Читать книгу Tabu Bittere Erfahrungen - Ute Dombrowski - Страница 5

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Am Freitag holte Daniel sie von der Schule ab. Sie lief ihm fröhlich entgegen und küsste ihn. Auf dem Weg zum Essen erzählte Katja ihm von ihrem neuen Kollegen und seiner Einladung. Daniel lachte, aber es klang nicht aufrichtig.

Sie sah ihm in die Augen und sagte ernst: „Lieber Schatz, ich habe genug Sorgen. Keine Angst, ich habe keine Lust auf noch mehr Ärger, außerdem liebe ich dich.“

„Aber du lebst nicht mit mir. Das ist total schlimm für mich.“

Daniels Blick sagte mehr, als alle Worte ausdrücken konnten.

„Ich vermisse dich jeden Tag, an dem ich dich nicht bei mir habe. Ich weiß, dass es meine Schuld ist, aber ich wünsche mir so sehr, dass du zu mir zurückkommst.“

„Ich weiß, ich wünschte, ich könnte alles hinter mir lassen und wieder mit dir leben.“

Daniel hielt Katjas Hand. Nach dem Essen fuhr er mit zu ihr. Sie hängten die Jacken an den Haken und noch im Flur begann Daniel sie zu küssen und hörte auch nicht auf, als sie ihn mit in die Küche zog. Er hob sie dort auf den Tisch, knöpfte ihre Bluse auf und sie zog ihm das Shirt über den Kopf. Seine Küsse wurden immer gieriger. Er schob ihren Rock hoch und sie lehnte sich weit zurück. So liebten sie sich heftig und er trug sie danach ins Bett, wo er sie weiter zärtlich küsste.

Katja war in diesem Moment sehr glücklich, es war wie früher. Aber immer, wenn der Rausch der Sinne vorbei war, kamen die Gedanken und Gefühle mit ganzer Macht zurück. Und dann sah Daniel den Schmerz und die Verletzung in ihren Augen. Es zerriss ihm fast das Herz und er wusste, dass er das so nicht mehr lange aushalten würde.

Wenn er doch alles ungeschehen machen könnte! Katja sah seine Verzweiflung und konnte ihm nicht helfen. Zu übermächtig waren die Gefühle. Sie küssten sich und er nahm sie fest in den Arm. Auch an diesem Wochenende fuhr er nicht heim. Er wollte sich keine Minute von ihr trennen.

Am nächsten Morgen rief er bei René an und klärte mit ihm die Aufgaben ab. Danach holte er Brötchen und weckte Katja. Sie saß beim Frühstück wie schon so oft auf seinem Schoß, weil sie kein Stückchen seiner Nähe missen wollte.

Sie blieben bis zum Mittag auf der Couch, später gingen sie spazieren und am Abend sahen sie eine Komödie im Kino. Danach liebten sie sich intensiv und sie schlief in seinem Arm ein. Am Sonntag blieben sie im Bett. Es war der übliche Ablauf an den Wochenenden und wenn sie sich am Sonntagabend für die Woche verabschiedeten, fühlten sie, dass sie miteinander reden mussten, aber jeden Sonntag blieben sie mit ihren Gedanken und Hoffnungen allein.

„In den Herbstferien fahre ich mit Bea an die Ostsee in den Wellness-Urlaub“, hatte Katja heute verkündet. „Ich denke, wir haben uns das verdient.“

„Klar habt ihr das. Ich freue mich für euch. Beide Wochen?“

„Ja, beide Wochen. Ich werde dich sehr vermissen.“

„Oh weh“, stöhnte Daniel, „schon wieder zwei Wochen ohne dich. Wie soll das gehen? Ich werde ja jetzt schon wahnsinnig, wenn wir uns die ganze Woche nicht sehen.“

„Ich komme doch wieder. Und danach bin ich viel schöner.“

Sie lachte, doch Daniel wurde ernst.

„Ja, ich weiß, dass du wiederkommst. Und noch schöner kannst du gar nicht werden. Dann haben wir jetzt nur noch zwei Wochenenden. Ich hole dich gleich wieder ab am Freitag. In Ordnung? Wollen wir nicht mal zwei Tage wegfahren?“

Katja war begeistert von der Idee.

„Ja! Wohin denn?“

„Wie wäre es mit Potsdam?“, schlug Daniel vor. „Gleich Freitag nach der Schule geht es los und Sonntag nach dem Frühstück zurück. Du hast doch deine Cora auch schon eine Weile nicht gesehen.“

Katja küsste ihn zärtlich. Er hatte recht: Cora fehlte ihr sehr und es war mal wieder Zeit für lange Gespräche.

„Das ist super, ich rufe sie sofort an und frage.“

Sie sprang auf, holte ihr Telefon und nach zehn Minuten hatte sie ein schönes Wochenende bei ihren Freunden vereinbart. Anschließend kam sie wieder zu Daniel ins Bett. Sie konnten nicht genug voneinander bekommen.

Die Zeit verging wie im Fluge. Katjas neuer Kollege grinste sie an, wenn er sie sah, aber er sagte nichts, und das war gut so. Sie telefonierte mit Karim, traf sich mit Bea zum Kaffee und ansonsten war nur die Arbeit wichtig. Irgendwie musste sie ja die Zeit herumkriegen bis zum Wochenende.

Am Freitag ging sie mit Maurizio zeitgleich aus dem Schulhaus. Er hielt ihr galant die Tür auf. Sein Lächeln war umwerfend wie immer, aber als er sah, dass Katja Daniel zuwinkte, wurde er ernst.

„Du hast einen Freund?“, fragte er beiläufig.

„Einen Mann. Ich bin verheiratet.“

„Ah ja. Na dann viel Spaß.“

Maurizio überholte sie und lief in die Stadt. Daniel nahm Katja in den Arm und küsste sie.

„War er das? Dein neuer Kollege?“, fragte er.

„Ja, aber der ist unwichtig. Jetzt lass uns ein schönes Wochenende haben.“

Katja fasste seine Hand. Da sie ihre Sachen schon gepackt hatte, mussten sie nur ihr Auto in die Garage stellen, die Tasche nehmen und dann konnten sie auch schon los.

Die Fahrt verlief ohne Probleme. In Potsdam wurden sie von Cora und Michel freudig empfangen. Sie brachten ihre Sachen in das Gästezimmer und gingen schön essen, nachdem sie sich ein wenig frisch gemacht hatten. Der Abend endete auf der Couch. Sie tranken Wein, den Daniel mitgebracht hatte und Cora erhob ihr Glas.

„Ach, was bin ich froh, dass ihr euch wiederhabt. Das hat uns alle ganz schön auf Trab gehalten. Auf euch! Auf die Liebe!“

Daniel stand auf, setzte sich zu Cora und umarmte sie.

„Ich bin euch so dankbar, dass ihr für uns da wart. Ich bereue zutiefst, was passiert ist und würde liebend gerne die Zeit zurückdrehen, aber es geht nicht. Nochmal danke für alles.“

Cora war sehr gerührt von dieser Geste und drückte ihn ganz fest.

„Aber gerne doch. Euer Glück liegt mir sehr am Herzen, schließlich muss ich mich auch bei dir bedanken. Wenn du nicht so einen Mist gemacht hättest, wäre mir mein Traummann nicht begegnet. Somit sind wir quitt. Aber mach nie wieder so einen Scheiß.“

„Mit Sicherheit nicht.“

Jetzt setzte er sich wieder zu Katja, nahm sie in den Arm und küsste sie.

„Nie wieder.“

Sie streichelte seine Hand.

„Ich weiß.“

Am Samstag fuhren sie gemeinsam nach Berlin. Dort war Daniel auch noch nicht gewesen. Sie besuchten den Fernsehturm, machten eine Stadtrundfahrt und schlenderten durch die brodelnde Stadt. Beim Italiener, den sie als Studenten manchmal besucht hatten, aßen sie spät zu Mittag. Den Samstagabend ließen sie in Potsdam in Coras Hinterhof-Kneipe ausklingen. Am Sonntag schliefen sie lange, frühstückten gemütlich und verabredeten sich für Silvester bei Katja und Daniel. Ob in Katjas Haus oder im Weingut, das würde man dann sehen.

Nach dem Frühstück machten sich die beiden auf den Heimweg. Daniel brachte Katja nach Hause. Er wagte nicht zu fragen, ob sie wieder einmal bei ihm übernachten würde. Sie standen vor ihrer Tür und küssten sich. Als Daniel ins Auto steigen wollte, hielt Katja ihn fest.

„Bleib doch hier. Wir können morgen ganz früh aufstehen.“

Das ließ Daniel sich nicht zweimal sagen und ging mit ins Haus. Sie liebten sich zum letzten Mal an diesem wunderbaren Wochenende.

Die dunklen Wolken waren weit weg. Katja fühlte sich ihm sehr nahe.

Auch das Wochenende vor den Ferien verbrachten Katja und Daniel in Harmonie. Solange sie bei Katja daheim waren, lief alles gut. Sie besuchten den Zoo, wo die Bäume in prächtigen Herbstfarben strahlten, und gingen abends wieder ins Kino. Am Sonntag verabschiedete sich Katja für zwei lange Wochen.

„Ich weiß gar nicht, wie ich das ohne dich aushalten soll.“

„Du schaffst das. Ich werde jede Minute an dich denken.“

„Ich liebe dich.“

„Ich dich auch.“

Als Daniel weg war, überrollte Katja eine Welle von Schmerz. Sie ahnte nicht, dass es Daniel ebenso erging. Er war unterwegs an den Straßenrand gefahren, saß dort im Auto und musste tief durchatmen. Es bereitete ihm physische Qualen, sie immer wieder zu verlassen.

Katja fühlte das auch. Ihn gehen zu lassen, war furchtbar. Sie würden beide kaputtgehen, wenn sich nichts änderte. Katja lag im Bett und weinte sich in den Schlaf. Vielleicht brachten diese Ferien ein paar neue Gedanken, wie sie dieses Chaos in den Griff bekommen konnte.

Maurizio hatte am Freitag nach der letzten Stunde auf sie gewartet. Er lehnte lässig am Treppengeländer. Katja kam durch die Tür und sah sein Grinsen. Sie ging auf ihn zu.

„Wartest du auf mich?“, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Maurizio nickte.

„Was machst du in den Ferien? Mit dem Mann verreisen? Die anderen haben gesagt, ihr wohnt nicht zusammen. Warum?“

„Das geht dich nichts an“, entgegnete Katja, „und was ich in den Ferien mache auch nicht. Aber ich werde es dir trotzdem verraten. Ich mache Schönheitsurlaub, also Wellness, mit meiner Freundin. Zufrieden?“

„Wozu Wellness? Du bist doch schön genug, aber trotzdem viel Spaß. Wo geht es denn hin?“

„In den Harz“, log Katja.

„Uh, wie aufregend. Na dann. Bis nach den Ferien.“

Maurizio nahm ihre Hand und küsste galant ihre Fingerspitzen. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging.

„Idiot …“, murmelte Katja und sah ihm kopfschüttelnd hinterher.

Später erzählte sie Bea davon und die beiden lachten über die Männer im Allgemeinen und über Maurizio im Speziellen. Bea war froh, dass sie zwei Wochen ihre Ruhe hatte, aber Katja vermisste Daniel jetzt schon. Sie freute sich auf den Urlaub mit ihrer Freundin und wusste, dass die Gespräche mit ihr sie immer auf den richtigen Weg bringen konnten.

Daniel war im Weingut angekommen und es ging ihm schlecht, richtig schlecht. Also rief er Karim an, denn er musste mit jemandem reden. Der Freund hörte besorgt zu.

„Ach Daniel, es tut mir so leid. Ich weiß auch nicht, was ich dir raten soll. Ich liebe euch beide sehr und wünsche mir, dass alles wieder gut wird. Aber ich kann auch Katja verstehen. Und dich ebenso … Du siehst, ich bin vollkommen hin und her gerissen. Es ist eine komplizierte Sache und ich bin ratlos.“

„Wenn ich nur eine Lösung wüsste. Ich kann doch das Weingut nicht verkaufen und irgendwo neu anfangen. Es ist das Erbe meiner Eltern! Das würde ihnen das Herz brechen. Und wo soll ich denn hin? Es ist mein Zuhause. Das war es auch für Katja geworden, aber ich habe alles kaputtgemacht. Was ich mache, wie ich mich auch entschiede, es tut irgendwem weh.“

„Ja, du hast recht“, meinte Karim nachdenklich. „Du kannst es drehen und wenden, wie du willst, es ist immer noch Chaos. Was sagt denn Katja zu dem ganzen Kram?“

„Sie sagt immer noch, dass sie nicht hierher zurückkommen kann, weil sie hier ständig die Bilder verfolgen, und das Schlimme ist, ich kann sie verstehen. Mir würde es nicht anders gehen. Sie leidet genauso wie ich. So werden wir beide nicht mehr glücklich.“

Je mehr er drüber redete, umso mehr reifte ein Gedanke in ihm. Es war ein Gedanke mit nicht überschaubaren Folgen. Er konnte und wollte Karim nichts davon erzählen, weil er wusste, dass sein Freund diese Idee ablehnen würde, also brachte er das Gespräch auf allgemeine Fragen zu Südfrankreich und Karims Arbeit.

Daniel setzte sich, nachdem er sich von Karim verabschiedet hatte, auf die Bank unter der Kastanie. Es hatte zu regnen begonnen, aber er nahm es nicht wahr. In seinem Kopf spukten die Gedanken herum. Er hatte jetzt lange genug gegrübelt und es gab nur eine Lösung: Er musste Katja verlassen, damit wenigstens sie ein neues Leben beginnen konnte. So würde nur einer den Schmerz tragen müssen und das war er.

Wenn sie aus dem Urlaub zurück war, wollte er ihr sagen, dass es aus war, dass er sich von ihr trennen würde. Daniel wolle ihr eine perfekte Lüge auftischen, in welcher er behaupten würde, er hätte jemanden aus der Lehre wiedergetroffen und sich neu verliebt. Er war überzeugt davon, dass Katja sich dann frei fühlen und mit ihrer Ehe abschließen könnte. Und mit diesem absurden Gedanken lief Daniel direkt auf die nächste Katastrophe zu.


Tabu Bittere Erfahrungen

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