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Michael startete den Wagen und fuhr direkt zur Staatsanwaltschaft, wo man von dem neuen Opfer schon gehört hatte. Um seinen Fehler wiedergutzumachen, hatte der Oberstaatsanwalt Nele Wolf-Kritzek den Fall Weißlinger wieder übertragen. Sie war eine schöne, schlanke Frau Mitte dreißig. Ihr langes, kastanienbraunes Haar fiel locker über die Schultern des grauen Kleides. Ihre Haut war glatt und hell, die grauen Augen glänzten hinter einem Vorhang aus dunklen, langen Wimpern. Sie war dezent geschminkt. Ihr Ruf als Staatsanwältin war tadellos. Sie war die beste Studentin ihres Jahrgangs gewesen und hatte bisher fast alle Fälle gewonnen. Bei Gericht zitterten die Angeklagten, wenn sie ihre straffe, unbeugsame Gestalt zu Gesicht bekamen. In diesen Augenblicken waren ihre Augen die Fenster zu ihrer Seele.

Nele und Bianca hatten sich vor Jahren beim Kampfsport-Training kennengelernt und hatten sofort eine innere Verbindung gespürt, die sie zu engen Freundinnen werden ließ. Michael bewunderte die schöne Frau, die seiner Partnerin so ähnlich war. Ihre Intuition half ihr bei den schwierigsten Fällen, so wie es bei Bianca auch war.

Nele hatte dem Bericht von Michael zugehört und seufzte nun tief.

„Oh, nein, bitte keine Serie und schon gar nicht, wenn es um solch einen Hintergrund geht. Ich sehe schon die Schlagzeilen: Der Rächer der Schwachen schlägt wieder zu. Das wäre furchtbar. Weiß die Presse von der Rose?“

„Nein“, erklärte Michael, „die hat nur die Eckdaten. Wir werden schweigen. Der Tote war übel zugerichtet, so wie Robert Weißlinger auch, nur eben mit einem Fahrzeug. Was hat das zu bedeuten, dass es nicht die gleiche Waffe war?“

„Wahrscheinlich kam der Täter nicht so nahe an den Kerl heran. Dieser Richard, in der Szene nur Rizzo genannt, soll ein ganz harter Hund gewesen sein. Die Mädchen und Frauen, die für ihn angeschafft haben, hatten nicht viel zu lachen. Ich kenne ihn aus früheren Fällen, einem meiner ungeklärten zudem. Es konnte ihm nichts nachgewiesen werden, er ist aalglatt. Die Wohnung, wo man die Mädchen gefunden hatte, gehörte ihm zwar, sie war aber vermietet und er hatte ein Alibi, das ihm seine Kumpane gerne gegeben hatten. Nun hat wohl jemand das erledigt, was ich nicht erreichen konnte. Oh, Mann.“

Nele hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt und wippte mit dem Möbelstück unruhig vor und zurück. Sie war sehr enttäuscht und wütend gewesen, als Rizzo sie nach der Verhandlung ungeniert ange­grinst und auf einen Drink eingeladen hatte. Sein Tod war zwar nicht Recht, aber innerlich hatte sie aufgeatmet. Es gab wohl doch so etwas wie Gerechtigkeit.

„Was nun?“, fragte sie mit einem ermutigenden Blick über den Tisch.

Bianca antwortete: „Wir werden sehen, was seine Leute sagen. Er hatte sich zur Ruhe gesetzt und war nur noch als Berater tätig, das hat mir der Hausmeister erzählt. Aber viel war nicht aus dem herauszubekommen. Sehen wir uns Freitagabend, meine Liebe?“

„Natürlich, wie immer, erst Sport, dann feiern gehen, Frauenabend. Übrigens: Mein Bruder hat eine Frau kennengelernt und ist bis über beide Ohren verliebt. Er will sie mir am Sonntag bei einem Mittagessen vorstellen. Ich bin gespannt.“

„Er hatte ja schon immer einen ganz besonderen Geschmack, ich glaube es gar nicht, dass eine Frau für ihn wichtig genug ist. Komm, Michael, ich habe Hunger. Lass uns zum Italiener um die Ecke gehen. Kommst du mit, Nele?“

„Keine Zeit, gleich ist die Besprechung für die Pressemitteilung. Bis Freitag.“

Nele und Bianca umarmten sich herzlich, Michael winkte, dann waren sie aus der Tür und liefen durch die blank geputzten Korridore nach unten. Nachdem sie unter dem kühlenden Dach der Linden nach rechts abgebogen waren, standen sie vor der kleinen, gemütlichen Pizzeria, in der es ruhig und ein wenig düster war. Die Möbel waren alt, aber gepflegt und in der Küche bereitete eine resolute, italienische Mama die beste Pasta der Welt zu. Es duftete nach frischen Kräutern und frisch gebackenem Brot. Michael hielt Bianca die Tür auf und folgte ihr an einen Tisch am Fenster. Sie bekamen die Karte und studierten sie eine Weile schweigend. Bianca bestellte Lasagne und Michael Penne Bolognese, dazu gab es Apfelschorle. Der hübsche, junge Kellner verschwand und die beiden waren fast alleine. Nur in der anderen Ecke saßen drei Männer, die in ihren Anzügen mit den hellblauen Hemden und dunklen Krawatten wie wichtige Geschäftsleute aussahen.

„Michael, was hat Pit zu dir gesagt?“

„Woher … ich meine … wie kommst du … Ach, Mist, ich dachte, du merkst es nicht. Er wird keine Ruhe geben, denn er denkt, es ist für dich nur eine Auszeit. Also sei vorsichtig. Er sah ziemlich sauer aus, als ich ihm gesagt habe, dass er dich in Ruhe lassen soll. Er dachte, wir haben etwas miteinander.“

Bianca hatte angefangen zu lachen.

„Daher weht der Wind. Dieser Kerl wäre auch noch auf ein Kuscheltier eifersüchtig.“

„Hallo! Du hast mich doch nicht gerade mit einem Kuscheltier verglichen?“

„Ach, mein Lieber, du bist manchmal sehr kuschelig, aber es war nur so dahingesagt. Pit wäre auch auf den Kartenabreißer im Kino eifersüchtig. Ich glaube, er hat mal etwas Schlimmes erlebt und nicht verarbeitet. Das schleppt er mit sich herum. Er hat auch keine Familie mehr, aber darüber wollte er nie reden.“

Michael hatte nach dem Essen ihre Hand genommen und merkte nun, dass sie sie nicht weggezogen hatte. Bianca folgte seinem Blick und lächelte.

„Danke, mein Beschützer. Wenn ich dich nicht hätte.“

„Ich würde eine ganze Menge für dich tun, wenn du mich lassen würdest.“

„Ich weiß, Michael, aber wir sind tolle Kollegen und gute Freunde. Ich glaube nicht, dass wir das zerstören sollten.“

„Und ich glaube nicht, dass wir etwas zerstören würden.“

Nun entzog ihm Bianca ihre Hand und suchte in der Handtasche nach ihrem Handy. Michael seufzte traurig. Sie beugte sich hinüber und küsste ihn auf die Wange.

„Nicht böse sein.“

Er schüttelte den Kopf und rief nach dem Kellner, um zu bezahlen. Sie fuhren ins Büro und machten einen Plan für die nächsten Tage.


Bis die Gerechtigkeit dich holt

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