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Einführung
Оглавление1An den meisten Universitäten in Deutschland beginnt das Studium des Öffentlichen Rechts mit einer Vorlesung zum Staatsorganisationsrecht.1 Nur an einigen wenigen stehen die Grundrechte am Anfang. Für Letzteres lässt sich die Gliederung des Grundgesetzes anführen, das mit dem Abschnitt über die Grundrechte beginnt. Zudem weisen die Grundrechte mit ihrer Funktion, die Freiheit und Rechtsgleichheit der Menschen zu schützen, eine größere Nähe zur Erfahrungswelt der Studierenden auf als das Staatsorganisationsrecht. Dennoch sprechen gewichtige systematische Gründe dafür, gerade das Staatsorganisationsrecht an den Anfang der Ausbildung zu stellen. Unbeschadet des rechtsphilosophischen Ursprungs der Grundrechte in den naturrechtlich und damit vorstaatlich gedachten Menschenrechten2 ist die Bedeutung und der rechtliche Gehalt von Grundrechten nur im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen über die Organisation und Ausübung der staatlichen Gewalt zu verstehen. Plakativ gesprochen: Grundrechte in einer rechtsstaatlich-parlamentarischen Demokratie haben eine andere Bedeutung als Grundrechte in einer sozialistischen Rätedemokratie, denn Grundrechte entfalten ihre Funktion nicht nur gegenüber, sondern auch vermittelt durch die staatliche Gewalt. Um die rechtliche Bedeutung und tatsächliche Tragweite von Grundrechten zu verstehen, ist es nötig, die rechtliche Organisation der staatlichen Herrschaft zu kennen.
2Das Staatsorganisationsrecht und die Grundrechte gehören zum Staatsrecht bzw. zum Verfassungsrecht.3 Es ist abzugrenzen von der allgemeinen Staatslehre. Letztere fragt entweder philosophisch nach den Bedingungen des guten Staates oder bildet auf der Grundlage empirischer Untersuchungen Theorien über das Funktionieren von Staaten. Das Staatsrecht befasst sich dagegen mit der rechtlichen Verfassung eines konkreten Staates. Die verschiedenen Betrachtungsweisen und Erkenntnisinteressen in Bezug auf den Staat sind einerseits in Fragestellung und Methode eigenständig, andererseits aufeinander angewiesen. Staatsrecht und Staatspraxis sind das empirische Material für die Staatslehre; staatsphilosophische und staatstheoretische Erkenntnisse ermöglichen die Orientierung an einem außerhalb des geltenden Rechts liegenden Maßstab der Gerechtigkeit und der guten Ordnung und bereichern damit den Richtigkeitsmaßstab innerhalb des geltenden Rechts um eine Außenperspektive.