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„Jenna, darf ich du sagen?“

„Klar. Muss sie hier sein?“, fragte Jenna die Kommissarin und schaute dann zu ihrer Mutter.

Norma Wartenfels zog die Augenbrauen hoch und bekam ganz schmale Lippen.

„Ja, mein Fräulein, ich muss hier sein. Sandy war deine Freundin und ich verstehe schon seit einer Minute nicht, wie es sein kann, dass du keine einzige Träne vergießt.“

Delia sah von einer zur anderen. Dieselbe Frage hatte sie sich auch schon gestellt. Keine der besten Freundinnen weinte. Was war da los?

„Jenna, wenn deine Mutter das möchte, bleibt sie, denn du bist noch nicht volljährig. Es geht hier auch nur um eine Befragung. Sicher kommt nochmal eine offizielle Vorladung, aber im Moment möchten wir gern wissen, was gestern Abend passiert ist. Bitte erzähl den genauen Ablauf des Geschehens.“

„Ich habe vorhin geheult. Mir ist das unangenehm vor fremden Menschen“, sagte Jenna zickig. „Wir sind gestern ins Bett gegangen, dann ist Sandy aufgestanden und aus dem Fenster geklettert. Sie wollte heute Abend wieder zurückkommen, aber der Wildmann sollte sich mal ruhig Sorgen machen.“

„Jenna!“, fuhr die Mutter sie an. „Was spielst du hier für eine Rolle? Frau Kommissarin, ich verstehe mein Kind gerade nicht. Sie ist sonst lieb und nett.“

Jenna grinste und Delia wusste, dass es bei den beiden zuhause noch richtig krachen würde. Das Mädchen spielte wohl eher zuhause eine Rolle und hier zeigte sich die echte Jenna, die sich absolut sicher fühlte.

„Wo warst du, als Sandy aus dem Fenster geklettert ist?“

„Ich war in meinem Bett und habe ihr zugewinkt. Dann habe ich das Fenster wieder geschlossen und bin eingeschlafen. Es war ja alles gut gelaufen.“

„Wer wusste noch von dem Plan?“

„Conny und Isa, aber die waren im Nachbarzimmer.“

„Wo war der Lehrer?“

„Keine Ahnung. Im Bett? Vielleicht nicht in seinem?“

Wieder grinste das Mädchen und Norma Wartenfels war sprachlos über die Dreistigkeit ihrer Tochter. Mann, dachte sie, wenn wir früher von der Kripo verhört wurden, hatten wir noch Respekt und waren ganz klein mit Hut.

„In wessen Bett hast du ihn vermutet?“

„Bei der Küttlings im Bett, aber vielleicht auch woanders. Er steht ja auf kleine Mädchen.“

„Euer Lehrer? Wie kommst du denn darauf?“

„Der hat Sandy und viele andere ständig angemacht, aber sie wollte nicht. Er ist doch ihr Lehrer!“

„Jenna“, sagte Delia vorsichtig, „das ist eine schwere Anschuldigung, die Herrn Wildmann Kopf und Kragen kosten kann. Bist du dir sicher?“

„Was ist schon sicher? Aber wenn Sie mir nicht glauben, Sandy musste am Abend, bevor sie weg ist, in sein Zimmer und sie kam heulend wieder. Ich habe gefragt, was los war und sie konnte gar nicht aufhören zu weinen. Sie hat nur gesagt: Er hat mich angefasst und dann mit dem Handy Fotos gemacht. Ich habe sie gefragt, warum sie nicht geschrien hat, aber er hat gedroht, ihre nächste Klassenarbeit zu versauen.“

„Gut, wenn es da Fotos gibt, werden wir sie finden. Danke, Jenna, du kannst jetzt mit deiner Mutter heimfahren.“

„Darf ich mich noch von meinen Freundinnen verabschieden?“

„Bitte. Und schicke mir Conny Bartozschka herein. Mit ihren Eltern.“

Jenna verließ das Zimmer, Norma Wartenfels trat zur Kommisssarin und sah sie traurig an.

„Es tut mir leid, Frau Böschinger, sie ist sonst nicht so. Das ist sicher der Stress, weil ihre beste Freundin ermordet wurde. Es tut mir so leid. Wenn das stimmt mit dem Lehrer, dann gehört der bestraft! Bitte finden Sie den Täter. Vielleicht war der Mann es auch selbst, weil er die Kleine zum Schweigen bringen wollte.“

„Wir werden allen Spuren nachgehen. Bitte kümmern Sie sich jetzt um Jenna, sie braucht Sie.“

Die Frau verschwand und Delia war in diesem Moment klar, dass der ganz Fall noch riesige Ausmaße annehmen würde. Sie seufzte, als Conny mit ihren Eltern das Zimmer betrat.

„Um das gleich klarzustellen, meine Dame“, begann Ruby Bartozschka, Mutter von Conny und Anwältin, angriffslustig, „meine Tochter hat mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun. Sie können uns also hier nicht festhalten.“

„Stopp!“, rief Delia. „Wir befragen die Kinder nur über den Ablauf des gestrigen Abends. Nicht mehr. Also bleiben Sie ruhig und halten Sie sich bitte im Hintergrund, damit ich die Fragen stellen kann.“

„Ruby, komm“, sagte ihr Mann freundlich und legte eine Hand auf ihren Arm. „Wenn unser Kind tot wäre, würdest du fordern, dass man alles genau aufklärt. Lass die Kommissarin arbeiten.“

Als wäre eine Wolke des Friedens durch den Raum geschwebt, beruhigte sich die Frau urplötzlich und Delia sah die Liebe in den braunen Augen von Felix Bartozschka. Dann lächelte er die Kommissarin an. Sie wusste, dass der Mann Filmmusikkomponist war und dass er nur Musik für Liebesfilme schrieb.

„Gut, dann beginnen wir“, erklärte Delia und stellte Conny dieselben Fragen wie Jenna.

Das Mädchen bestätigte ebenfalls die Übergriffe des Lehrers auf Sandy und in diesem Moment hielt es ihre Mutter nicht mehr auf dem Stuhl. Sie sprang auf und kündigte einen großen Sturm an, der über Jakob Wildmann hereinbrechen würde.

„Frau Bartozschka, seien Sie versichert, wir gehen hier allen Anschuldigungen gründlich nach. Bitte schlagen Sie dem Herrn nicht schon den Kopf ab, es wäre nämlich sehr unangenehm, wenn sich seine Unschuld herausstellt.“

„Pah! Meine Tochter erfindet doch so etwas nicht. Und wenn er sich an den Mädchen vergriffen hat, kann es doch auch sein, dass er die arme Sandy aus dem Weg geräumt hat.“

„Wie gesagt, wenn es so ist, werden wir das herausfinden. Conny, noch einmal, was weißt du über gestern Abend?“, wandte sich Delia wieder an das Mädchen.

„Sie wollte aus dem Fenster klettern und irgendwann wiederkommen.“

„Hast du sie gesehen, als sie aus dem Fenster geklettert ist?“

„Nein, sie war ja bei Jenna im Zimmer.“

„Gut, das war es dann erst einmal. Deine Eltern können dich jetzt mit nach Hause nehmen. Schick mir bitte Isabella.“

Die Familie verließ das Zimmer und Delia hörte draußen vor dem Fenster die harte Stimme von Ruby: „Leute, der Lehrer hat sich an unseren Kindern vergriffen. Der kann was erleben!“

Ein großes Gemurmel begann und so kamen Isabella und ihre Eltern schon geladen ins Zimmer. Delia bot ihnen einen Platz an und Henriette und Isabella setzten sich, aber Joerg Mendricks, erfolgreicher Immobilienmakler, lief unruhig auf und ab.

„Das hat Konsequenzen!“, rief er zornig und schlug mit der Faust in die Luft. „Ich wünsche, dass dieser Kerl bestraft wird.“

„Herr Mendricks, wir werden dem selbstverständlich nachgehen. Ich möchte mich jetzt mit Isabella unterhalten.“

Sie stellte die gleichen Fragen wie den anderen Mädchen und bekam die gleichen Antworten. Dann war auch Familie Mendricks wieder aus der Tür heraus. Sie befragte nacheinander noch die zehn anderen Mädchen aus der Klasse, aber die konnten über den Abend nichts sagen, auch zu den Anschuldigungen gegen Jakob Wildmann nicht.

Lene, die die Clique hasste und stets von ihnen schikaniert wurde, sagte, ehe sie den Raum verließ: „Vielleicht wollen sie Herrn Wildmann nur damit schaden. Ich glaube, die sind zu allem fähig. Wahrscheinlich haben sie sich abgesprochen.“

„Danke für deine Offenheit, Lene“, sagte Delia.

Die Liebe ist das Ende

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