Читать книгу Die Liebe ist das Ende - Ute Dombrowski - Страница 10
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Оглавление„Der Jakob Wildmann ist ein korrekter Lehrer. Ich mag nicht glauben, dass er das getan haben soll“, sagte der Schulleiter Hans-Fred Burghaken mit fester Stimme.
„Wer will schon so etwas glauben.“
Roberto stand schweigend am Fenster und hatte Delia das Reden überlassen. An einem Ort wie diesem kamen die Bilder seiner Vergangenheit zurück. Auch seine Schwester war zur Schule gegangen, hatte Freundinnen und die erste Liebe gespürt, aber dann hatte jemand sie getötet. Er hatte bald die Schule gewechselt, weil die unschönen Kommentare einiger Mitschüler und das Mitleid der Lehrer nicht zu ertragen gewesen waren.
„Ich habe alle in den Konferenzraum geordert. Natürlich ist Herr Wildmann nicht dabei. Ich musste ihn beurlauben, bis alles geklärt ist. Die Schüler sind schon zuhause, aber Sie können sie morgen wieder befragen. Ich kann sie ja schlecht unbeaufsichtigt lassen. Außerdem machen wir morgen eine kleine Gedenkfeier für Sandy. Gibt es Beweise für die Behauptungen, dass Herr Wildmann …?“
„Darüber dürfen wir nicht reden. Lassen Sie uns gehen.“
Als die Kommissare mit dem Schulleiter den Konferenzraum betraten, schlug ihnen eine feindselige Atmosphäre entgegen. Die Lehrerinnen und Lehrer saßen an den langen Tisch, hatten die Köpfe zusammengesteckt und getuschelt, jetzt herrschte plötzlich eine undurchdringliche Stille. Delia ließ ihren Blick über die etwa vierzig Menschen schweifen und entdeckte in der linken Ecke Stefanie Küttlings mit verkniffenem Gesicht. Roberto hatte sich ans Fenster gestellt und somit waren die Aufgaben klar definiert: Er würde beobachten und Delia würde sprechen.
„Guten Tag, Kollegen, ich möchte Sie alle hier willkommen heißen, wenn auch aus einem sehr traurigen Anlass. Das sind die Kommissare Böschinger und Caranio, die die Ermittlungen zum Tod von Sandy Hickerring leiten. Frau Böschinger?“
Delia trat jetzt vor und sah ernst in die Runde.
„Wie Sie bereits wissen, wurde Sandy auf der Abschlussfahrt ermordet. Jemand hat sie erdrosselt. Das Ganze geschah in einer Nacht, in der Sandy ohne Erlaubnis das Jugendheim verlassen hatte, um Herrn Wildmann zu ärgern.“
„Sie ist sicher vor dem Schwein geflüchtet!“, rief eine ältere Kollegin, die eine Frisur hatte, als hätte ein Adler seinen Nestbau begonnen.
„Sie sind?“, fragte Delia höflich.
„Irina Dankbert, ich habe Sandy in Deutsch unterrichtet. Und ich finde, dass dieser Kollege hinter Gitter gehört. Das alles wird dem Ruf unserer Schule schaden. Habt ihr mal daran gedacht? Kinderschänder im Kollegium, das geht gar nicht.“
„Frau Dankbert, es ist nicht bewiesen, dass Ihr Kollege irgendetwas in dieser Richtung getan hat. Wir werden jetzt alle einzeln befragen und vielleicht fangen wir gleich mit Ihnen an. Wenn Sie mir bitte folgen? Wer ist denn Johannes Huhberger?“
Ein junger Mann mit einem modischen Bart und leuchtend blauen Augen meldete sich.
„Mein Kollege wird mit Ihnen sprechen. Frau Dankbert?“
„Warum muss ich denn jetzt als Erste? Nur weil die anderen zu feige sind, den Mund aufzumachen? Ist euch denn das Schicksal des Mädchens egal?“
Sie hatte sich wie eine Rachegöttin aufgebaut und ruderte mit den schwammigen Armen. Niemand sagte etwas, nur Johannes schüttelte den Kopf.
Da keiner der Kollegen sich geäußert hatte, kam Irina mit erhobenem Kopf nach vorn und folgte Delia aus dem Raum. Im Nebenzimmer, einem Chemieraum, setzten sie sich in die Schülerbänke.
„Sie mögen Herrn Wildmann nicht?“, begann Delia die Befragung.
„So junge Lehrer haben keine Ahnung vom Leben. Man muss sie überwachen, nur dann können sie lernen sich angemessen zu verhalten. Dass dieser … dieser junge Kerl sich von den Mädchen angezogen fühlt, ist keine Wunder. Er hat ja immer mit denen geredet, als wären sie Freunde. Das darf nicht sein! Distanz, sage ich, Distanz.“
Delia dachte: Die hast du ganz sicher, die Distanz. Sie erinnerte sich gerade sehr deutlich an ihre alte Physiklehrerin, die von Kopf bis Fuß eine Hexe war und jeden Schüler von oben herab behandelt hatte.
Irina fuhr unbeirrt fort: „Das arme Mädchen! So ein Schwein, das sich an der Kleinen vergreift. Jemand musste dem ja mal eine Lehre erteilen. So richtig!“
„Was meinen Sie damit?“
„Was ich meine? Na, dass Sandy weggelaufen ist. Das war richtig.“
„Ach ja? Und wenn das auf Ihrer Klassenfahrt passiert wäre? Würden Sie dann Sandys Verhalten auch so einschätzen?“
„Ich mache keine Klassenfahrten, prinzipiell nicht. Die Eltern sind für das Verreisen zuständig und die Schule für das Lernen. So sehe ich das und ich stehe dazu.“
„Es wurde gesagt, dass Sandy ein wenig, sagen wir, schwierig war.“
„Nun, sie war eben in der Pubertät. Da macht man halt Dinge, um die Grenzen auszutesten, die nicht immer korrekt sind. Bei mir war Sandy immer eine gute Schülerin.“
„Sie hatte ein Fünf in Deutsch.“
„Das lag an ihrer Rechtschreibung, aber denken und reden, das konnte sie gut. Wir haben so manches Streitgespräch geführt, ehrlich und offen, nicht so kumpelhaft wie der junge Kollege.“
„Hatte Sandy Feinde?“
„Nein, sie war das, was man heutzutage als IN bezeichnet.“
„Wie hat sich Sandy den anderen Schülern gegenüber verhalten?“
„Vorbildlich, kameradschaftlich, hilfsbereit.“
Delia dachte sich ihren Teil und beschloss, das Gespräch zu beenden, sonst hätte sie den Glauben an die Schule und die guten Lehrer verloren. Wenn man so eine Lehrerin wie Irina Dankbert hatte, brauchte man keine Feinde mehr, auch als Kollege. Diese Frau spielte sich hier als Sauber-Frau und Musterpädagogin auf, dass es einen gruselte. Delia verkniff sich jede Bemerkung, obwohl sie ihr schon auf der Zunge lag und schickte Irina aus dem Raum.
Sie setzte die Befragung mit Stefanie Küttlings fort. Die war immer noch aufgebracht und wütend, denn sie hatte Angst, dass etwas von dem Pech auf sie abfärben würde.
„Frau Küttlings, es gibt Aussagen, dass Ihr Kollege sich Sandy in sein Zimmer geholt und mit ihr Geschlechtsverkehr gehabt hat. Die Gerichtsmedizin hat das auch für die Mordnacht bestätigt, aber es konnte kein Sperma nachgewiesen werden, also kann Sandy auch mit jemand anderem geschlafen haben. Haben Sie in der Nacht davor etwas bemerkt?“
„Nein, er war dran mit der Nachtwache, ich habe geschlafen. Es wäre aber kein Problem gewesen, sich jemanden ins Zimmer zu holen, denn das Haus war fantastisch isoliert.“
Ihr Ton war genauso eisig wie ihr Gesichtsausdruck. Wenn es hart auf hart kam, würde sie den Lehrer ans Messer liefern.
„Können Sie sich vorstellen, dass Sandy dieses Bild ohne das Wissen ihres Lehrers angefertigt hat?“
„Nein, so clever war das Mädchen nicht.“
„Wie war Ihr Verhältnis zu Jakob?“
„Es war kein Verhältnis. Ich verbitte mir da jede Unterstellung.“
„Das sagte er auch, Sie sind nur Kollegen. Und er hat sich Ihnen gegenüber immer korrekt verhalten?“
Stefanie nickte, denn das entsprach der Wahrheit.
„Aber wenn er auf kleine Mädchen abgefahren ist, dann ist das logisch. Für so einen Kinderficker bin ich zu alt.“
„Wenn sich herausstellt, dass das Foto ein Fake ist, wie leben Sie dann mit den harten Worten?“
Stefanie sah Delia jetzt erstaunt an.
„Sie glauben diesem Mann doch nicht etwa? So ein Schwein muss seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Aber wahrscheinlich hat er sie mit seinem netten Getue und seinen Strahle-Äuglein auch schon ganz wuschig gemacht.“
„So wie Sie?“
„Pffff.“
„Gab es noch andere Kolleginnen, die Jakob Wildmann gerne nähergekommen wären?“
„Keine Ahnung. So gut kennen wir uns nicht. Haben Sie schon mal überlegt, dass er das arme Mädchen zum Schweigen gebracht hat?“
„Wir überlegen immer alles sehr genau. Das war es dann, Frau Küttlings, Sie dürfen gehen und mir die nächste Dame schicken.“
Die Befragungen gingen weiter, aber die anderen Kollegen hielten sich mit ihren Aussagen sehr bedeckt. Entweder hatten sie keine Meinung, oder aber sie verschwiegen die sehr gut.
Nach zwei Stunden steckte sie den Kopf durch die nächste Tür, wo nun auch Roberto den letzten rausgeschickt hatte.
„Hunger“, sagte Delia knapp und ihr Kollege nickte.