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21 »Lasst diese Frau nicht entwischen.«
ОглавлениеJohannes Kernberger
Helen Eichborn hatte das Gefühl, über Nacht erneut zehn Kilo zugenommen zu haben, als sie die Treppen zur Praxis ihrer Frauenärztin hinaufstieg. Dabei war sie immer so fit gewesen. Ihre beiden Personenschützer hatten sich wie jedes Mal vor dem Eingang des Ärztehauses aufgeteilt. Die Frau war bei Helen geblieben, der männliche Personenschützer hatte schon die Praxis betreten und überprüft, ob dort alles in Ordnung war. Über sein Kragenmikrofon hatte er gemeldet, dass es sicher sei, und Helen konnte mit dem Aufstieg beginnen.
Ihre Tochter wuchs stetig, und Helen war mehr als glücklich, dass sie die Kleine in nicht einmal sieben Wochen endlich in den Händen halten konnte. Einzig vor der Geburt hatte sie ein klein wenig Angst. Aber das wäre normal, versicherten ihr alle Mütter, die sie kannte. Auch ihre Ärztin hatte das bestätigt. Lange musste sie nicht warten, dann konnte sie das Sprechzimmer betreten. Sie plauderte eine Weile mit der Ärztin, dann zog sich Helen aus und legte sich auf die Liege. Wie immer überfiel sie ein kleiner Schauer, als das kalte Kontrastmittel auf ihren Unterleib geschmiert wurde.
Voller Vorfreude starrte sie auf den Monitor.
Da war er, der Herzschlag ihrer kleinen Tochter. Schon wieder füllten sich ihre Augen mit Tränen, was ihre Ärztin schmunzelnd zur Kenntnis nahm.
»Sehen Sie? Da ist das rechte Bein. Hier ist der Oberschenkelknochen«, sagte die Ärztin.
»Ja«, antwortete Helen mit erstickter Stimme, »ich sehe es.«
Dann folgten die üblichen Messungen des Kopfumfanges und der Größe.
»Es ist alles in bester Ordnung«, sagte die Ärztin schließlich.
Während Helen untersucht wurde, entstand im Wartezimmer eine kaum wahrnehmbare Diskussion der beiden Personenschützer. Ohne seiner Frau etwas davon zu erzählen, hatte Nicolas Eichborn entschieden, dass vier Beamte für die Sicherheit seiner Frau zuständig sein sollten. Zwei davon würden so arbeiten, wie man es von der Sicherungstruppe des BKA gewohnt war. Zwei weitere jedoch waren sozusagen undercover. Es handelte sich bei ihnen um junge Frauen, die so taten, als wären sie Patientinnen der Praxis. Helens Ärztin war eingeweiht worden, sodass es für die zwei BKA-Beamtinnen sogar Patientenakten gab.
Einer dieser verdeckten Personenschützerinnen war etwas aufgefallen. Gestern am späten Nachmittag war eine neue Patientin in der Praxis der Frauenärztin aufgetaucht. Ihr Name war Marianne Volkmann und sie wohnte in der Bellermannstraße in Berlin Mitte. Das BKA überprüfte, ob unter der angegebenen Adresse eine Person mit diesem Namen gemeldet war. War sie. Normalerweise wäre es das gewesen. Aber es waren keine normalen Zeiten, daher ging die Überprüfung weit über das hinaus, was Standard war. Als die Sicherungsgruppe des BKA feststellte, dass sie Marianne Volkmann, die in der Bellermannstraße 14 gemeldet war, fünfundsiebzig Jahre alt war, schrillten sämtliche Alarmglocken. Denn die Frau, die sich unter diesem Namen in der Praxis angemeldet hatte, war laut Ausweis achtundzwanzig.
Die Personenschützer schalteten in den Krisenmodus.
Der Präsident des BKA, Johannes Kernberger, wurde darüber informiert, dass eine potentielle Gefahrensituation für Helen Eichborn entstanden war.
Er ordnete unverzüglich an, die verdächtige Frau zu überwachen, um ihren Unterschlupf herauszufinden. Denn in der Bellermannstraße 14 wohnte sie mit Sicherheit nicht. Um die Observation so unauffällig wie nur irgend möglich zu gestalten, kamen auch kleine Überwachungsdrohnen zum Einsatz. Die waren kaum größer als ein herkömmliches Notebook, hatten eine Reichweite von mehreren Kilometern und konnten sowohl per Live-Feed Videoaufnahmen übertragen, als auch Fotos schießen.
»Lasst diese Frau nicht entwischen«, warnte Kernberger das Observierungsteam. »Wenn Helen etwas zustößt, dann …«
»Wir werden sie schnappen«, beruhigte Tobias Kofler seinen Chef. »Das garantiere ich.«