Читать книгу Tabu Keine Küsse in der Nacht - Ute Dombrowski - Страница 15
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ОглавлениеSie hatte die Chorstunden mit einem kleinen Konzert vor den Eltern beendet. Jetzt war Weihnachten in Sicht. Der Baum war geschmückt, Kaffee und Kuchen standen auf dem Tisch. In wenigen Minuten würden Benjamin und Christian kommen. Sie waren am Abend zuvor in der kleinen Ferienwohnung angekommen und hatten sich für heute Vormittag verabredet. Übermorgen war Heiligabend und sie wollten gemeinsam den Tag verbringen. Für den ersten Feiertag war ein Besuch von Cora und Michel geplant, der zweite Feiertag gehörte wieder Benjamin und Christian.
Am Tag nach Weihnachten hatte Katja für sich und Nelly einen Flug nach Südfrankreich gebucht. Marie freute sich sehr auf die beiden.
Es klingelte und Nelly hob den Finger.
„Papa!“
Dann rannte sie zur Tür. Katja folgte ihr und öffnete. Benjamin hob Nelly auf den Arm und küsste sie auf die Nase. Die Kleine umarmte ihn, aber jetzt sah sie hinter ihm Christian stehen und wollte sofort herunter. Benjamin und Katja sahen fasziniert zu, wie sich Nelly an Christians Bein schmiegte, bis er sie hoch hob. Dort schlang sie die Arme um seinen Hals und strahlte. Sie küsste ihn auf die Wange.
„Komm spielen!“
Es war, als wären Katja und Benjamin nicht vorhanden. Sie setzten sich an den gedeckten Tisch und Nelly schob ihren Stuhl wieder ran, weil sie auf Christians Schoß sitzen wollte.
„Das ist ja ein Ding“, sagte Benjamin. „Du bist anscheinend ihr Lieblingsbesuch. Mensch, Katja, sie ist so gewachsen seit dem Herbst. Schade, dass wir uns nicht öfter sehen.“
„Ja“, erwiderte Katja, „das ist schade. Aber so ist es nun mal. Was hast du denn mit Benni gemacht? Du hättest ihn doch mitbringen können.“
„Er ist bei Frau Heunbach. Wir hatten auch gar keinen Platz im Auto wegen Nellys Weihnachtsgeschenk.“
„Ach du meine Güte. Da bin ich aber gespannt, was ihr da mitgebracht habt.“
Christian hatte sich bisher nicht am Gespräch beteiligt. Er aß mit Nelly Kuchen und ließ sie auf seinem Schoß hüpfen und hob sie hoch in die Luft, wobei das kleine Mädchen fröhlich lachte.
„Nochmal! Fliegzeug!“, rief sie und Christian machte geduldig weiter.
Katja und Benjamin schauten sich verwundert an. Nelly sagte vor lauter Vorfreude auf Marie jeden Tag mehrmals „Fliegzeug“. Christian strahlte.
„Komm, Maus, der Papa geht mal mit dir in dein Zimmer. Zeigst du mir dein Spielzeug? Onkel Christian hilft der Mama beim Aufräumen.“
Nelly rutschte von Christians Schoß und lief voran. Katja und Christian blieben sitzen. Es war, als wäre eine unsichtbare Wand zwischen ihnen.
„Wie war das Fliegen im Herbst?“
„Es hat Spaß gemacht. Die Sicht war gut und die Herbstfarben sehen von oben noch besser aus.“
Wie herrschte Schweigen. Katja begann, den Tisch abzuräumen. Christian stand plötzlich direkt hinter ihr, als sie sich wieder umdrehte. Sie sahen sich sekundenlang in die Augen, aber keiner sagte etwas. Dann ging er aus der Küche.
„Ich gehe mal nach Benjamin und Nelly sehen.“
Katja lehnte sich gegen den Schrank. Sie fühlte eine Welle von Trauer über sich kommen, aber das wollte sie nicht zulassen. Christian sollte, musste den ersten Schritt tun. Aber anscheinend hatte er ihr noch nicht verziehen. Sie wusste ja nicht, dass Christian aus dem Zimmer gegangen war, weil er sie sonst in den Arm genommen und geküsst hätte.
Katja atmetet tief ein und aus, dann klappte sie den Geschirrspüler zu und schaltete ihn an. Sie lief die Treppe hinauf und setzte sich an die Seite, um Nelly und den Männern beim Spielen zuzusehen. Benjamin hatte einen kleinen Schrank umgestellt. Bei Katjas fragendem Blick winkte er nur ab.
Die nächsten Besucher waren Kirsten und Frank-Peter, die einen kleinen Sessel für Nelly mitbrachten. Weil die beiden an Weihnachten bei ihrem Enkelkind waren, hatte Katja sie vorher eingeladen. Sie setzten sich nun alle ins Wohnzimmer, wo Nelly ihren kleinen Sessel neben Katjas Lesesessel stellte. Sie holte ein Bilderbuch vom Tisch und setzte sich hinein.
Kirsten und Katja redeten über das Weihnachtsessen, die Männer über Sport und Werkzeuge, alles war entspannt. Katjas Trauer war weg, ab und zu sah sie zu Christian, der dann sofort den Blick abwendete. Benjamin spürte, wie weh es ihm tat, Katja zu sehen. Katja hatte Nelly, aber sie und Christian hatten ihre Liebe verloren.
Irgendwann war Nelly mit dem Buch in der Hand eingeschlafen. Katja trug sie ins Bett, die Besucher verabschiedeten sich.
Den Großeinkauf am kommenden Tag wollten Katja und Benjamin übernehmen, während Christian auf Nelly aufpasste.
Im Auto fragte Benjamin: „Wie geht es dir denn damit, dass er da ist?“
„Ach, hör auf. Ich bin ganz durcheinander. Christian ist so kühl und abweisend, aber dann schaut er mich ab und zu so an, dass mir ganz anders wird. Was ist denn mit ihm los?“
„Ich haben dir das schon einmal gesagt: Christians Herz ist zerbrochen. Ich glaube, er hat dir auch schon längst vergeben, aber er ist zu stolz, einen Schritt auf dich zuzugehen. Ich persönlich finde das ja vollkommen bescheuert, aber er ist nun mal so. Wenn ich nicht zu ihm gegangen wäre, hätten wir uns nie wieder gesehen. Er erwartet wohl immer, dass der andere den ersten Schritt geht.“
„Das kann ich nicht.“
Benjamin war kurz stehengeblieben und stand auf einem Bein neben dem Auto. Sie hatten einen Parkplatz in der Nähe der Tür des Supermarktes gefunden, hier war die Hölle los, denn es war die letzte Chance zum Einkaufen.
Katja runzelte die Stirn, als sie Benjamins ernstes Gesicht sah.
„Was ist mit dir? Hast du immer noch Schmerzen in deinem Knöchel?“
„Ja, ab und zu meldet sich der Schmerz. Es geht gleich wieder. Und ehe du fragst: Nein, es ist weder eine Prellung noch eine Zerrung. Die Ärzte haben nichts gefunden. Aber egal. Lass uns an Weihnachten nicht darüber reden, auf ins Getümmel!“
Nach zwei Stunden fuhren sie endlich heim. Katja hatte aufgeatmet, als sie wieder aus dem Supermarkt heraus war. Dort waren so viele Menschen unterwegs, dass sie manchmal kaum mit dem Wagen durch die Reihen kamen. Zuhause luden sie alles aus und lasen den Zettel, den Christian ihnen hingelegt hatte: „Wir sind auf dem Spielplatz.“
Katja bereitete ein kleines Mittagessen vor.
Christian hatte mit Nelly erst ein anderes Buch angeschaut, dann hatte er gesehen, dass die Sonne hinter den Wolken hervor sah. Wenn es schon kein richtiger Winter war und mit Schnee an Weihnachten wohl eher nicht zu rechnen war, musste man eben die Sonne nutzen.
„Nelly, wollen wir auf den Spielplatz gehen?“
Das kleine Mädchen sprang auf und hüpfte von einem Bein auf das andere, ehe sie auf dem Hosenboden landete. Christian holte Jacke und Schuhe und zog sie an. Er selbst schlüpfte in seine Jacke und machte sich mit Nelly auf den Weg.
Auf dem Spielplatz an der Schule war kein Mensch. Die Kinder hatten Schulferien. Christian setzte Nelly auf die Schaukel, danach sah er zu, wie sie über den kleinen Balken balancierte, ohne herunterzufallen. Am Ende fing er sie auf. Ein Mann kam vom Parkplatz zu ihnen herüber.
Nelly jauchzte: „Ane, komm!“
Sie lief ihm entgegen. Christian folgte ihr und sah, wie der fremde Mann Nelly herumwirbelte.
„Meine Prinzessin! Schön, dich zu sehen. Wo hast du denn deine schöne Mama gelassen? Guten Tag.“
Christian war bei ihnen angekommen und nickte Arne zu.
„Hallo, ich bin Christian Lauterbach, ein Freund von Katja. Wer sind Sie?“
„Ich bin Arne Beltings, der Nachbar von Katja. Ein guter Freund und ich mag Nelly. Sind Sie der Vater?“
„Nein, ich begleite den Vater, der mein Freund ist, dieses Jahr zu Nelly, um mit ihnen Weihnachten zu verbringen. Die beiden sind einkaufen.“
„Sie ist eine tolle Frau, oder?“
„Wer? Nelly?“
„Nein, Katja. Wird das wieder was mit ihr und Nellys Vater oder ist sie zu haben?“
Christian schluckte.
„Kein Ahnung. Aber versuchen Sie Ihr Glück. Wenn Sie ihr wehtun, breche ich Ihnen allerdings jeden Knochen. Komm Nelly, Mama wartet.“
Er nahm Nelly aus Arnes Arme und machte sich mit ihr auf den Heimweg. Arne schaute ihnen nachdenklich hinterher und dachte: Dieser Mann ist ja wohl in Katja verliebt, das sah ein Blinder. Was war das für eine merkwürdige Konstellation?
Katja und Benjamin hatten gerade alle Einkäufe verstaut, als Christian und Nelly zuhause ankamen. Katja zog sie aus und setzte sie zum Spielen ins Wohnzimmer. Benjamin folgte ihr und Christian wollte gehen.
„Warum?“, fragte Katja. „Ich will gleich für uns alle kochen. Du bleibst hier.“
„Wer ist Arne?“
„Aha, habt ihr ihn also getroffen. Er ist mein Nachbar und wir laufen uns ständig über den Weg. Er mag Nelly und wohl auch mich. Ist das ein Problem?“
„Nein, natürlich nicht.“
Christian hätte sie gerne geschüttelt und gesagt, dass es doch ein Problem war, er fühlte sich unwohl in seiner Haut. So gerne er in Katjas Nähe war, so froh war er doch, wenn Weihnachten vorbei war. Sie zu sehen, machte es nicht leichter, aber er hatte es ja so gewollt.
Beim Essen saß er schweigend neben Benjamin und Nelly. Es gab Rührei mit Kartoffelbrei und Mischgemüse. Da Christian so traurig aussah, schob Nelly ihm den Nachtisch hin.
Christian schüttelte den Kopf. Dann lächelte er gezwungen.
„Iss mal deinen Pudding, mein Engel. Ich bin schon ganz doll satt. Die Mama kann mir einen Kaffee machen, wenn sie mag.“
Katja stand auf und schaltete die Kaffeemaschine an. Sie stellte drei Tassen auf den Tisch, während Nelly ihren Pudding löffelte. Mit ihrem Schokoladenmund lachte sie in die Runde und gähnte herzhaft. Katja ging mit ihr ins Bad und brachte sie dann hoch ins Bett.
Benjamin sah, dass er unbedingt mit Christian reden musste und sagte nach dem Kaffee: „Wir fahren jetzt mal in die Ferienwohnung und kommen morgen Mittag wieder. Wollen wir am Nachmittag die Bescherung machen?“
„Gerne“, sagte Katja.
Sie küsste die beiden auf die Wange und sah ihnen hinterher, wie sie vom Hof fuhren. Dass sich Arne und Christian begegnet waren, hatte sie beunruhigt. Was hatten die beiden Männer geredet?
Benjamin und Christian waren schweigend ins Haus gegangen und hatten sich vor den Fernseher gesetzt. Christian schlug die Hände vor das Gesicht und seufzte. Benjamin schaute ihn voller Sorge an.
„Was ist mit dir? Ist etwas passiert?“
„Nein, es ist alles gut. Ich bin nur müde.“
„Erzähl mir keinen Scheiß. Raus mit der Sprache!“
Nun brach aller Kummer aus Christian heraus. Er redete von seinen Gefühlen, seiner Unfähigkeit, auf Katja zuzugehen und von der seltsamen Begegnung mit Arne.
Benjamin fragte: „Was ist das für ein Typ? Will er was von Katja?“
„Es sah verdammt so aus und die Vorstellung, dass sie sich neu verlieben könnte, tat höllisch weh. Allerdings ist er viel zu jung. Aber das will ja nichts heißen. Was soll ich nur tun?“
„Kopf hoch. Er ist doch nur ihr Nachbar. Male nicht den Teufel an die Wand. Lass uns die nächsten Tage genießen. Wer weiß, wann wir Nelly wiedersehen. Und sei geduldig, vielleicht kommt es doch irgendwann wieder in Ordnung mit euch.“
Christian nickte nun etwas weniger deprimiert. Benjamin zog die Schuhe aus und legte die Beine hoch. Sein Knöchel tat wieder weh. Er rieb die Stelle mit den Fingern. Christian schaute Benjamin erschrocken an, als der das Gesicht verzog.
„Warum hast du denn immer noch Schmerzen? Hatten die Ärzte nicht gesagt, es wird besser nach dem Reizstrom?“
„Tja, es hat wohl nicht funktioniert. Ich werde im neuen Jahr nochmal zum Arzt gehen, schließlich muss ich arbeiten.“
„Genau, ruh dich aus. Ich gehe mal duschen und dann trinken wir ein Glas Wein. Danke fürs Zuhören. Ich hätte echt lieber daheim bleiben sollen.“