katja nickte nur.

„Hast du keine Sehnsucht nach einem neuen Mann? So einen zum Anlehnen? Einen schönen, starken …?“

Katja lächelte.

„Du meinst Karim?“

„Ja, ich meine Karim, ihr seid ein super Team, er sieht gut aus, ihr versteht euch bestens und ihr wisst, dass es im Bett auch funktioniert.“

Sie grinste und zwinkerte.

„Ja, das schon“, erwiderte Katja. „Er liebt mich und ich habe ihn auch lieb. Eigentlich hast du recht. Aber …“

„Was aber? Nichts aber. Daniel hat eine neue Freundin. Da kannst du ruhig auch einen neuen Freund haben. Ihr passt so gut zusammen. Lass nicht zu, dass er eine andere kennenlernt.“

Katja dachte sich, dass Bea genau das angesprochen hatte, was sie schon die ganze Zeit beschäftigte: Karim war in der Nähe! Er war zu haben! Katja war frei!

Sie fühlte immer noch die große Anziehungskraft zu ihrem besten Freund und Karims Liebe war noch da. Das hatte sie gespürt, als er sie im Bad geküsst hatte.

Was sprach dagegen außer ihrer Liebe zu Daniel, die nicht mehr sein durfte? Nichts.


Tabu Bittere Erfahrungen

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