Читать книгу Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola - Ute Jäckle - Страница 7

3. Kapitel

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Bis Mitternacht auf der Terrasse von Ben und Luca zu grillen, machte Spaß, sofern man nicht gerade sein Pflegepraktikum absolvierte. Ich verfluchte meine Unvernunft, als ich wie gerädert, mit kleinen Augen und einem Pappbecher voll Automatenkaffee auf der Station des Krankenhauses erschien.

Meine Kommilitonin Marga saß im Stationszimmer und kritzelte irgendwas in eine Patientenakte. Wie Nick und ich war sie derselben Abteilung für das Praktikum zugeteilt worden. Wir drei Medizinstudenten unterstützten somit für die kommenden Wochen das Pflegepersonal und sammelten erste Berufserfahrung.

»Morgen.« Ich ließ mich auf den freien Stuhl neben sie sinken und trank den letzten Schluck des scheußlichen Kaffees, der allerdings immer noch besser schmeckte als die Brühe, die von den Schwestern gekocht wurde und ewig in der Kanne herumgammelte.

»Hey«, sie sah auf, ihre wilde mittelblonde Lockenpracht stand nach allen Seiten ab. »Die Lehmann war vorhin da, wir dürfen nachher alle mit zur Morgenvisite. Ist das nicht cool?«

»Was ist denn mit der los?« Normalerweise ignorierte Doktor Lehmann uns kleine Praktikanten-Würmer vollkommen – mit einer Ausnahme, unseren ach so beliebten Mitstudenten: Mr. Lover Lover. Unser Pflegepraktikum war für diese Frau genau das, was der Name beinhaltete: Pflegetätigkeit. Dabei durften manche meiner Kommilitonen auf anderen Stationen sogar schon ab und an bei kleineren OPs zuschauen. Nur ich hatte wieder mal die Niete gezogen.

Marga klappte die Krankenakte zu und warf ihren Kugelschreiber darauf. »Ich glaube, Nick hat das irgendwie klargemacht. Zum Glück hat er so einen guten Draht zu der. Ich freue mich total. Nick ist einfach der Beste.« Ihre wasserblauen Augen glänzten, als wäre sie eine Bhagwan-Jüngerin, die ihren Guru anbetete.

»Nick ist der Beste?«, wiederholte ich fassungslos. »Nur um deinem Erinnerungsvermögen ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Der Kerl hat sich vom ersten Tag an bei der Lehmann eingeschleimt und wird andauernd bevorzugt. Wegen ihm dürfen wir nun die ganze Drecksarbeit allein machen. Er hat ja besseres zu tun.«

»Findest du?« Sie klang überrascht, was wiederrum mich überraschte. »Ich weiß echt nicht, was du immer wegen Nick hast.«

»Findest du nicht?«

Sie zog ihre sommersprossige Nase kraus. »Ich habe ihn noch nie schleimen sehen. Er ist halt gut.«

»Hey, wir sind auch nicht schlecht!« Immerhin legten wir beide uns auf der Station richtig ins Zeug und schreckten auch vor unangenehmen Aufgaben nicht zurück, vor denen sich Nick erfolgreich drückte. Aber Marga hatte sich ja schon immer von ihm um den kleinen Finger wickeln lassen. Sie war ein sehr hilfsbereiter Mensch. Manchmal fast schon zu selbstlos. Leider dachte sie nicht immer nach, bevor sie den Mund aufmachte. Genau wie damals, als sie Nick von meiner Schwärmerei für ihn berichtet hatte. Aber sie hatte sich hinterher tausendmal bei mir entschuldigt und mir geschworen, in Zukunft dichtzuhalten, wenn ich ihr was erzählen würde. Was sie seither auch tatsächlich machte.

Marga lehnte sich zurück. »Klar, hat er schon bei einem Haufen Untersuchungen dabei sein dürfen, die für uns noch nicht drin waren«, gab sie mir nun doch recht. Immerhin etwas. »Aber Nick hat es echt drauf. Er jobbte nach dem Abitur ein ganzes Jahr in einem Pflegeheim für Schwerbehinderte. Ich glaube, da hat er mehr Erfahrungen gesammelt, als wir uns in den paar Wochen hier aneignen können. Die Lehmann weiß das und ist bestimmt deswegen darauf bedacht, dass er auch was aus seinem Praktikum herausholen kann.«

Oh. Das war mir neu. Woher wusste Marga so gut über ihn Bescheid? »Ich hatte keine Ahnung«, gab ich kleinlaut zu.

»Vorhin hat sich Nick für uns eingesetzt und die Lehmann so lang bequatscht, bis auch wir bei der Visite dabei sein durften. Ist doch total nett von ihm.«

Klar, war das nett von ihm. Aber musste ich das etwa zugeben? Erstaunt gestand ich mir ein, dass ich wahrhaftig so gut wie nichts über Nick wusste. Ob ich am Ende mit meiner Abneigung ein wenig über die Stränge schlug? Schaden konnte es bestimmt nicht, ein bisschen freundlicher zu Nick zu sein. Vielleicht ließ er mich dann endlich in Ruhe. Außerdem hatte ich es ihm zu verdanken, dass ich heute bei der Visite dabei sein durfte, anstatt Bettpfannen zu leeren und Medikamente zu verteilen.

Scheppernd stellte ich das letzte leere Frühstückstablett zurück in den Geschirrwagen. Wie ein Sturmtief war ich heute durch die Zimmer gefegt. In zehn Minuten begann die Visite, die ich auf keinen Fall verpassen wollte.

Plötzlich tauchte Nick neben mir auf, der die Medikamente ausgeteilt hatte. »Na, alles klar?« Er lehnte sich an die Wand, einen Pappbecher mit Kaffee in der Hand und trank einen Schluck durch die Öffnung im weißen Deckel.

Ich streifte ihn mit einem Seitenblick. Er stand lässig und cool neben mir. Wie es aussah, hatte er sich heute Morgen nicht rasiert, Bartstoppeln umrahmten sein kantiges Kinn. Warum fiel mir das überhaupt auf? »Geht schon. Und selbst?« Das war wohl die lahmste Antwort, die ich seit Langem über die Lippen gebracht hatte, aber zumindest war ich freundlich gewesen und hatte obendrein Interesse an ihm vorgetäuscht.

»Bestens. Ich habe gestern eine Proberunde mit der Ducati gedreht, der absolute Hammer.« Seine Mundwinkel hoben sich.

Dieser Mistkerl! Er hörte mit dieser blöden Wette einfach nicht auf. In mir brodelte es hoch und ich musste mich beherrschen, ihm nicht eine gesalzene Antwort an den Kopf zu pfeffern. Rache servierte man am besten kalt und dann würde es mir noch größere Genugtuung bereiten, ihn scheitern zu sehen. Ich sah ihm direkt in die Augen, ging auf volle Konfrontation. »Gewöhn dich besser nicht daran, du wirst auch zukünftig nur hinten drauf mitfahren.«

Er zwinkerte mir zu. »Wenn du fährst, setze ich mich jederzeit hinter dich.«

»Ich bin nicht gern meine eigene Knautschzone, deshalb fahre ich nicht Motorrad. Und schon gar nicht mit dir.« Nick stieß sich von der Wand ab. »Schade, stelle ich mir gerade so schön vor.« Übertrieben umarmte er sich selbst. »Ich schmiege mich an deinen Rücken, schlinge die Arme um deinen schlanken, weichen Bauch, während du Gas gibst. Du würdest es lieben, Muffelchen.«

»Nenn mich nicht immer Muffelchen«, fauchte ich zwischen zusammengepressten Zähnen.

Unmöglich. Ich konnte einfach nicht freundlich zu ihm sein, wir beide waren schlichtweg nicht kompatibel. Nick raubte mir den letzten Nerv. Zu meiner Erleichterung fiel mir ein, dass ich dringend noch was erledigen musste. Am besten noch vor der Visite, sonst wäre Doktor Lehmann nachher sicher not amused. »Ich muss noch Frau Hausers Verband entfernen«, gab ich das Stichwort, der anregenden Unterhaltung ein Ende zu bereiten.

Nick wurde ernst. »Eitert das Knie etwa immer noch?«

»Ja, es wird nicht besser, die Wunde schließt sich nicht und das Antibiotikum schlägt nicht an.«

»Ich sehe mir das mal an.« Ohne meine Reaktion abzuwarten, setzte er sich zielstrebig in Bewegung.

Eine Sekunde der Verblüffung später eilte ich ihm nach. »Hey, das ist meine Patientin.«

»Ich will ja nur mal einen Blick darauf werfen.«

»Na gut«, grummelte ich. Einerseits war ich von Nicks Engagement überhaupt nicht begeistert, andererseits fühlte ich mich als Newbie hier im Krankenhaus immer so hilflos, wenn ich Patienten leiden sah, und ihnen nicht wirklich helfen konnte. Da war Beistand nicht das Schlechteste.

Ich schob den Verbandswagen in das Zimmer mit der Nummer vier. Frau Hauser lag mit schmerzverzerrter Miene in ihrem Bett und wandte langsam den Kopf, als sie uns hörte. Ihr kurzes graues Haar stand ungekämmt nach allen Seiten ab. Aber der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf ihrem Gesicht.

»Guten Morgen, Frau Hauser«, sagte Nick. Seine Stimme hatte sich verändert, sie klang freundlich und mitfühlend. »Wie geht es Ihnen heute?«

»Nick«, sagte sie erfreut, »wenn ich gewusst hätte, dass Sie mich besuchen kommen, hätte ich mir mehr Mühe mit meinem Aussehen gegeben.« Verschmitzt grinsend, deutete sie auf ihr quietschgelbes Nachthemd mit aufgedruckten rosa Rosen.

»Hallo, Aida, Liebes«, grüßte sie auch mich mit warmer Stimme.

»Guten Morgen, Frau Hauser«, erwiderte ich und ging ans Bett. »Ich wechsle jetzt den Verband.«

»Ist gut.« Die Ärmste klang zerknirscht.

»Frau Hauser«, sagte Nick lächelnd. »Ich stehe total auf Blumen. Bringt ein bisschen Farbe ins Zimmer und Sie sehen toll in Gelb aus.«

»Meine Schwiegertochter hat es mitgebracht. Sie wusste, dass ich mich nicht rühren kann und mir deshalb nichts anderes übrig bleibt, als es zu tragen.«

»Ist das dieselbe Schwiegertochter, die hinter Ihrem Rücken die Münzsammlung Ihres verstorbenen Mannes verkauft hat?«, fragte Nick, während ich den Verband abwickelte.

Sie nickte. »Genau die, dieses hinterhältige Frauenzimmer. Wer weiß, was sie jetzt gerade bei mir zu Hause anstellt.«

Nick beugte sich etwas zu ihr. »Ganz im Gegensatz zu Ihnen zaubert Ihre Schwiegertochter einem Mann kein Lächeln ins Gesicht.«

Frau Hauser gluckste und sah gleich viel besser aus. »Schade, dass ich nicht fünfzig Jahre jünger bin. Ich glaube, ich hätte Ihnen gefallen, Nick. Solche Männer wie Sie gab es früher nicht, zumindest nicht in dem Ort, in dem ich gelebt habe. Sie hätten mal meinen Karl-Heinz sehen sollen, wo ich damals meine Augen hatte, weiß ich heute auch nicht mehr.« Sie ächzte leise und schmerzerfüllt auf, fing sich aber gleich wieder und lächelte tapfer.

»Ich weiß. Sie haben mir Ihr Hochzeitsbild gezeigt, Frau Hauser.« Er legte seine Hand auf ihre. »Sie waren ein heißer Feger, da hätte ich bestimmt nicht Nein gesagt.«

Frau Hausers Lachen klang geschmeichelt und ich fasste es nicht, dass sogar Frauen über siebzig ungeniert mit ihm flirteten. Zutiefst verstört, ließ ich die abgerollte Bandage im Müllbeutel am Verbandswagen verschwinden und hob vorsichtig die Kompresse an. Sie klebte an der Wunde fest, weshalb Frau Hauser ein jaulender Schrei entfuhr. Sofort hielt ich inne. Ich wollte der Patientin nicht noch größere Schmerzen zufügen und hatte Angst, die Verletzung zu verschlimmern. Nick musste meine Unsicherheit bemerket haben, denn er beobachtete jeden meiner Handgriffe. Verdammt, ausgerechnet vor ihm musste ich mich so dämlich anstellen.

»Wenn du ein wenig davon nimmst«, er deutete auf die Plastikflasche mit der Ringerlösung, die auch als subkutane Infusion genommen wurde, wenn Patienten zu wenig tranken, »und etwas zwischen Kompresse und Wunde träufelst, lässt sie sich ganz leicht ablösen.« Er nickte mir aufmunternd zu. »Probier es mal.«

Nach einem Moment des Zögerns nahm ich die Flasche und folgte Nicks Anweisungen. Die Zeit rannte uns davon, in fünf Minuten begann die Visite. Aber es klappte. Ohne Frau Hauser weitere Schmerzen zufügen zu müssen, konnte ich die Kompresse entfernen. »Danke für den Tipp.« Ich schenkte ihm ein kleines Lächeln, das er erwiderte.

»Kein Problem. Nächstes Mal hilfst du mir.«

»Sicher, ich zeige dir, wie man am effizientesten Bettpfannen ausleert.«

»Endlich werden meine geheimsten Fragen erhört«, erwiderte er theatralisch.

Nachdem ich Frau Hausers Knie gesehen hatte, war mir nicht mehr nach Scherzen zumute. Wir warfen uns einen kurzen Blick zu, die Wunde sah gar nicht gut aus. Die Ränder waren dick geschwollen, heute quoll noch mehr Eiter hervor als gestern. Zu allem Übel breitete sich auch noch ein fauliger Geruch im Raum aus.

»Ich hätte ein anderes Parfüm auflegen sollen«, sagte Frau Hauser, die ebenfalls ihr Knie begutachtete.

»Rosenduft zum Beispiel.« Nick zwinkerte ihr zu.

»Sieht schlimm aus, nicht wahr?« Die Dame klang ängstlich.

»Ja, tut es«, hielt Nick nicht mit der Wahrheit hinter dem Berg. »Aber gleich sieht sich das Doktor Lehmann an und die weiß, wie wir das mit der Entzündung wieder hinkriegen. Sie ist eine der besten Ärzte hier im Krankenhaus.«

»Hoffentlich. Ich wollte doch noch eine Kreuzfahrt machen und mein Geld verprassen, bevor meine Schwiegertochter mein Sparbuch in die Hände kriegt.«

»Das klappt bestimmt«, sagte ich und legte eine frische Kompresse auf. »Ich decke die Wunde jetzt nur ab, nach der Visite bekommen Sie dann einen frischen Verband.«

»Ist gut.« Sie nickte und hielt die Luft an, als sie sich bewegte.

»Ich werde einen Arzt um ein Schmerzmittel bitten, das bringe ich Ihnen gleich.« Ich zog meine sterilen Handschuhe aus und warf sie dem alten Verband hinterher.

»Danke«, sagte Frau Hauser, als wir im Begriff waren, zu gehen.

»Wir sehen uns gleich noch mal, so schnell werden Sie uns heute nicht los«, drohte Nick scherzhaft.

Draußen auf dem Flur nahm Nick seinen Becher vom Geschirrwagen, den er vorhin dort abgestellt hatte.

»Ich hatte noch nicht mal Gelegenheit, meinen Kaffee zu trinken.«

Ich rollte mit den Augen. Oh Gott, unser Starpraktikant war ja so gestresst.

Er nahm einen Schluck. »Dann bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als ihn während der Visite zu trinken.«

»Doktor Lehmann wird dich umbringen, wenn du das tust. Dann ist es aus mit dem Stationsliebling.« Hoffentlich! Seine Unverschämtheiten nahmen Ausmaße an, die schon nicht mehr tolerierbar waren. Er hatte wirklich vor niemandem Respekt.

»Ach, ich stecke ihn in meine Kitteltasche. Das hat sie noch nie gemerkt.« Seine stahlgrauen Augen funkelten mich an, verweilten einen Moment an meinen Lippen, ehe er den Blick hob und mich direkt ansah.

»Guten Morgen, Nick.« Steffi, eine der Lernschwestern, strahlte ihn an, als wäre sie zu irgendeinem Rockstar auf die Bühne geholt worden. Mit einer Hand strich sie sich durch ihr tizianrotes Haar, das ihr bis zu den Schulterblättern reichte. Hatte sie nicht vorhin noch einen Pferdeschwanz getragen?

Ihr Blick schweifte auffällig über seinen muskulösen Oberkörper, den selbst das weiße Krankhausoutfit unmöglich verstecken konnte. Die breiten Schultern spannten seinen weißen Kittel.

»Schade, dass man deine scharfen Tattoos heute nicht sieht«, hauchte Steffi mit glänzenden Augen und streichelte mit den Fingerspitzen seinen linken Oberarm entlang. »Sie lassen dich so aufregend und gefährlich wirken.«

Ich spürte einen Würgereiz in mir aufsteigen. Oh Gott, gleich würde ich mich bei dem Gesülze übergeben müssen.

Als sich sein linker Mundwinkel hob, erkannte ich auf der Stelle, wie er in den Flirtmodus überging. Frecherweise warf er mir an Steffi vorbei einen tiefen Blick zu, woraufhin ich hastig den Augenkontakt unterbrach. Er turtelte ernsthaft mit uns beiden gleichzeitig? So was brachte nur Nick fertig, es war nicht zu fassen.

»So gefährlich bin ich auch wieder nicht«, sagte er und klang amüsiert.

»Dann muss ich ja keine Angst vor dir haben«, gurrte sie wie eine liebestolle Taube. »Kannst du mir nach der Visite im Verbandsraum helfen?« Sie strich ihren Hals entlang. »Ich komme so schlecht an die Bandagen im oberen Regalfach.«

»Dort steht eine Trittleiter für solche Fälle«, erwiderte er trocken, ließ aber eine Strähne ihres roten Haars durch seine Finger gleiten, als würde er ihre Offerte ernsthaft in Betracht ziehen. Wahrscheinlich tat der Mistkerl das sogar. Was gab es denn bei diesem offensichtlichen Angebot für ihn noch zu zögern? Ich fragte mich, wie man sich als moderne Frau auf so billige Art und Weise einem Kerl an den Hals werfen konnte. Noch dazu an den von Nick. Mehr wunderte mich allerdings, warum er diese freizügige Einladung zu schnellem Sex während der Arbeitszeit nicht sofort annahm.

»Willst du mir dann nicht wenigstens im Verbandsraum Gesellschaft leisten?«, ließ Steffi nicht locker und schmiss sich so dicht an ihn heran, dass nicht mal mehr eine Krankenakte zwischen die beiden gepasst hätte. Wie konnte man sich dermaßen erniedrigen?

Er schüttelte den Kopf. »Sorry, keine Zeit. Hab zu viel zu tun.«

Steffis Lippen verkniffen sich zu einem schmalen Strich. »Dann halt nicht.« Beleidigt rauschte sie an ihm vorbei den Gang hinunter. Selbst Schuld. Wusste sie nicht, dass man bei dem Blödmann mit allem rechnen musste? Immerhin führte er sich nicht erst seit gestern wie ein Gottesgeschenk an die Frauenwelt auf.

»Hast du vielleicht Lust auf einen Abstecher in den Verbandsraum?« Er zwinkerte mir zu und ich wusste, dass er mich verarschte.

»Nachdem ich dir dein selbstgefälliges Grinsen aus dem Gesicht geschlagen habe, jederzeit«, erwiderte ich mit zuckersüßer Stimme. »Danach bandagiere ich dir im Verbandsraum gern deinen Mund.«

»Hey, war doch nur Spaß.« Er klang, als meinte er tatsächlich, was er daherplapperte. Aber ich blieb auf der Hut.

»Lass deine blöde dauernde Anmache«, sagte ich mit fester Stimme. »Dass ich zu Studienbeginn mal kurz für dich geschwärmt habe, war ein Anfall von geistiger Umnachtung, weiter nichts. Das ist schon so ewig lang vorbei, du kannst dir die dummen Witze langsam echt sparen.«

»Habe ich behauptet, dass ich Witze mache? Hör doch einfach auf, dich zu sträuben.« Nick rückte gefährlich nah an mich heran. »Spring über deinen Schatten«, raunte er verführerisch.

Ich schluckte, mein Puls pochte bis hoch in den Hals. Was zog er jetzt schon wieder für eine Show ab? »Damit du das Motorrad bekommst?« Ich konnte nur schwer mit der Situation umgehen, vor allem mit dem Punkt, dass er mir so nah kam. Meine Unsicherheit schnappte mich mit eisernem Griff. Obwohl ich Nick für seinen unterirdischen Charakter aus tiefstem Herzen verabscheute, war mir sehr wohl bewusst, wie attraktiv er aussah. Da stand dieser Angeber vor mir, mit diesem makellosen Äußeren und meine Hemmungen wuchsen in den Himmel.

»Scheiß auf das Motorrad.« Sein warmer Atem streifte meine Wange. »Komm schon, Aida, du willst es doch auch.«

»Nein, will ich nicht.« Ich trat einen Schritt zurück und wurde wieder klar im Kopf. Nick war wie ein Wolf, der noch ein wenig mit seiner Beute spielte, bevor er sie verspeiste. Der Mistkerl testete mich.

Schließlich fuhr er sich mit einer Hand durch die Haare. »Du bist eine echt harte Nuss«, sagte er. »Schade, dass gleich die Visite beginnt. Vielleicht hätte ich dich sonst doch noch in den Verbandsraum gelotst.«

Ich knirschte mit den Zähnen, weil mir leider auf die Schnelle keine schlagfertige Antwort einfiel. Nick war das Letzte, das Allerletzte.

»Jungelchen, kannst du mir kurz helfen?«, hörte ich neben uns die steinalte Frau Jakob fragen. Obwohl sie wahrscheinlich auf die Hundert zuging, war sie noch außerordentlich rüstig. Sie hielt ihm ihren linken Fuß entgegen; die Schnürsenkel ihres grellpinken Turnschuhs hingen lose herunter.

Nick stellte seinen Kaffeebecher auf den Geschirrwagen. »Aber gern. Vor Ihnen gehe ich sogar auf die Knie, Frau Jakob.« Theatralisch sank er nach unten und machte sich an den Schnürsenkeln zu schaffen.

Mein Blick fiel auf zwei Salzpäckchen, die irgendein Patient auf seinem Frühstückstablett zurückgelassen hatte. Nach einem Moment des Zögerns riss ich sie auf, lüpfte den Plastikdeckel und ließ den Inhalt in Nicks Kaffee rieseln. Gerade hatte ich mit einem Holzstäbchen umgerührt, da erhob er sich wieder. Hastig ging ich einen Schritt beiseite.

»Doktor Lehmann ist im Anmarsch«, sagte ich auf die kleine Menschentraube in weißen Kitteln deutend, die die Oberärztin in ihre Mitte genommen hatte.

Nick griff nach seinem Kaffee und ließ ihn in der Kitteltasche verschwinden, ehe wir dazustießen.

Liebeschaos: Süß wie Cherry Cola

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