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Über die Anfänge der Schutzpolizei – Zwischen Markgraf und Stumm
Wilfried Jacobi interviewt Hans-Georg Urban

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Dr. Urban trat im August 1945 als Jurist in den Dienst des Polizeipräsidiums Berlin und arbeitete in dieser Zeit eng mit dem damaligen Leiter der Präsidialabteilung und späteren Polizeivizepräsidenten Dr. Johannes Stumm zusammen, der nach der Spaltung der Berliner Polizei im Jahre 1948 Polizeipräsident wurde.

Herr Dr. Urban, wie kamen Sie 1945 bereits kurz nach Kriegsende in den Polizeidienst?

Ich habe mich am 30. Juni 1945 im Polizeipräsidium in der Elsässer Straße gemeldet. Zunächst bei einem Personalchef, der sich Tölken nannte, der aber schon kurze Zeit später als SS-Mann entlarvt wurde und die Polizei wieder verlassen mußte. Er sagte mir als erstes: »Diese Polizei braucht keine Juristen, wir machen es diesmal ohne Juristen. Aber Sie können ja mal zum Genossen Stumm gehen, vielleicht hat der Interesse für Sie.« Ich habe mich daraufhin bei Herrn Dr. Stumm gemeldet, und nach einem kurzen Gespräch meinte Stumm: »Sie können gleich hierbleiben, Sie können sofort anfangen.« Nachdem er sich nach meiner juristischen Ausbildung und meiner bisherigen Tätigkeit erkundigt hatte, überlegte er: »Das Zweckmäßigste wäre, Sie würden ein Dezernat für Rechtsangelegenheiten übernehmen.« Rechtliche Probleme fielen in großer Zahl an, wobei man allerdings sagen muß, daß es noch keine Gerichte gab, die entscheiden konnten, ganz zu schweigen von Arbeitsgerichten. Die Entscheidungen in Personalangelegenheiten und anderen Fragen traf demnach mehr oder weniger der Polizeipräsident.

Polizeipräsident Markgraf hatte ursprünglich mit der Polizei überhaupt nichts zu tun. Er war Berufssoldat, zum Oberleutnant befördert worden und Ritterkreuzträger. Markgraf und Stumm waren ein absolut ungleiches Paar: Markgraf völlig von den Russen abhängig, ohne, wie er mir jedenfalls versicherte, Mitglied der Kommunistischen Partei zu sein; Stumm dagegen alter Sozialdemokrat, der bis 1932 im Polizeipräsidium – zuletzt als Kriminalrat – mit politischen Fällen befaßt gewesen war. Stumm war mein unmittelbarer Chef, er gab mir die Anweisungen, und ich muß sagen, daß ich zu ihm ein besonders gutes und herzliches Verhältnis hatte.

Aber ich wurde auch öfter zu Markgraf gerufen, und daraus ergaben sich für mich Probleme. »Was hat Markgraf gesagt?« wollte Stumm wissen, und Markgraf erkundigte sich bei mir nach Stumm. Denn nach einem Jahr Zusammenarbeit verkehrten die beiden nur noch schriftlich miteinander.

Im Laufe der ersten drei Jahre, d. h. bis zur Teilung der Polizei, war ein ständiger Wechsel unter den Polizeiangehörigen zu verzeichnen. Die Gesamtbelegschaft betrug etwa 15 000 Mann. Soviel ich weiß, sind 10 000 bis 12 000 Mann ausgewechselt und die Stellen neu besetzt worden. Das geschah nicht nur, weil viele Polizisten politisch belastet waren, sondern auch, weil viele Kriminelle die Gunst der Stunde genutzt und sich in den Polizeidienst eingeschlichen hatten. Wir hatten bei der Präsidialwache beispielsweise einen wegen Mordes Vorbestraften, der sich als »Politischer« (das heißt politisch Verfolgter des Nazi-Regimes) ausgegeben hatte. Als nun allmählich die Strafregisterauszüge wieder vorlagen – zuletzt die aus den besetzten Ostgebieten -, da stellte man in vielen Fällen fest, wie ungeeignet die Leute für den Polizeidienst waren.

Zunächst war nur die sowjetische Besatzungsmacht in Berlin. Anfang Juli 1945 erschienen die Amerikaner, kurz darauf die Briten und Mitte August 1945 die Franzosen. Die Alliierte Kommandantur stellte das höchste Organ für die damals noch ungeteilte Stadt Berlin dar, für Polizeiangelegenheiten war ein Ausschuß gebildet worden, das Public Safety Committee. In ihm saßen Vertreter aller vier Mächte, getagt wurde im Polizeipräsidium. Zu den Sitzungen mußten immer Herr Markgraf und Herr Stumm erscheinen. Ich wurde meistens mitgenommen – manchmal vertrat ich auch Herrn Stumm. Wir bekamen unsere Weisungen, was wir zu erledigen hatten und worüber Berichte angefertigt werden mußten. Auf den Sitzungen ging es oft ziemlich stürmisch zu, und zunächst war das Verhältnis zu allen vier Mächten gespannt.

Die Alliierten waren den Deutschen gegenüber natürlich mißtrauisch, sahen in jedem Deutschen einen Nazi und einen, der ihnen feindlich gesinnt war. Aber schon im Laufe der nächsten Monate zeigte sich ein Gegensatz zwischen den Amerikanern und den Sowjets, und die Amerikaner hatten bald den Eindruck, daß die meisten im Polizeipräsidium Tätigen westlich eingestellt waren, zumindest die an der Spitze Stehenden, von Markgraf einmal abgesehen. Natürlich hatten die Russen versucht, überall ihre Leute unterzubringen, vor allem in den Inspektionen des damaligen Ostsektors. Die Inspektionsleiter waren zum Teil Mitglieder der Kommunistischen Partei, und das führte natürlich auch innerhalb der Polizei zu schwierigen Auseinandersetzungen.

An einem Treffen bei Markgraf im August waren auch Stumm und der damalige Kommandeur Heinrich anwesend. Wir sprachen über Einsatzfragen, und dann kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Markgraf und Heinrich. Stumm und ich mußten den Raum verlassen. Das war das letzte Mal, daß wir Heinrich gesehen haben. Es ist ja bekannt, daß er einige Monate später in einem Lager umgekommen ist.

Darf ich jetzt einmal daran erinnern, daß Verbindungsoffiziere zum Berliner Magistrat eingesetzt werden mußten. Aber der erste sowjetische Stadtkommandant in Berlin, General Bersarin, hatte festgelegt, daß die Polizei dem Magistrat unterstellt wird. Wenn die Polizei dem Magistrat unterstellt ist, braucht die Polizei keine Verbindungsoffiziere zum Magistrat. Wie ist das zu erklären?

Das galt nur für die Zeit, in der die Westalliierten noch nicht da waren. Nachdem die Alliierte Kommandantur gebildet worden war, stand fest, daß die Aufsicht über die Polizei unmittelbar von der Alliierten Kommandantur und vom Public Safety Committee geführt wird.

Etwas anders sah es im Ostsektor aus, wo die Sowjets sich unmittelbar einschalteten. Für den Magistrat galt nur, daß ein Magistratsmitglied, und das war der Oberbürgermeister beziehungsweise ein Stellvertreter, den Alliierten gegenüber die Verantwortung für die Polizei zu tragen hatte. Das waren zeitweise die Bürgermeisterin Louise Schroeder (SPD) und über einen längeren Zeitraum Bürgermeister Dr. Ferdinand Friedensburg (CDU). Für Verhandlungen kamen für uns mehr oder weniger nur die Alliierten in Frage.

Herr Dr. Urban, wie ist es dazu gekommen, daß der den Kommunisten nahestehende Polizeipräsident Paul Markgraf suspendiert wurde, aber sein Amt nicht freigeben wollte? Ab März 1948 war die Arbeit des Alliierten Kontrollrats, des obersten Regierungsorgans der Besatzungsmächte in Deutschland, blokkiert, und ab Juni gab es auch keine gemeinsamen Sitzungen der vier Mächte in der Alliierten Kommandantur mehr, die für Berlin zuständig war. Nun verstärkten die Russen den Druck auf das Polizeipräsidium, das im Ostsektor lag, und Markgraf bekam unmittelbare Anweisungen von ihnen, über die Köpfe der westlichen Alliierten hinweg. Dadurch entstanden Spannungen, und die Westalliierten entschieden, daß Markgraf als Polizeipräsident suspendiert werden sollte.

Darüber konnte aber kein Beschluß der Alliierten Kommandantur mehr zustande kommen. Die Absetzung Markgrafs erfolgte erst im allerletzten Stadium, als schon die Währungsreform durchgeführt worden war und die Luftbrücke begonnen hatte. Die Ablösung der Westsektoren vom Ostsektor wurde bereits vorbereitet, und im Juli/August 1948 wurde das Westberliner Polizeipräsidium in der Friesenstraße eingerichtet.

Im Juli 1948 spitzten sich die Ereignisse für die Polizei zu. Ich kann mich noch erinnern, daß Dr. Stumm schon Urlaub genommen hatte. Er hatte seinen Wohnsitz in Ostberlin, war aber nach Wilmersdorf in Westberlin zu seinem Freund, dem früheren Oberbürgermeister Dr. Otto Ostrowski, gezogen. Markgraf fragte mich eines Tages, ob ich noch mit Stumm Verbindung habe und was da los sei. Ich habe mich gewunden, weil ich wußte, wie schwierig die Situation geworden war. Am 24./25. Juli war Markgraf in Karlshorst bei den Russen und ließ mir durch sein Vorzimmer sagen, ich solle warten, bis er zurückkäme. In der Zwischenzeit wurde ich von dem amerikanischen Public Safety Officer, Major Bond, angerufen und aufgefordert, sofort in die Rothenburgstraße nach Steglitz zu kommen, in die Büros vom Public Safety Committee. Am nächsten Tage war dann die Teilung vollzogen.

Dr. Friedensburg als Aufsichtsbehörde über die Polizei hat dann im August 1948 dem nur noch für den Sowjetsektor zuständigen Polizeipräsidenten Paul Markgraf das Recht abgesprochen, als Polizeipräsident zu fungieren, und ausdrücklich entschieden, daß er lediglich die Funktion eines Sektorassistenten ausübe. Polizeipräsident Markgraf hat dies ignoriert und seine Amtsgeschäfte fortgeführt. Der Magistrat entschied jedoch, daß alle Polizeiangehörigen, die sich bis zum 30. August 1948 nicht in der neuen Zentrale in der Friesenstraße gemeldet hatten, fristlos entlassen würden.

Es gab einen Befehl des sowjetischen Stadtkommandanten Alexander Kotikow, daß Dr. Stumm und einige andere, zu denen ich auch gehörte, zu verhaften seien.

Aufgrund eines Befehls der Westalliierten wurde Dr. Stumm mit Billigung des Magistrats zum Polizeipräsidenten ernannt. Zwei Tage darauf ordneten die Alliierten an, daß ich Vizepräsident wurde. Der Dienstsitz war die Polizeikaserne in der Friesenstraße 16 in Kreuzberg.

Berliner Polizei von 1945 bis zur Gegenwart

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