Читать книгу Tränen im Sommer - Ute Dombrowski - Страница 7

Оглавление

„Alter, wo bleibst du denn so lange?“, fragte Kevin, als Ricardos Sportwagen vor der Schule hielt.

„Ich habe noch etwas zu trinken besorgt, also halt die Klappe. Wo ist Martin?“

„Der musste noch dableiben und mit der Chemie-Zicke reden. Wer weiß, was schon wieder los ist.“

Kevin Gruhsek lümmelte sich auf die schmale Rückbank des Autos und zündete sich eine Zigarette an. Er blies den Rauch durch die Tür nach draußen, denn Ricardo war empfindlich, was seinen Wagen anging. Der blonde, langhaarige, junge Mann war spindeldürr und hatte ein sehr schmales Gesicht mit wässrigen, grauen Augen und einer Hakennase. Er war immer blass, selbst wenn er stundenlang in der Sonne war. Kevin war die Nummer Drei in der Clique, Ricardo und Martin wollten ihn erst nicht dabeihaben, aber dann stellte sich heraus, dass Kevin Dinge besorgen konnte, die man heute so brauchte, wenn man etwas auf sich hielt. Er bekam nie ein Mädchen ab und so hatten die Freunde ihm zum letzten Geburtstag den Besuch einer Nutte geschenkt. Kevin hatte hinterher geprahlt, was er für ein toller Kerl war, so sehr hatte er sich dafür geschämt, dass nichts gelaufen war. Die junge Dame hatte sich ehrlich bemüht, aber das einzige, was sie für ihn tun konnte, war zu schweigen über die Schmach.

Im Gegensatz zu Kevin lagen Ricardo die Mädchen und Frauen zu Füßen. Er musste nur lächeln, dann bekam er, was er wollte. Im Moment war Linda, die Schul-Schlampe, ein williges Opfer, das nach seiner Pfeife tanzte. Er hatte aber schon genug von ihr und beschloss, diese Affäre kommende Woche zu beenden. Er würde wie immer einfach anrufen und sagen, er hätte die Liebe seines Lebens gefunden und müsste sich nun ehrlicherweise von ihr trennen. Das zog immer und die Mädchen hatten sogar noch Mitleid mit ihm und wünschten ihm alles Gute.

Martin Bruhneck war ein völlig anderer Typ. Er war zweimal sitzengeblieben und in der Achten in Ricardos Klasse gekommen. Seitdem waren die beiden unzertrennlich. Er war blond wie Kevin, aber seine Haare waren kurz und gepflegt. Martin war ein glatter Schönling, der aussah, als wenn er von einem Werbeplakat heruntergestiegen war. Martin musste schon früh erwachsen werden. Sein Vater war ein bedeutender Regisseur und immer auf irgendwelchen Reisen. Die Mutter war eine reiche Erbin, die sich einen Liebhaber hielt und manchmal sogar mit ins Haus brachte. Martin hasste darum Frauen im Allgemeinen und seine Mutter im Speziellen, obwohl die Mädchen bei ihm Schlange standen. Sie liebten seine düsteren, braunen Augen und den Zug von Arroganz um seine vollen, wunderschönen Lippen. Nur, wenn er vollkommen betrunken war, ließ er sich dazu herab, ein Mädchen zu verführen, welches er am nächsten Tag nicht mehr kannte.

Im Gegensatz zu Martin, der in einer großzügigen Villa am Stadtrand lebte, hauste Kevin mit seinem stets betrunkenen Vater in einer kleinen Hinterhof-Wohnung in der Nähe des Bahnhofs. Seine Mutter war bei seiner Geburt gestorben und sein Vater war daran zerbrochen und heillos mit der Erziehung seines Sohnes überfordert. Es schaltete sich nur nie das Jugendamt ein, weil Kevin ein schlaues Kind war, dem in der Schule das Wissen nur so zuflog. Selbst wenn er schwänzte, was oft vorkam, schrieb er nur Einser. Er hatte schon ein privates Stipendium für die medizinische Fakultät einer deutschen Eliteuniversität und niemand konnte es fassen, dass Kevin noch Bedenkzeit wollte. Aber er war sich nun mal seiner besonderen Begabung nicht bewusst und hatte andere Sachen im Kopf als Lernen.

Endlich kam Martin aus dem Schulgebäude. Ricardo startete den Motor und verkniff sich eine böse Bemerkung, weil Martin die Tür heftig zuknallte.

„Was wollte die Alte von dir?“

„Halt die Klappe, Kevin. Und du fahr endlich los.“

Die beiden jungen Männer zogen nur kurz die Augenbrauen hoch, dann machten sie sich auf den Weg. Sie wussten, dass sie lieber nichts sagten, wenn Martin solch eine Laune hatte. Seine düsteren Augen waren heute noch dunkler und er schnaufte ein paarmal. Sie hielten vor der großen Treppe der Villa von Martins Eltern. Es war niemand daheim, darum ließen sich die drei Freunde in die Sessel im Wohnzimmer fallen.

Martin sah in die Runde und sagte mürrisch: „Ich muss die Scheiß-Klausur wiederholen. Sonst bin ich raus. Ihr müsst mir helfen. Ich habe der Alten versprochen zu lernen, damit sie endlich die Schnauze hält. Die hat die ganze Zeit gelabert von wegen ich wäre immer alleine und bräuchte eine führende Hand.“

Kevin grinste und erwiderte: „Wohin will sie denn ihre führende Hand anlegen? An deine Eier? Die hat dicke Titten, pack sie doch mal an.“

Ricardo schüttelte den Kopf. Er fand Kevin immer noch blöd und mochte seine dummen Sprüche nicht, aber das vergaß er schnell, als der dünne Junge in die hintere Tasche seiner viel zu großen Jeans griff und einen kleinen Beutel mit bunten Pillen zutage förderte.

Ricardo und Martin grinsten.

„Das Wochenende ist gesichert, Männer. Ich habe die für einen Hunderter bekommen.“

„Kevin, du bist ein Arsch, aber ein ziemlich cooler. Ricardo, was denkst du, die Klausur ist Mittwoch, kannst du mir bis dahin auf die Sprünge helfen?“

„Klar doch. Ich helfe dir schon irgendwie. Aber mal etwas ganz anderes: Heute auf dem Schulhof war da so eine kleine Süße, die musste den Hof fegen. Ich glaube, die ist erst in der Neunten, aber sie ist eine heiße Schnecke. Wenn die ein bisschen älter wäre, würde ich die klarmachen. Sie sieht schon ein wenig älter aus.“

„Verbrenn dir mal nicht die Finger, Alter, so ein Kind zu vögeln, bringt nur Stress. Kenne ich sie?“

Martin hatte seinen Freund neugierig angesehen. Er hatte schon viele Mädels gehabt, aber vom jungen Gemüse musste man die Finger lassen.

„Keine Ahnung“, murmelte Ricardo und nahm einen Schluck aus der Bierflasche, die Kevin aus der Küche geholt hatte. „Sie ist rattenscharf. Ich zeige sie dir morgen. Prost, Männer. Auf die Weiber.“

Die drei Flaschen klirrten aneinander. Dann tranken sie aus, Martin versteckte die Pillen hinter einer Reihe Bücher, Ricardo brachte noch Kevin heim und fuhr dann selbst nach Hause.

Tränen im Sommer

Подняться наверх