Читать книгу Roberta, mein Tagebuch und ich - Viveca Lärn - Страница 8
4. September
ОглавлениеAls ich heute zur Schule kam, war die ganze Klasse auf dem Schulhof versammelt, und kein Mensch redete von Abraham. Alle trugen Gummistiefel und Tüten mit Pausenbrot, und einige hatten Mützen auf. Nur ich hatte meine gewöhnlichen Schuhe an und kein Pausenbrot. Ich dachte, ich müßte tot umfallen, so sehr schämte ich mich.
Da kam unsere Lehrerin. Sie trug ein komisches Riesentaschentuch auf dem Kopf und einen großen Korb mit Pausenbroten. Sie starrte mich wie alle anderen an.
»Hast du vergessen, daß wir heute Wandertag haben?« fragte sie. »Hast du deiner Mutter nicht den Zettel gegeben?«
Dann mußten alle auf mich warten, während ich wieder nach Hause lief.
Niemand war da. Ich rief durch den Briefkastenschlitz, aber keiner machte auf. Da mußte ich runterlaufen zu Perssons, die unseren Schlüssel haben. Frau Persson öffnete die Tür. Sie hatte Lockenwickler im Haar und einen grünen Morgenmantel an und hielt ihren blöden Hund fest, der immer auf mich los will. Nach einer ganzen Weile brachte sie endlich unseren Schlüssel, und ich raste rauf zu unserer Tür. Zuerst paßte der Schlüssel nicht, und die ganze Zeit, während ich im Schlüsselloch herumstocherte, brüllte ich: »Wir sind zwanzig Leute. Und Papa und Albin stehen draußen!« Das schrei ich immer, wenn ich allein nach Hause komme, damit jeder Angst kriegt. Es könnte ja ein fremder finsterer Typ drinnen in unserer Wohnung sein.
»Papa und Albin«, schrie ich, »wartet im Treppenhaus. Ich mach mir nur zwei Butterbrote für den Wandertag.«
Der Kühlschrank war fast leer. Kein Käse und keine Wurst. Nur eine alte Tube mit Kaviarpaste lag da. Aber Brot fand ich. Es wurden zwei komische Kaviarbrote. Hoffentlich lacht mich die Lehrerin nicht aus, dachte ich, und hoffentlich sagt sie nicht wieder, daß sich Kinder nicht einseitig ernähren sollen. Das hat sie mal gesagt, damals, als Schülerratssitzung war und zwei aus unserer Klasse daran teilnehmen sollten. Janna und Björn sollten es sein. Wir wollten, daß sie sagten, wir wünschten uns als Schulessen jeden Tag Reis mit Zucker und Zimt. Aber unsere Lehrerin sagte, einseitige Kost sei nicht gut. Darum goß ich ein bißchen saure Sahne über das eine Butterbrot, damit es nicht gar zu sehr aussah wie das andere, also einseitig.
Oh, wie ich mich beeilte! Den Schlüssel steckte ich in Perssons Briefkastenschlitz, damit ich nicht ihr dummes kariertes Gesicht mit den hellblauen Augen ansehen mußte.
Ich lief und lief und lief und war froh, daß ich alles gefunden hatte.
Die Klasse wartete immer noch auf dem Schulhof. Alle trippelten auf der Stelle. Aber unsere goldige Lehrerin sah kein bißchen ungeduldig aus. Sie hatte die Hände in den Taschen, blinzelte zum Himmel und kicherte. Nein, in den Himmel blinzelte sie nicht. Sie schaute zum Zweimetermann hinauf, ein Lehrer von unserer Schule. Er hatte die Hände auch in den Taschen.
Als ich gerade an der Wohnung des Hausmeisters vorbeilief, bemerkte ich ihn. Er grub in einem Beet und sah ziemlich böse aus. Er war nicht gestorben!
»Hallo, Mimi!« rief er sogar. »Wo kommst du denn her?«
»Von zu Hause«, sagte ich. »Ich hab mir was zu essen geholt.« Ich guckte auf meine Hände. Da war aber nichts zu essen. Ich hatte alles zu Hause auf dem Tisch vergessen! Oooh. Aber der Hausmeister hob einen Apfel von der Erde auf, rieb ihn an seiner grauen Jacke ab, zwinkerte und gab ihn mir.
»Hier hast du prima Proviant für eure Wanderung«, sagte er.
Da entdeckte Björn Axelmyr mich. »Buuuh!« rief er.
Die ganze Klasse fing an, buh zu schreien.
Der Zweimetermann klopfte unserer Lehrerin auf die Schulter und ging weg.
»Kommt, Kinder, jetzt geht’s los«, sagte sie.
Ich drehte mich um und wollte dem Hausmeister winken. Aber er war nicht mehr zu sehen.
Ich betrachtete den Apfel. Er hatte nur zwei Wurmlöcher. Zwei Wurmlöcher sind viel besser als eins, denn dann weiß man, daß der Wurm wieder aus dem Apfel rausgekrochen ist. Aber wenn man Pech hat, können natürlich auch zwei Würmer im Apfel sein, die jeder aus einer anderen Richtung gekommen sind.
Aber so ein Pech hat man nur selten.