Читать книгу Verdächtige Stille - Veronika Wetzig - Страница 28

Sonntag, 30. Oktober, 9:33 Uhr

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Ben fühlt sich, als hätte er einen Marathon hinter sich. Erschöpft lässt er das Telefon auf den Tisch gleiten und stützt den Kopf in seine Hände.

Erleichtert atmet er aus. „Bis Mittwoch kann Annely erst einmal bei unseren Eltern bleiben.“ Bens Augen blicken von Clara zu Felix. „Und wie soll es nun weitergehen?“

„Hast du mal daran gedacht, vielleicht doch die Polizei einzuschalten?“ Clara sieht Ben fragend an. „Das sind doch Experten, die werden doch wissen, was zu tun ist. Ich meine, das ist doch Wahnsinn, wo willst du denn auf die Schnelle eine Million Euro herbekommen? Und wenn du das Geld nicht beschaffst, wer weiß, was der Kerl dann mit Marie anstellt.“ Clara zögert, bevor sie weiterspricht. „Vielleicht – ach ich mag gar nicht daran denken.“ Claras Augen füllen sich mit Tränen und Ben bemerkt, dass sie ihr Zittern nur schwer unter Kontrolle halten kann.

Langsam nimmt die Angst auch bei Ben wieder zu als er sich bewusst wird, dass die Zeit rennt und er nun langsam eine Lösung finden muss. Ratlos schaut er zu Felix herüber, der unentschlossen seinem Blick standhält.

„Als nächstes solltest du wohl Sophie anrufen, vielleicht hat sie ja eine Möglichkeit, das Geld kurzfristig anzuweisen. Haben die beiden eigentlich wieder häufiger Kontakt? Soweit ich weiß, waren sie früher unzertrennlich.“

„Ja, das ist richtig. Nachdem George verunglückte, haben sie sich wieder häufiger gesehen. Letzte Weihnachten hat Sophie auch ein paar Tage bei uns gewohnt.“ Gedankenverloren starrt Ben auf einen imaginären Punkt in der Küche. „Wir hatten viel Spaß zusammen. Wir waren rodeln, haben Schneeballschlachten gemacht und abends vorm Kamin zusammen Mensch-Ärgere-Dich-nicht gespielt. Annely mag sie auch sehr gern. Nach Sophies Hochzeit hatte sich Marie zunächst immer mehr von ihrer Schwester zurückgezogen. Sie sagte, das liege daran, dass Sophie jetzt ‚in einer anderen Liga spiele‘. Sophie hatte auch des Öfteren angeboten, uns finanziell zu unterstützen, aber Marie hatte das immer wieder vehement abgelehnt. Irgendwann hat Sophie das dann auch akzeptiert und das Thema Geld nicht mehr angesprochen.“

„Ok, aber jetzt handelt es sich eindeutig um einen Notfall. Und wenn es so ist, wie du sagt, wird sie auch kein Problem damit haben, dir etwas unter die Arme zu greifen.“ Felix schiebt seinem Bruder das Telefon wieder zu.

Ben sucht in seiner Brieftasche den Zettel mit den Telefonnummern und wählt Sophies Handynummer. Es dauert lange, bis er überhaupt etwas hört. Die Verbindung scheint ewig zu brauchen, um sich aufzubauen. Nach schier endlosem Rauschen und Knacken meldet sich schließlich Sophies Mailbox. Schnell legt Ben auf. „Nur die Mailbox“, sagt er.

Felix sieht in fragend an. „Und, willst du ihr nicht eine Nachricht hinterlassen?“

Ben starrt ihn an: „Ich kann ihr ja wohl schlecht sagen, dass ihre Schwester entführt wurde und sie bitte schnellstmöglich eine Million auf mein Konto überweisen soll.“ Ben ist inzwischen auf den Beinen. Unruhig tigert er in der Küche auf und ab. Die letzten Worte hatte er Felix schon fast entgegen geschrien. Clara wirft ihrem Mann einen besorgten Blick zu und geht auf Ben zu. Beruhigend legt sie ihm ihre Hand auf den Oberarm. „Vielleicht könntest du sie wenigstens um einen Rückruf bitten? Du musst ihr ja noch gar nicht sagen, worum es geht.“

Ben sieht sie ungläubig an. „Ja“, stammelt er nach einer Weile, „du hast natürlich Recht.“ Er nimmt das Telefon und drückt die Wahlwiederholungstaste.

Nach mehrmaligem Klingeln ertönt schließlich erneut der Piepton der Mailbox. „Äh, hallo Sophie, ich bin’s Ben“, stottert er ins Telefon, wobei er weiter aufgeregt durch die Küche tigert, „kannst du mich vielleicht einmal kurz zurückrufen? Es ist dringend. Es geht um Marie“, schnell bereut er seine Worte und setzt hastig hinzu, „also, äh nichts Schlimmes, nur“, Ben versucht ruhig zu bleiben und konzentriert sich voll auf seine Worte als er plötzlich mit gesenktem Kopf gegen den Türrahmen stößt. „Ach Scheiße“, flucht er im aufgeregten Ton in den Hörer „also, ich brauch deine Hilfe, bitte melde dich schnellstmöglich bei mir. Es ist dringend.“ Schnell drückt er die Taste vom Telefon und wirft es auf den Küchentisch.

Felix beobachtet Ben mit hochgezogenen Augenbrauen.

„So, und was nun?“, resigniert lässt Ben sich auf einen der Küchenstühle fallen.

„Ich würde vorschlagen, wir fahren jetzt mal zu dir nach Hause. Mal sehen, ob wir da nicht doch noch irgendetwas finden, was uns weiterhelfen kann.“

„Und wenn jetzt Sophie anruft?“

„Mach dir keine Sorgen, ich bleib hier und wenn irgendwer anruft, melde ich mich sofort bei euch.“ Clara wirft Ben einen Blick zu, der keine Widerworte duldet.

„Also gut. Am besten rufst du auf Felix´ Handy an. Meins liegt noch zu Hause und da muss ich nach dem Totalzusammenbruch sicher erst wieder den Akku aufladen. Und unser Festnetzanschluss war letzte Nacht auch außer Betrieb. Wer weiß, ob der jetzt wieder funktioniert.“

„Alles klar.“ Clara nickt Ben zu und gibt ihrem Mann noch einen schnellen Kuss mit auf den Weg. „Passt gut auf euch auf. Und wenn dir irgendetwas komisch vorkommt, versprich mir, dass du sofort umkehrst und nach Hause kommst.“

Felix nimmt Clara fest in die Arme und flüstert ihr „Ich verspreche es!“ ins Ohr. Dann folgt er Ben hinaus in den nebelfeuchten Morgen.

Verdächtige Stille

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