Читать книгу Verdächtige Stille - Veronika Wetzig - Страница 32
Sonntag, 30. Oktober, 11:45 Uhr
Оглавление„Was ist los? Hat Sophie sich gemeldet?“
„Nein. Ein Nachbar hat bei uns angerufen. Die Werkstatt steht in Flammen. Die Feuerwehr ist schon unterwegs“.
„Oh Gott! Los, wir nehmen meinen Wagen, der steht ja gleich vor dem Haus!“ Ben ist schon unterwegs, als auch sein Handy zu klingeln beginnt. Hastig rennt er zurück und hält sich Telefon samt Ladekabel ans Ohr. „Hallo?“
Ben erstarrt als er die vertraute Stimme hört: „Hallo mein Freund, scheint so, als würdest du mich nicht ganz ernst nehmen!“ Ben braucht einen Moment, eh er antworten kann. Seine Kehle ist wie ausgedörrt und er schafft es nur mit Mühe, einmal kräftig zu schlucken, ehe er antworten kann: „Was meinen Sie?“
„Nun, haben wir nicht vereinbart, dass nur wir beide von unserer kleinen Vereinbarung wissen? So wie es aussieht sind es inzwischen schon ein paar mehr geworden.“
Bens Puls beschleunigt sich und seine Stimme wird panisch: „Hören Sie, ich habe nur mit meinem Bruder darüber gesprochen. Ich allein kann das Geld nicht aufbringen. Bitte, das müssen Sie mir glauben!“
Er hört den Fremden am anderen Ende der Leitung leise kichern: „Klar, und der Schrauber hat das dicke Konto, oder was? Nur schade, dass dieses sich gerade in Rauch auflöst.“ Wieder ist ein raues Kichern zu hören.
„Wie meinen Sie das?“ Ben starrt Felix an, der nervös von einem Bein auf das andere tritt und immer wieder hektische Zeichen macht, dass sie aufbrechen sollen.
„Nun, ich denke, du hast mich schon verstanden.“ Plötzlich ändert sich der Tonfall des Fremden. „Nur du und ich, dass das klar ist und damit du endlich kapierst, wie ernst ich es meine: Morgen Abend hast du das Geld! Wir treffen uns an der vereinbarten Stelle. Und solltest du noch einmal versuchen, mich aufs Kreuz zu legen, dann brennt nicht nur 'ne schäbige Hütte. Ach, und eins noch: Knochen lassen sich nicht nur bei Katzen leicht brechen. Ich habe gehört, auch Frauenknochen sind 'ne leichte Übung.“
Ehe Ben etwas antworten kann, knackt es in der Leitung. Der Fremde hat aufgelegt.
Ben merkt, wie ihm kalter Schweiß den Rücken herunterläuft. Apathisch legt er das Handy ab und ist zu keiner weiteren Bewegung mehr fähig.
„Was ist los?“ Hektisch rennt Felix auf Ben zu und schüttelt ihn kräftig an den Schultern.
„Das war der Typ“, stottert Ben, „bis morgen Abend will er das Geld haben, sonst...“, Bens Stimme versagt.
„Was sonst?“, Felix Stimme überschlägt sich fast.
„Sonst ergeht es Marie wie Murphy“, wispert Ben und lässt sich kraftlos auf das Sofa fallen.
Felix braucht einen Moment, bis die Nachricht bei ihm angekommen ist. „Oh Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, fluchend rennt Felix wie besessen durchs Wohnzimmer. „Hat er sonst noch was gesagt?“
„Der Werkstattbrand geht auch auf sein Konto“, verzweifelt schüttelt Ben den Kopf, „ich hätte dich da gar nicht mit reinziehen sollen, jetzt ist alles aus.“ Ungeniert lässt Ben seinen Tränen freien Lauf.
„Der ist ja total irre der Typ“, brüllend läuft Felix weiter durch den kleinen Raum und versucht angestrengt einen freien Kopf zu bekommen. „Okay, okay, lass mich nachdenken. Ich muss jetzt zur Werkstatt, und du kommst mit!“, entschlossen zieht Felix seinen Bruder vom Sofa hoch. „Wir nehmen deinen Wagen. Aber ich fahre. Los komm, beeil dich! Und dann erzählst du mir noch mal genau, was der Typ gesagt hat.“
Kurz hält Felix inne. „Ey Bruderherz“, Felix macht eine kurze Pause, damit er sicher sein kann, Bens volle Aufmerksamkeit zu haben, „wir schaffen das, okay? Marie wird nichts passieren, das verspreche ich dir.“ Abrupt nimmt er Ben kräftig in den Arm, an dem alles Gesagte nur abzuprallen scheint.
Noch immer zu keiner Reaktion fähig folgt Ben Felix widerspruchslos zum Auto. Wortlos öffnet er die Tür und lässt sich auf den Beifahrersitz gleiten. Angewidert schiebt er die dreckigen Turnschuhe und den Rucksack mit den Füßen zur Seite, da entdeckt er einen zusammengefalteten Zettel. Er greift nach ihm und öffnet ihn vorsichtig.
Ben stockt der Atem: Es ist ein Foto, genauer gesagt, der Rest eines Fotos. Ben merkt wie sich sein Herzschlag wieder beschleunigt. Felix, der inzwischen den Motor gestartet hat, wirft ihm nur einen kurzen Seitenblick zu: „Was ist das?“
Ben ist noch immer ratlos. Mehr zu sich selbst nuschelt er vor sich hin: „Ein Foto. Von Marie, Annely und mir. Aber die rechte Seite, da wo ich abgebildet bin, fehlt. Lag hier unter dem Sitz. Keine Ahnung, wo das herkommt.“
Felix wirft einen Blick zwischen Bens Füße. „Na vielleicht ist es einfach aus dem Rucksack gerutscht. Können wir jetzt los?“ Doch Ben hat seine Autotür schon wieder aufgerissen. „Verdammt, der Rucksack!“ Wütend macht er sich von Felix los, der ihn am Arm gepackt hat, um ihn im Auto zu halten. „Verstehst du nicht? Marie hatte das Foto immer bei sich. Jetzt liegt es hier bei mir im Wagen. Wahrscheinlich ist es tatsächlich aus dem Rucksack gefallen. Das bedeutet doch, dass derjenige, dem der Rucksack gehört, auch Marie entführt hat.“ Einen kurzen Moment starrt Ben auf das Foto in seiner Hand und überlegt bis er endlich begreift. Entsetzt sieht er seinen Bruder an. „Vielleicht ist er auch hinter Annely her!“