Читать книгу Der 7. Lehrling - Volker Hesse - Страница 14

Der Plan

Оглавление

Der Weg vom Haupthaus zum See war gesäumt von kleinen Lichtern. Korbinian ging ihn gemessenen Schrittes entlang. Dann stand er an der Stelle, an der der Boden sich zum See hin absenkte. Eine grandiose Kulisse tat sich vor ihm auf. Beeindruckt blieb er stehen.

Wie die Strahlen eines Sterns waren Fackeln in aufsteigenden Linien am Hang verteilt. Zwischen den Fackeln waren lange Reihen von Bänken aufgestellt, auf denen die Hexen, Zauberer, Gesellen und Lehrlinge saßen. Das Zentrum der Fackeln war am Ufer, wo auf dem See ein Podest festgemacht war. Das Podest war selbst ebenfalls mit mehreren Fackeln versehen. Alle Aufmerksamkeit war durch die Beleuchtung geradezu automatisch auf diesen Punkt ausgerichtet.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Sees war der Mond gerade über dem Horizont aufgegangen. Er leuchtete groß und rund auf den See und die wartende Gemeinschaft.

Es mussten weit über zweihundert sein, die dort auf den Bänken saßen. Niemand sprach ein Wort. Niemand hatte ihn bemerkt. Gespenstische Stille.

Wie aus dem Nichts tauchte lautlos Meara neben ihm auf. Sie flüsterte: „Komm, Korbinian. Es ist alles bereit.“ Dann nahm sie ihn bei der Hand und führte ihn mitten durch die Menge nach unten.

Die Gesichter der Wartenden folgten ihm, aber noch immer sprach niemand ein Wort. Korbinian betrat das schwimmende Podest und wandte sich der Menge zu. Das Podest schwankte ein wenig, und kreisrunde Wellen ließen das Spiegelbild des Mondes zu abenteuerlichen Zerrbildern verschwimmen. Dann begann Korbinian mit seiner tiefen, vollen Stimme zu sprechen.

#

„Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin glücklich, dass Ihr in dieser Menge erschienen seid, zeigt es doch, dass die meisten Magier und Gesellen es rechtzeitig geschafft haben. Euch gilt mein besonderer Gruß. Es würde vermutlich mehrere Abende füllen, jedes einzelne Abenteuer zu hören, das ihr auf eurem Weg hierher erlebt habt, aber dafür ist leider nicht die Zeit. Lasst euch im Namen aller anderen sagen: Wir sind glücklich, dass ihr unversehrt hier eingetroffen seid. Die wenigen Übrigen, die noch nicht hier sind, werde ich in den nächsten Tagen gesondert begrüßen.“ Er wandte sich den jüngeren Teilnehmern zu.

„Liebe Lehrlinge. Es wartet eine Herausforderung auf euch, die vorher noch niemals ein Lehrling bestreiten musste. Ich bin trotz alledem zuversichtlich, dass ihr sie meistern werdet. Immerhin werdet ihr auf Eurem Weg in erfahrener Begleitung sein. Ihr werdet die Erwartungen, die wir in euch setzen, hervorragend erfüllen, dessen bin ich mir sicher.

Nun denn. Eine nie da gewesene Aufgabe liegt vor uns allen. Das meiste wird sich in den letzten Tagen bereits herumgesprochen haben, aber lasst es mich noch einmal zusammenfassen. Wir müssen einen Lehrling finden. Sie oder er ist der siebte, den wir brauchen, um das neue Lehrjahr zu beginnen. Es wäre furchtbar, wenn wir versagen würden. Unser geliebtes Dorf, unser Zuhause, unsere einzige Zuflucht wäre für jedermann sichtbar. Nur sieben mal sieben Lehrlinge können unsere Verborgenheit mit ihrer Kraft erhalten, so will es der alte Zauber. Finden wir den siebten Lehrling nicht, so sind wir schutzlos, preisgegeben der Neugier, dem Verrat und vielleicht auch der Verfolgung. Wer weiß, wie die Menschen sich verhalten werden, wenn wir nach so langer Zeit wieder unerwartet in ihr Leben treten. Wenn es so werden sollte, wie früher, dann stehen uns finstere Zeiten bevor … Ich will euch aber auch nicht unnötig ängstigen, denn ich glaube, dass wir einen guten Plan haben.“ Er nickte zu Adina hinüber, deren plötzliches Erröten sogar in der Dunkelheit erkennbar war.

„Ihr werdet wie die Zeiger einer Uhr das Land durchstreifen, um das fehlende Mitglied des neuen Lehrjahres zu finden. Sobald eine oder einer von euch fündig geworden ist, kehrt er auf dem schnellsten Weg mit dem siebten Lehrling hierher zurück. Ich werde dann erneut den „Eilt herbei!“-Zauber ausrufen, damit alle Bescheid wissen, dass die Suche vorbei ist. Jeder wird genug Geld dabei haben, um eine Rückkehr mit dem Lehrling von jedem Punkt des Landes nach Filitosa innerhalb einer Woche bequem zu schaffen. In jedem Fall wird die Suche beim übernächsten Vollmond vorbei sein. Bis dahin aber wird der neue Lehrling schon längst hier sein, da bin ich sicher.“ Korbinian ließ eine kleine Pause eintreten.

„Ich werde euch nun eure Plätze in den drei Speichen zuweisen. Auf den Laufzetteln, die ihr bekommen habt, werden eure Position in den Speichen und die Orte, die ihr aufzusuchen habt, gekennzeichnet sein. Achtet also darauf, die Zettel nicht zu verlieren.“

Korbinian konzentrierte sich, dann schnellte seine rechte Hand empor, und über ihm entstand aus dem Nichts in der Luft eine riesige Karte des Landes. Vereinzelt ertönten von den jüngeren Teilnehmern der Versammlung erstaunte Laute. Korbinian holte eine Schriftrolle hervor und begann mit der Aufzählung der einzelnen Namen. Wie Perlen auf einer Schnur erschienen auf den drei Speichen einzelne rote Punkte am Beginn jedes einzelnen Weges und danach grüne Punkte für die Ortschaften, die zu erreichen waren. Als Korbinian endlich fertig war, war das ganze Land von Punkten bedeckt.

„So. Das ist der Plan. Ich denke, auch ihr werdet ihn vielversprechend finden. Sucht einen Lehrling im Alter zwischen zwölf und vierzehn Jahren. Merkt euch außerdem jeden Ort, an dem ihr jemanden findet, der künftig zu uns stoßen könnte. Das wird unsere Aufgabe in den nächsten Jahren sehr erleichtern! Ich wünsche uns allen eine erfolgreiche Suche!

Und nun lasst uns diesen herrlich bereiteten Ort verlassen“, er nickte Meara dankend zu, „und im Speisesaal noch ein Glas auf euren Erfolg trinken! Morgen früh werden wir zur größten Suche aufbrechen, die unsere Gemeinschaft jemals durchgeführt hat!“

Der 7. Lehrling

Подняться наверх