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Erste Erfahrungen in der Verbrechensbekämpfung
von Horst Schramm

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Ich wurde 1920 geboren und somit 1939, kurz nach Ausbruch des Krieges, zur Wehrmacht einberufen. Als Flak-Artillerist kämpfte ich an der Ostfront. Am 27. Juli 1945 kehrte ich nach Berlin zurück und zog zu meiner Mutter in den Bezirk Tiergarten.

Doch die elterliche Wohnung war durch Bomben zerstört und stand uns nur vorübergehend zur Verfügung.

Unmittelbar nach meiner Ankunft in Berlin meldete ich mich auf dem zuständigen Polizeirevier 29/30 in der Lützowstraße 93 an. Der Angestellte fragte mich, ob ich Mitglied der NSDAP gewesen sei, und als ich dies verneinte, schlug er mir vor, mich bei der Polizei zu bewerben. Dort würden Männer benötigt, die nicht belastet seien.

Ich bedankte mich für den Rat und erfuhr dann noch: »Polizeiangehörige bekommen die Lebensmittelkarte I.«

Am 3. August 1945 ging ich zur Kriminalinspektion Tiergarten, die sich damals in der Wilsnacker Straße (Moabit) befand, und gab ein Bewerbungsschreiben ab. Ich ging davon aus, daß ich erst nach einiger Zeit eine Antwort erhalten und eventuell zu einem Eignungsgespräch eingeladen würde. Weit gefehlt: Nachdem ich die Frage nach einer Parteizugehörigkeit zur NSDAP nochmals verneint hatte, bat man mich zu warten.

Nach wenigen Minuten wurde ich erneut hereingebeten und dem Leiter der Kriminalinspektion Tiergarten, Herrn Thieme, vorgestellt. Es folgte ein kurzes, höchstens zehnminütiges Gespräch über mein bisheriges Leben und meine Zukunftsvorstellungen, und dann teilte man mir mit, daß man mich für geeignet hielt. Nach diesem Gespräch erhielt ich einen vorläufigen Dienstausweis und wurde angewiesen, mich sofort im Revierkriminalbüro (RKB) 31 in der Derfflingerstraße zu melden.

Zu meiner Überraschung war ich innerhalb weniger Minuten »Kriminalangestellter beim Polizeipräsidium Berlin« geworden.

Ich meldete mich beim Leiter meiner Dienststelle, Herrn Schlick. Mein erster Auftrag bestand im Transport eines Gefangenen nach Tiergarten. Der Gefangene war mein Amtsvorgänger, der wegen Nötigung einer Gefangenen vorläufig festgenommen war. Nun durfte ich den Weg durch den Tiergarten zur Wilsnacker Straße an diesem Tag ein zweites Mal beschreiten. Straßenbahnverbindung nach Moabit gab es damals noch nicht, und Dienstfahrzeuge waren weitgehend unbekannt.

Die Grundausbildung erhielt ich durch den Leiter des Revierkriminalbüros. Er war während des Krieges zur Kriminalpolizei dienstverpflichtet worden und hatte das Metier von der Pike auf gelernt. Was die vielen rechtlichen Bestimmungen anging, die für die Berufsarbeit von Bedeutung sind, waren wir alle sehr unerfahren. Hier fand sich in einem Staatsanwalt ein Helfer, der den interessierten Kollegen der Kriminalinspektion Tiergarten Unterricht erteilte.

Mein berufliches Wissen rundete sich ab, als ich vom 1. Februar 1947 bis zum 29. März 1947 den fünften Kriminalanwärterlehrgang in Berlin-Spandau besuchte. Wegen meiner guten Lehrgangsleistungen wurde ich am 3. Juni 1947 zur Polizeischule Berlin-Spandau versetzt und habe dort bis zum 30. April 1951 als Lehrer gearbeitet.

In diesen vier Jahren kamen fast alle Kollegen der Kriminalpolizei, soweit sie in den Westsektoren tätig waren, zu mir in die Ausbildung. In dieser Zeit mußten alle, Neuangestellte wie Übernommene, einen Lehrgang besuchen. Neben den Grundlehrgängen führte die Polizeischule für Funktionsträger der Kriminalpolizei besondere Lehrgänge durch.

In den ersten Jahren nach dem Krieg bis zur Währungsreform waren Lebens- und Genußmittel sowie alle anderen Gebrauchsgüter rationiert (Zwangsbewirtschaftung). Es liegt auf der Hand, daß sich in einer Zeit der Verknappung des legalen Handels ein schwarzer Markt bildet. Berlin war dafür besonders prädestiniert, da hier vier Besatzungsmächte vorhanden waren, deren Soldaten in unterschiedlicher Weise über Nahrungs- und Genußmittel verfügten. Die Amerikaner zum Beispiel hatten alle begehrten Güter im Überfluß. Diese Nahrungs- und Genußmittel gelangten auf verschlungenen Wegen auf den schwarzen Markt, für den sich die Polizei interessieren mußte, weil der unerlaubte Handel mit zwangswirtschaftlichen Gütern ein Vergehen nach der damals geltenden Verbrauchsregelungsstrafverordnung darstellte.

Da sowohl den Besatzungsmächten wie auch der Polizei an einer Bekämpfung des Schwarzhandels lag, wurden immer mehr Razzien an Treffpunkten der Schwarzhändler unternommen. Schwerpunkte des Einsatzes waren damals zum Beispiel der Potsdamer Platz, der Tiergarten sowie der Bahnhof Zoo. Der umfangreichste Einsatz fand 1946 statt: Er wurde zeitgleich in allen vier Sektoren über 24 Stunden hinweg durchgeführt. Was die Strafverfolgung anging, waren diese Razzien nicht sehr erfolgreich. Die Schutzpolizei schwärmte aus und trieb die Schwarzhändler zusammen, um sie mit Lastkraftwagen zur Polizeidienststelle zu bringen. Auf dem Weg zum LKW, spätestens aber auf dem Fahrzeug, entledigten sich die Schwarzhändler ihrer Waren und waren demzufolge nur in seltenen Fällen zu überführen.

Einen besonderen Fall von Schwarzhandel mit Fleisch möchte ich noch kurz schildern. Einige wenige Tiere des Berliner Zoos hatten den Krieg überlebt, doch nun hatte der Zoo große Probleme, diesen Tierbestand zu ernähren.

Zu den Tieren, die starben, gehörte auch der Elefant »Siam«. Die Zoowärter wollten das Fleisch nutzen. Es war aber zu viel, als daß sie es allein verbrauchen konnten. Deshalb kamen sie auf die Idee, Elefantenfleisch auf dem schwarzen Markt anzubieten. Dabei wurden sie erwischt, und gegen sie wurde ein Verfahren eingeleitet. Doch der Vorsitzende stellte die Strafsache nach der Beweisaufnahme mit folgender Begründung ein: Die Angeklagten werden freigesprochen, weil Elefantenfleisch in Deutschland zu keiner Zeit der Zwangsbewirtschaftung unterlag!

Der Schwarzhandel brachte die Kriminalpolizei mit vielen traurigen Schicksalen in Berührung, denn es gab viele Menschen, die nur aus bitterster Not auf dem schwarzen Markt verkauften oder kauften.

Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart

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