Читать книгу Tabu Keine Küsse in der Nacht - Ute Dombrowski - Страница 8

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Es war Herbst geworden, der Besuch bei Benjamin stand an. Katja hatte gepackt und sich einen großen Mietwagen genommen. Sie wollte zwei Wochen bleiben. Reisetaschen, Spielzeug, der Buggy und der große Teddy waren im Kofferraum des Kombis verstaut.

Am Abend zuvor hatte Katja Benjamin angerufen.

„So, ich habe alles verpackt. Wir fahren morgen in aller Frühe los. Ich muss schauen, wie viele Pausen wir machen müssen. Wenn ich von der Autobahn herunter bin, rufe ich dich an.“

„Sehr gut. Ich bin wahrscheinlich mit Christian im Weinberg, es sind ja Ferien bei uns. Wo der Schlüssel ist, weißt du. Die Zimmer sind oben, schau dir alles an und entscheide, wo ihr wohnen wollt.“

Nun saß Katja im Auto. Nelly im Kindersitz hinter ihr sah ein wenig zerknittert aus, denn es war noch sehr früh und dunkel. Sie gähnte herzhaft, schniefte kurz, kuschelte sich an den kleinen, weißen Plüschhasen und schloss die Augen. Katja startete den Motor.

Sie hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch, wenn sie daran dachte, dass sie nun Christian wiedersehen würde. Sie hatten seit dem Vaterschaftstest nicht mehr miteinander gesprochen. Sollte sie ihm sagen, dass sie ihn noch liebte?

Kurz vor der Abfahrt von der Autobahn war Nelly noch einmal eingeschlafen. Die erste Hälfte der Strecke hatte sie schon geschlafen, dann hatte sie aus dem Fenster geschaut und die Geräusche der vorbeifahrenden Autos nachgeahmt. Zwischendurch hatte sie in ihrem Bilderbuch geblättert und unzählige Kekse gegessen. Die ganze Rückbank und der Boden waren voller Krümel. Katja hatte in den Spiegel geschaut und ihre kleine Tochter sorgenfrei spielen sehen.

Endlich waren sie da. Nelly schnarchte leise vor sich hin, den Hasen fest in der kleinen Faust. Katja stieg leise aus und ließ die Tür offen. Es war zwei Uhr am Nachmittag, die Sonne schien über den Weinbergen. Die Luft war mild, ganz anders als im Havelland, wo schon seit Tagen ein heftiger Wind wehte, unterstützt von vereinzelten Regenschauern.

Katja holte den Hausschlüssel aus dem Versteck. Benjamin hatte am Telefon gesagt, dass er gegen drei Uhr mal kurz nach Hause kommen würde. Katja schloss die Tür auf und ließ sie weit offenstehen. Sie ging zum Auto und hob Nelly vorsichtig aus dem Kindersitz. Das kleine Mädchen schlang die Arme um den Hals ihrer Mutter, legte den Kopf auf ihre Schulter und schlief weiter. Katja lief mit ihr ins Haus, dort stieg sie die Treppe hinauf.

Sie öffnete die erste Tür, auf der mit rosafarbenen Holzbuchstaben der Name „Nelly“ stand. Was sie dort sah, ließ sie direkt in Tränen ausbrechen. Es war das schönste Kinderzimmer, was sie jemals gesehen hatte.

An der rechten zart rosa gestrichenen Wand stand ein weißes Kinderbett mit einem Himmel und einem kleinen Mobile mit Schafen. Katja legte die schlafende Nelly in das Bett und sah sich weiter um. Gegenüber dem Bett gab es einen hellen Holzschrank und eine Wickelkommode, über der ein Regal angebracht war. Dort befanden sich neben Plüschtieren Dinge wie Babycreme und eine kleine Haarbürste. In der Mitte war ein weicher Teppich mit Blumenmuster. Unter dem Fenster stand eine Kindercouch mit einem Tisch davor, darauf hatte Benjamin Papier und dicke Buntstifte bereitgelegt. In einem kleinen Regal neben der Tür sah Katja ein bisschen Spielzeug. Weiße Gardinen waren zur Seite gerafft und wurden von rosa Schleifen zusammengehalten.

Es ist ein absolutes Mädchenzimmer, dachte Katja. Sie nahm sich ein paar Tücher vom Regal über der Wickelkommode und putzte sich die Nase. Nelly war nun wach geworden und stand in ihrem Bettchen auf. Sie rieb sich die Augen und begann auf und ab zu wippen.

„Mama … Mama auf.“

Katja hob sie aus dem Bett und setzte sie auf den Teppich. Das kleine Mädchen sah sich um.

„Na, wer ist denn da?“, kam es von der Tür.

Benjamin schaute um die Ecke und strahlte seine Tochter glücklich an. Er hatte Arbeitskleidung an und war verschwitzt. Nelly krabbelte auf allen Vieren zu ihm und zog sich an seinem Bein hoch.

„Papa?“, fragte sie.

Benjamin nahm sie auf den Arm und sagte: „Ja, ich bin der Papa. Das ist aber schön, dass du mich besuchen kommst.“

„Wauwau?“

„Der Benni ist unten. Komm, wir gehen mal zu ihm.“

Benjamin kam nun auf Katja zu und küsste sie auf die Wange.

„Hallo, schöne Mama. Ich hoffe, ihr hattet eine gute Fahrt. Herzlich willkommen. Ich gehe mit Nelly zu Benni, schau du dir doch mal das Gästezimmer an. Die Tür nebenan.“

Er verließ mit der fröhlich vor sich hin plappernden Nelly das Zimmer und ging die Treppe hinunter. Katja folgte ihm und öffnete die Tür zum Gästezimmer.

Ein breites Bett aus hellem Holz stand an der einen Wand, ein großer Kleiderschrank an der anderen. Unter dem Fenster war eine Sitzecke mit einem runden Tisch und Katjas Lieblings-Lesesessel aus dem Wohnzimmer. Ein Hocker davor war mit einer Decke abgedeckt, daneben gab es eine Stehlampe. Auf dem Tisch stand ein bunter Strauß mit Herbstastern. Eine Obstschale mit frischen Äpfeln und Trauben, eine Flasche Wasser und ein Glas luden zum Verweilen ein. Katja setzte sich in den Sessel. Im Regal neben dem Bett waren einige Bücher aus dem Wohnzimmer hier eingezogen. Katja legte die Füße auf den Hocker und schloss die Augen.

„Gefällt es dir?“

Benjamin war hereingekommen und an der Tür stehengeblieben. Er hatte ihre Reisetaschen in der Hand.

„Wo ist Nelly?“

„Sie ist bei Christian und Benni im Garten. Soll ich dein Gepäck wieder ins Auto bringen?“

Katja stand auf und nahm ihm beide Taschen aus der Hand.

„Blödmann, ich bleibe natürlich hier. Danke für das tolle Mädchenzimmer. Ich wusste gar nicht, dass du so kreativ bist.“

„Bin ich auch nicht. Da hatte jemand anderes seine Hand im Spiel. Katja, Christian leidet wie ein Hund, aber er hat sich gut im Griff. Also tu einfach so, als wenn nichts Besonderes los ist.“

„Gut. Das Gästezimmer ist auch sehr hübsch. Und Justin hat auch noch ein Zimmer?“

Benjamin lief voraus und zeigte Katja das Zimmer am Ende des Flurs, das sie umgebaut hatten. Sie erinnerte sich an die Zeit mit Daniel. Hier oben waren immer drei Gästezimmer gewesen und nun war es ein Haus für eine kleine Familie geworden. Daniel wäre sehr glücklich gewesen.

Katja und Benjamin gingen gemeinsam nach unten. Sie nahmen die Kaffeekanne und den Kuchen mit hinaus. Ursula Heunbach hatte alles vorbereitet, bevor sie heimgegangen war. Christian saß unter der Kastanie auf der Bank, Nelly auf seinem Schoß und daneben Benni. Der Hund sprang sofort von der Bank und legte sich unter den Tisch. Katja stellte den Kuchen ab und setzte sich zu Christian.

„Schön dich zu sehen.“

„Willkommen“, sagte Christian und küsste Katja auf die Wange.

Die Berührung seiner Lippen ging ihr durch und durch. Sie atmete tief ein und kitzelte Nelly hinter dem Ohr. Die kicherte und kuschelte sich an Christians Schulter.

Dann sagte sie: „Benni. Wauwau. Mama Kuchen.“

Die kleine Hand streckte sich nach dem Kuchen aus. Benjamin verteilte die Teller und Tassen. Nachdem er Nelly ein Stück Marmorkuchen auf den Teller gelegt hatte, goss er Kaffee ein. Christian setzte die Kleine zwischen sich und Katja auf die Bank. Er war ganz still geworden. Katja fühlte seinen Schmerz und die Liebe fast körperlich.

„Dass sie jetzt Benni sagen kann, ist toll. Der Kuchen ist sehr gut. Ich denke, es wird uns hier gut gehen. Was macht die Lese, Benjamin?“

„Wir sind fast durch. Ich denke, noch drei … vier Tage. Dann hat Christian endlich Zeit zum Fliegen.“

Katja war zusammengezuckt und Benjamin biss sich auf die Lippe. Das wollte er gar nicht sagen, aber das merkwürdige Schweigen hatte ihn gestört.

„Oh, tut mir leid. Aber keine Angst, Katja, es wird nichts passieren.“

„Schon in Ordnung“, flüsterte sie leise.

Die beiden Männer waren aufgestanden.

„So, wir müssen noch einmal in den Weinberg. Wir sehen uns heute Abend. Macht es euch gemütlich.“

Nelly winkte ihnen hinterher. Jetzt räumte Katja den Tisch ab und setzte sich mit ihrer Tochter ins Kinderzimmer. Sie spielten, bis Nelly die Augen fast zufielen. Katja setzte sie in die Wanne und das warme Wasser ließ sie noch müder werden.

Im kleinen Bettchen sagte sie noch einmal: „Möhmöh, Nelly heia.“

Katja küsste sie auf die Nase und deckte Nelly zu. Sie ließ die Tür offen und ging nach nebenan in ihr Zimmer. Sie setzte sich ans Fenster, das nach vorne auf den Parkplatz hinausging und wartete auf Benjamin. Es war fast dunkel, als endlich der Transporter auf den Hof fuhr und das Hof-Licht sich anschaltete. Die beiden Männer stiegen aus. Benjamin zeigte auf die Tür und wollte anscheinend Christian nach drinnen bitten.

Der schüttelte vehement den Kopf, zuckte traurig mit den Schultern und ging heim, ohne sich noch einmal umzudrehen. Benjamin schaute ihm hinterher und dann nach oben zu Katjas Fenster. Sie stand auf und ging nach unten.

„Er tut mir so leid für Christian, Benjamin. Ich wünschte, ich könnte alles ungeschehen machen. Ich … ich …“

Sie schwieg. Aber Benjamin war in Gedanken versunken.

„Ich würde ihm gerne den Platz an eurer Seite überlassen, wenn er dadurch wieder glücklich sein könnte. Ich glaube, dass er nicht Nellys Vater ist, hat ihn mehr getroffen als unser Fehltritt. Es wäre einiges wieder gut geworden, wenn er es wäre.“

Katja schnaufte und nickte.

„Nelly schläft. Hast du Hunger? Soll ich dir etwas kochen, während du duschen gehst?“

„Das wäre super. Ich habe einen Bärenhunger. Apropos Bär, der sitzt noch im Auto. Ich hole ihn noch schnell.“

Er drehte sich um und Katja schaute in den Kühlschrank, was sie kochen könnte. Später saßen sie zum Abendessen in der Küche.


Tabu Keine Küsse in der Nacht

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