Читать книгу Tillas Mühle - Verena Maria Mayr - Страница 6

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„Verdammter Mist!“, ärgerte sich Eduard. Er kam gegen seine Mutter nicht an. Stur wie eh und je. Vielleicht konnte er seine verhasste Frau Ilsa auf sie ansetzen. Hätten sie seine Mutter einmal auf ihrer Seite, würde auch Louis ihrem Plan zustimmen. Er tat immer was Maria Emilia sagte. Oder er redete direkt mit Louis, den er liebte wie einen zweiten Vater. Vielleicht würde er seinem Vorhaben etwas abgewinnen können. Er wurde auch nicht jünger. Da war dann noch seine Stiefschwester Tilla, die ebenfalls zum Verkauf bewogen werden musste. Sie war ohnehin nie da. Und irgendwie würde er dann auch Ilsa loswerden.

Es war der größte Fehler seines Lebens gewesen, diese Frau zu heiraten. Sie hatte ihm schöne Augen gemacht – wie so viele andere auch, damals beim Maifest vor zwanzig Jahren. Alle hätte er haben können! Er, der aussah wie der junge Robert Redford, mit seinen strohblonden Haaren, die widerspenstig von seinem hübschen Kopf abstanden, und blitzblauen Augen.

Als gute Partie bezeichnete er sich in junger Selbstsicherheit. Eduard sprühte vor Lebensenergie und Ideen, um die Mühle zu modernisieren. Sie produzierten das beste Kürbiskernöl auf dem gesamten Erdball - nun sollte auch die ganze Welt davon erfahren. Ihm - Eduard Hans Herzog - stand die Welt offen. Jedoch das süße, blonde Hannerl mit den violett-blauen Augen hatte es ihm angetan. Sie hatte sich geziert und ihren Kopf auf die andere Seite gedreht, sodass ihre geflochtenen Zöpfe durch die Luft flogen. Ihre hellen Augen hatten frech geblitzt. Er begehrte sie umso intensiver, weil sie ihn wieder einmal abblitzen ließ.

Aus Frust und Ärger hatte er zu viel Wein getrunken und sich aus verschmähtem Stolz mit Ilsa, die nur allzu willig war, eingelassen. Jede andere wäre besser gewesen, warum war er ausgerechnet bei ihr hängen geblieben? Drei Wochen später hatte Ilsa ihm erklärt, dass sie schwanger sei. Was heißt erklärt, sie hatte es ihm irgendwie weisgemacht und er Idiot hatte es geglaubt und sich seinem Vater anvertraut. Der korrekte, angesehene Hans Herzog hatte ihm unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er zu seinen Taten stehen müsse. Dass sein Sohn ein Ehrenmann sei – wie er.

Eduard fühlte sich ganz und gar nicht danach, und hatte noch weniger Lust, dementsprechend zu handeln. Sie könne es doch wegmachen lassen. Beinahe angefleht hatte er Ilsa und ihr viel Geld geboten. Sie hatte ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Zorn bloßgestellt. Nie zuvor in seinem Leben hatte Eduard sich so gedemütigt gefühlt.

„Bitte Vater, unterstütze mich nur noch dieses eine Mal“, hatte er ihn gebeten.

„Dieser Fehler ist nicht rückgängig zu machen“, hatte Hans ihm steif erklärt. So hatte er es genannt. Fehler. Mehr war da nicht zu sagen gewesen.

Ein einziges Mal hatte er sich Louis anvertraut, der mit betrübtem Gesicht geantwortet hatte: „Wir wissen nicht, warum Dinge passieren. Irgendwann werden sie einen Sinn ergeben.“ Damit hatte Eduard nichts anfangen können, aber dass Louis ihn fest umarmt hat und er weinen konnte, hatte ihn besänftigt. Und dass er nicht über sein Verhalten urteilte. Er nahm ihn, wie er war. Louis war ihm mehr Vater gewesen, als Hans Herzog.

Das fesche Hannerl redete nie wieder ein Wort mit ihm, und Ilsa erklärte ihm einen Tag nach der Hochzeit, die einer Begräbnisfeier glich, dass sie sich mit der Schwangerschaft wohl geirrt hätte. Er hasste sie aus ganzem Herzen.

Seit diesem Tag versuchte Eduard seinen Schmerz, seine Wut, seinen Frust zu ersaufen. Bier, Wein, Schnaps, es war ihm egal - vollkommen egal, denn eine Scheidung kam nicht in Frage. Wegzugehen getraute sich Eduard nicht. Wohin auch? Welchem Mädchen hätte er erklären können, das er eine gute Partie sei, wohl eher gewesen war. Der Gedanke entpuppte sich als zu lächerlich. Wer hätte einen von Zuhause verstoßenen genommen? Da konnte er noch so gut aussehen. Welchem Beruf hätte er nachkommen können? Er hatte von klein auf in der Mühle gearbeitet.

Seit er jedoch betrunken eine frisch gefüllte Palette Kürbiskernöl zu Sturz gebracht hatte, ließen ihn seine Eltern – besser gesagt sein Vater – nicht mehr hinein. Er erledigte von nun an unwichtigen Bürokram, traf sich mit unwichtigen Kunden und ließ sich auf Messen etwas dezenter volllaufen. Nein, seine Eltern warfen ihn nicht raus, das hätte den Ruf der Herzog-Mühle eventuell ruiniert, und die war schließlich seit sieben Generationen in Familienbesitz. Er, Eduard Hans Herzog war ein Versager. Das schwarze Schaf der Familie bestätigte sich per se durch ihn – Edi-Redford-Versager. Hans Herzog wollte seinem Sohn eine Lektion erteilen, indem er ihn innerhalb des Mühlenablaufs degradierte, um ihm die Bedeutung des über Generationen gewachsenen Betriebes in Erinnerung zu rufen. Der Schuss ging nach hinten los und in der Stadt wurde gemunkelt, dass dies dem alten Herzog über die Jahre das Herz gebrochen hätte. Nach einem kurzen, sehr heftigen Schlaganfall wurde er schließlich von einem Tag auf den anderen aus dem Leben gerissen.

Seit zwei Jahren war sein Vater, der stattliche Hans Herzog, nun tot, und die Mühle war seit einem Jahr außer in Betrieb. In diesen beiden Jahren hatte Eduard sich ein zweites Standbein aufbauen müssen, denn er war nicht mehr in der Lage, die Mühle, die er nun endlich wieder hätte haben können, zu übernehmen. Im letzten Jahr, als Mimi und Louis noch einen letzten Durchgang pressten, zog er sich endgültig aus dem Mühlengeschäft zurück. Um das Vertrauen der langjährigen Kunden zu gewinnen hätte er sich keinen Fauxpax erlauben dürfen. Es wäre unendlich viel Arbeit gewesen, die neue Klientel davon zu überzeugen, dass sie ihr Kernöl ausschließlich bei ihm kaufen sollten. So qualitativ hervorragend das Öl auch war, so gut sein Ruf noch immer war, so schlecht war seiner mittlerweile und er konnte sich mit der Mühle nicht mehr identifizieren. Sie war nicht mehr seine Lebensaufgabe. Er war aus der Tradition ausgeschlossen worden. Dabei machte ihn nichts so zufrieden und glücklich wie der Geruch von frisch gepresstem Kernöl, das sein Aroma durch die ganze Mühle verströmte. Am liebsten kostete er es direkt von seinem Finger, den er in die warme, dunkelgrüne Flüssigkeit tunkte. Die Mühle, immer wieder die Mühle … Eduard liebte das alte Gebäude mit seinen soliden Sockeln, das im Winter die Wärme speicherte und im Sommer die Hitze fern hielt. Das Surren der Maschinen, die Katze, die die Mäuse jagen sollte, die gestapelten Ölkuchen. Sosehr Eduard die Mühle liebte, er konnte und wollte den Ausschluss nie verkraften. Sollte sie doch verkauft werden. Mit dem Geld wusste er bestimmt Besseres anzufangen.

Schließlich war Eduard als Kundenberater für einen befreundeten Autohändler, mit dem er bereits in den Kindergarten gegangen war, tätig geworden, und insgeheim musste er zugeben, dass es ihm Spaß machte mit begeisterten Autoliebhabern Probefahrten in teuren Luxuswägen zu unternehmen oder betagte Damen bei der Wahl ihres Kleinwagens zu beraten, den sie nur zum Einkaufen nützen würden. Er freute sich jedes Mal ehrlich, wenn er einem hart arbeitenden Familienvater einen Rabatt gewähren konnte und wenn er jungen, hübschen Frauen zu einem schnittigen Wagen verhalf. Bald hatte er sich einen Ruf als seriösen Verkäufer erworben und sein Freund entlohnte ihn großzügig.

Seinen luxuriösen Lebensstil würde er sich allerdings bald nicht mehr leisten können. Seine aktuelle Geliebte war sehr anspruchsvoll. Wenn er nicht so viel Spaß mit ihr gehabt hätte - Gabi brachte ihn zum Lachen, ließ ihn Sorgen vergessen und zeigte ihm, wie man im Jetzt lebte -, hätte er sie schon längst auf charmante Weise weiterziehen lassen. Allerdings war sie auch nicht so leicht loszuwerden wie ihre unzähligen Vorgängerinnen. Diesmal wollte sie keinen Schmuck, keine Designermode, sie wollte einen knallroten Porsche mit dem Wunschkennzeichen „Herz 1“. Auffälliger ging es nicht. Das würde ihm Ilsa nie verzeihen. Seine Mutter allerdings auch nicht.

Er brauchte Geld, viel Geld. Mutter sollte endlich alles verkaufen. Die Mühle und ihr Haus lagen bestens und würden sehr viel einbringen. Die Ölmühle stand still, das Haus war für Mutter und Louis allein viel zu groß, der Garten immens. Sie war Mitte 60 – Vaters Stiefbruder wurde nächstes Jahr 70 – und könnte ihrem einzigen Sohn endlich das Erbe überschreiben. Er war immerhin der echte Sohn und zudem Erstgeborener. Tilla war nur adoptiert, jünger als er und im Grunde keine echte Herzog. Diesen Plan würde er Ilsa schmackhaft machen, sie sollte Mutter davon überzeugen. Auch wenn die beiden kein inniges Verhältnis zueinander hatten, aber zu wem hatte seine spröde Frau das schon?, war ihre ruhige, sachliche Art zu kommentieren bestimmt überzeugender, als seine emotionale. Ja, das konnte die Rettung sein. Er würde seine Schulden begleichen, Ilsa verlassen und mit Gabi in die Karibik abhauen oder wohin auch immer. Zufrieden lächelte er in sich hinein. Den schalen Beigeschmack spülte er mit einem eisgekühlten Bier und ein paar Schnäpsen hinunter.

Tillas Mühle

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