Читать книгу Die Liebe ist das Ende - Ute Dombrowski - Страница 6
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ОглавлениеRoberto wollte mit den anderen Mädchen reden, aber erst einmal suchte er Delia, um sie von dem Anruf in Kenntnis zu setzen. In dem Moment, als er ins Haus gehen wollte, fuhr ein Sportwagen in den Hof und eine elegant gekleidete Frau stieg aus. Der Mann dazu saß im Auto und hatte das Handy am Ohr. Nun stieg auch er aus, telefonierte aber weiter. Roberto ging auf sie zu und Delia kam aus dem Haus.
„Frau und Herr Hickerring? Ich bin Kommissar Caranio, das ist Kommissarin Böschinger.“
„Guten Tag, was hat sie denn so Schlimmes angestellt, dass die Polizei uns bei der Arbeit stört?“, fragte Saneela.
Gottlieb Hickerring, zehn Jahre älter und doppelt so schwer wie seine schlanke Frau, sah vom Telefon hinweg die Kommissarin an.
„Ja, ich weiß“, sagte er, „wir machen das hier schnell fertig und dann bin ich wieder da. Sie werden doch wohl mal eine Stunde ohne mich arbeiten können!“
Theatralisch legte er auf, wischte sich über die Stirn und grinste.
„Es gibt kein vernünftiges Personal mehr heutzutage. Also jetzt sagen Sie schnell, was unsere Tochter ausgefressen hat und am besten auch gleich, was es uns kosten wird.“
„Frau Hickerring, Herr Hickerring, Ihre Tochter ist gestern Nacht aus dem Jugendheim verschwunden.“
„Dafür müssen wir extra herkommen? So können auch nur Beamte denken. Ich werde morgen sofort …“
„Sie ist tot“, fiel Roberto der hysterischen Frau ins Wort.
Ein hartes Schweigen war die Folge, dann fiel Sandys Mutter einfach um. Roberto bekam sie gerade noch zu fassen und legte sie auf dem Boden ab. Danach rief er den Rettungswagen und musste mit ansehen, wie der große kräftige Mann neben Delia zu heulen begann. Nein, er weinte nicht, er heulte förmlich los. Dazu sank er auf die Knie.
Delia half ihm auf, führte ihn zu einer Bank und wartete, bis er sich beruhigt hatte. Der Notarzt diagnostizierte einen Nervenzusammenbruch bei Saneela Hickerring und brachte sie umgehend ins Krankenhaus.
„Oh nein, was ist denn nur passiert?“, fragte Gottlieb und schaute dem Rettungswagen hinterher.
„Ihre Tochter wurde erwürgt, es tut mir sehr leid“, sagte Delia voller Anteilnahme.
Von dem arroganten Hotelbesitzer war nur noch ein Häufchen Elend übriggeblieben. Er saß zusammengesunken neben der Kommissarin und knetete ein Taschentuch in seinen Händen. Sein Gesicht war grau, aller Glanz aus seinen Augen verschwunden.
Jetzt stotterte er: „Mü … mü …müssen wir sie ansehen? Identifizieren?“
„Keine Sorge, das hat Herr Wildmann bereits übernommen, aber vielleicht wollen Sie und Ihre Frau Abschied nehmen? Dann fahre ich mit Ihnen und …“
„Nein, nein! Ich kann keine toten Menschen sehen. Und meine Frau muss erst wieder auf die Beine kommen. Ich will nur noch ins Krankenhaus und Saneela beistehen. Wir haben Sandy sehr lieb, auch wenn sie viel Ärger macht, seit sie in der Pubertät ist. Wir sind sehr froh, dass der Wildmann sie ganz gut im Griff hat. Sie war so ein liebes Kind und jetzt ist sie tot.“
Er hatte es mehr zu sich als zu Delia gesprochen, diese schickte ihn auch jetzt heim, er sollte am nächsten Morgen ins Büro kommen. Hier im Jugendheim würde der Stress jetzt erst richtig losgehen.
Nachdem Gottlieb weggefahren war, kam Roberto herüber und setzte sich neben seine Kollegin. Er schwieg. Irgendwie war er noch merkwürdiger geworden, seit sie die Leiche des Mädchens gesehen hatten.
„Wie gehen wir vor? Hast du einen Plan?“
„Was?“, fragte der Angesprochene, der anscheinend mit seinen Gedanken woanders war.
Delia wiederholte ihre Frage.
Roberto überlegte laut: „Hm, wir müssen die Kids unabhängig voneinander befragen und ich denke, du solltest die Mädchen übernehmen und ich die Jungen. Einverstanden?“
Schnell fasste er die Aussage von Jenna zusammen. Delia nickte und lief ins Haus, um Bertolt Krahm zu suchen. Der saß in seinem Büro und zählte Geldscheine. Er blickte auf und grinste die Kommissarin an.
„Gut, dass die schon vorher alles bezahlt haben, ich kann Ihnen gar nicht sagen, was so ein Reiseabbruch immer für Kosten verursacht und ich bleibe dann darauf sitzen.“
Delia riss sich zusammen und sagte ruhig: „Na, wenn Sie weiter keine Sorgen haben. Können Sie mir zwei Räume zur Verfügung stellen für die Befragung der Schüler? Außerdem kommen gleich die Eltern und holen die Kinder ab, es wäre nett, wenn Sie Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten würden.“
„Ich muss das mal durchrechnen, aber ich denke, das wird gehen.“
„Herr Krahm, wenn Sie mir eine Rechnung für den Kaffee und die Räume schicken …“
„Das ist kein Problem!“, rief der Mann eifrig.
„… dann werde ich sie an die Presse weiterleiten und ich verspreche Ihnen, dass dies heute Ihre letzten Gäste waren.“
„Oh“, grunzte Bertolt Krahm und wurde rot. „Das ist kein Problem, dass ich Ihnen alles kostenlos zur Verfügung stelle, wollte ich sagen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Seminarräume.“
Sie liefen eine Treppe hinauf und der Mann öffnete zwei Türen. Hinter beiden befand sich eine Reihe Tische. Delia ging ans Fenster und öffnete es, um frische Luft hereinzulassen. Dann bedankte sie sich und verließ das Haus. Bertolt Krahm eilte in die Küche und ließ Kaffee kochen.
Roberto saß noch auf der Bank und sah, wie zwei Autos auf den Parkplatz einbogen. Das mussten die ersten Eltern sein, die nach der Befragung mit ihren Kindern heimfahren würden. Die Kommissare standen auf und begrüßten die Frauen und den Mann, die sich hilflos umsahen. Die Jugendlichen hatte der Lehrer in die Zimmer geschickt und achtete nun auf dem Flur darauf, dass alles ruhig blieb.
„Guten Tag, ich bin Kommissarin Böschinger, das ist mein Kollege Kommissar Caranio. Darf ich fragen, wer Sie sind?“
„Wartenfels“, sagte eine Frau mit roten Haaren und Roberto konnte sie sofort zuordnen.
„Die Mutter von Jenna. Sie sind allein hier?“
„Ich bin geschieden.“
Sie warf einen Blick auf das Paar, das sich ängstlich abgewandt hatte. Delia trat zu ihnen.
„Guten Tag, wer sind Sie?“
Die beiden stellten sich vor und erklärten, dass sie zu den Zwillingen Tim und Tom gehörten. Nun kamen weitere Autos an und die Besucher traten zu der kleinen Gruppe dazu. Nach einer halben Stunde waren alle Angehörigen vollzählig versammelt. Jakob Wildmann kam aus dem Haus und begrüßte die Eltern, denen die Unruhe anzumerken war. Die Lehrerin hatte am Telefon nur gesagt, es hätte einen schlimmen Zwischenfall gegeben, also waren alle beunruhigt und hofften insgeheim, dass das eigene Kind nichts angestellt hatte.
„Meine Damen und Herren“, begann Delia, „wie sie bereits erfahren haben, gab es ein Ereignis, dass es unabdingbar macht, Sie hierher zu bitten.“
„Mann, jetzt halten Sie sich nicht ewig mit dem Geschwafel auf! Was ist los?“
„Wir müssen Ihnen mitteilen, dass die Schülerin Sandy Hickerring heute Nacht Opfer eines Verbrechens geworden ist. Sie ist tot.“
Eine Sekunde herrschte Totenstille, dann aber ging ein Raunen und Murmeln durch die Menge. Einige Mütter begannen zu weinen. Der Vater, der eben so ruppig gewesen war, machte sich ganz klein und kramte in der Hosentasche.
Delia fuhr fort: „Wir haben die Kinder gebeten, in ihren Zimmern zu bleiben, jetzt werden wir sie einzeln befragen. Wenn Sie oder Ihr Kind das möchte, können Sie dazu kommen. Im Anschluss daran dürfen Sie die Sachen packen und gemeinsam nach Hause fahren. Ich danke Ihnen jetzt schon für Ihr Verständnis. Ich beginne mit Jenna, Frau Wartenfels. Wollen Sie dabei sein?“
Die rothaarige Frau nickte, wischte sich eine Träne ab und folgte der Kommissarin ins Haus. Jetzt trat Roberto vor und erklärte, dass er die Jungen befragen würde und bat die Eltern von Tim und Tom ihm zu folgen.