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Lonsam wurde im Dorf geachtet, seit er den Vampir besiegt hatte. Freunde dagegen besaß er kaum. Allen war dieser hochaufgeschossene Mann zu unheimlich. Wer sich mit Dämonen und anderen Schreckgestalten anlegte, um sie zu bekämpfen, musste mit Mächten im Bund sein, denen man besser aus dem Weg ging. Dass der junge Mann nicht als Hexenmeister oder Magier angeklagt und verurteilt wurde, hatte er wohl nur der Tatsache zu verdanken, dass das von ihm gerettete Kind die Tochter Richter Thunderbills war.

Lonsam hatte sich mit Leib und Seele der Dämonenvernichtung verschrieben, aber trotz aller unbestrittenen Erfolge drückten ihn auch beträchtliche Sorgen, denn nicht immer war er in diesem Kampf der Stärkere.

Im Gasthaus hatte er nicht viel in Erfahrung bringen können. Die Männer waren von ihm abgerückt, als er sich zu ihnen setzen wollte. Am Marktplatz hatte sich die aufgebrachte Menge noch nicht zerstreut. Hier gelang es Lonsam, sich unter die Gestikulierenden zu mischen und ein paar Brocken aufzuschnappen.

»Er trug einen schwarzen Mantel«, schrie gerade ein Halbwüchsiger, »und aus seinen Augen schossen Blitze. Es war der Teufel! Ich schwöre es euch ...« Er sonnte sich in seinem Ruhm, denn niemand außer ihm hatte beobachtet, wie der Satan die Hexe geholt hatte.

»Recht ist ihr geschehen«, keifte eine Frau, aus deren Leibesfülle man mit Leichtigkeit zwei hätte machen können. »Jetzt muss sie im Fegefeuer schmoren. Da vergehen ihr die Flausen. Die hätte noch unsere ganzen Männer verhext.«

Eine andere widersprach ihr mit greller Stimme: »Fegefeuer? Dass ich nicht lache! Dieses Pack gehört doch zusammen. Teufel und Hexen, das ist eine verschworene Bande. Die tun sich gegenseitig nichts. Ich sage euch, die fühlt sich jetzt blendend, und bei passender Gelegenheit taucht sie wieder auf und holt sich ein neues Opfer. Man hätte sie verbrennen müssen. Nur dann wären wir ein für allemal vor ihr sicher gewesen.«

Viele pflichteten ihr bei. Nur ein kleiner Mann mit einer speckigen Mütze auf dem Kopf enthielt sich jeden Kommentars.

»Und was sagst du, Jeff?« Ein vierschrötiger Bursche stieß ihn an. »Ich glaube gar, du bedauerst, dass das Weibsbild fort ist.«

Jeff drängte aus dem Menschenknäuel heraus. Es war ihm nicht angenehm, dass man ihn so direkt fragte, aber er dachte auch nicht daran, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Das war er dem Mädchen schuldig.

»Ich glaube nicht, dass sie eine Hexe war«, erklärte er mit unsicherer Stimme. »Beim letzten Hagel hat sie mir geholfen, das Korn einzubringen. Ohne ihre Hilfe müssten meine Kinder diesen Winter hungern. Eine Hexe ist nicht wohltätig, sondern gemein und niederträchtig.«

Der Vierschrötige baute sich vor ihm auf und zog seinen vierkantigen Kopf zwischen die Schultern.

»Sag das nur nicht zu laut!«, brüllte er über den ganzen Marktplatz. »Es könnte einer auf den Gedanken verfallen, dass du mit der Hexe sympathisierst. Dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken. Wenn du nicht völlig vernagelt bist, musst du doch am besten begreifen, dass nur eine Hexe deine Ernte retten konnte.«

Jeff wandte sich ab und eilte davon. Es waren gefährliche Worte, die Mock gesagt hatte. Wenn der Falsche sie hörte, hatte er nichts mehr von der geretteten Ernte. Man würde ihn der Hexerei beschuldigen, und von diesem Vorwurf hatte sich noch niemand reinwaschen können.

Lonsam schlenderte weiter. Er war jetzt im Bilde. Enna besaß nur wenig Fürsprecher. Aber das war nicht so schlimm, denn alle waren davon überzeugt, dass sie in der Erde versunken war, denn wie sonst sollte sie es fertig gebracht haben, spurlos zu verschwinden?

Der Mann ließ das Geschrei und Gezeter hinter sich. Das Volksgemurmel hing wie eine Wolke in der Luft. Es dröhnte schmerzhaft in seinen Ohren.

Er ging noch nicht nach Hause und passierte bald die letzten Häuser des Ortes. Übergangslos begannen die Kornfelder. Viele von ihnen waren durch den Hagel, von dem Jeff gesprochen hatte, verwüstet. Beträchtlicher Schaden war entstanden. Dass die Falcos Ennas Mutter die Schuld dafür gegeben und sie auf den Scheiterhaufen gebracht hatten, hatte das Unglück nicht ungeschehen machen können, aber zumindest war das Gefühl entstanden, sich an der Verursacherin gerächt zu haben. Und nun sollte Enna ihrer Mutter folgen.

Der große Mann war ganz in Gedanken, als ihn die ersten Regentropfen trafen. Sie fielen ihm in den Kragen, und ihre Kälte lähmte ihn fast. Er richtete seinen Blick nach oben und erschrak. Der Himmel war schwarz. Nur vereinzelt unterbrachen ihn gelbliche Stellen, die aber nicht von der Sonne herrührten. Es sah wie eine schweflige Suppe aus.

Lonsam wusste, dass es zu spät war, vor dem aufziehenden Unwetter zu fliehen. Seine Gedanken an die Hexe in seinem Haus hatten ihn abgelenkt, nun war er den Naturgewalten ausgeliefert.

Hastig wandte er sich um und begann zu laufen. Da zuckte ein greller Blitz dicht vor ihm nieder und warf ihn zu Boden. Augenblicklich folgte berstender Donner, der ihn für Minuten taub machte. Als er wieder zu hören begann, glaubte er, Stimmen zu vernehmen. Es waren drohende, feindliche Stimmen. Er zuckte zusammen, denn diese Stimmen kannte er. Sie gehörten einem fürchterlichen Dämon, der in tausend Zungen sprach und dessen Macht unvorstellbar war. Mehrfach hatte Lonsam schon versucht, diesen Mächtigen zu besiegen, doch stets hatte er froh sein müssen, mit heiler Haut aus dem Kampf hervorgegangen zu sein.

»Verfluchter!«, schrie er zornig. »Du hast dich lange nicht gezeigt. Verschwinde von hier, bevor ich dir den Garaus mache!«

Höhnisches Lachen füllte die Luft, durch die Blitze in unvorstellbarer Zahl und Dichte zischten. Die schwarze Wolkenwand barst und entließ einen fürchterlichen Wasserschwall, der den Mann erneut zu Boden riss. Schlamm spritzte unter ihm auf. Er tauchte mit dem Gesicht hinein und fluchte. Seine Kleidung sog sich mit Feuchtigkeit voll und wurde so schwer, als hingen Ketten an seinen Gliedern.

»Du Winzling!«, spottete die Stimme, und ein scheußliches Gesicht bildete sich aus dem Feuer der Blitze. »Zu lange schon habe ich dich geduldet. Du maßt dir Macht an, die dir nicht zusteht. Jetzt musst du sterben!«

Lonsam war nicht der Mann, der sich so leicht ins Bockshorn jagen ließ. Seinen Tod hatte ihm schon mancher Dämon prophezeit. Aber diesmal schien es ernst zu sein.

Er sammelte seine Kräfte und zog eilig einen Kreis um sich in den Schlamm. Er begleitete diese Handlung mit dem Gemurmel magischer Beschwörungsformeln, und der Unheimliche grollte.

Lonsam schöpfte Hoffnung. Aus einer Tasche zog er ein hölzernes Kruzifix, das er vor sich aufpflanzte. Das stärkte ihn seelisch. Er glaubte wieder an sich und fand Kraft für seine nächsten Aktionen, während der Wolkenbruch ihm schier den Atem nahm. Unaufhörlich flüsterte er Dämonensprüche und förderte sieben geflochtene Bänder zutage, die er in ganz bestimmten Rhythmen schwang, um damit einen Schutzwall zu errichten. Der Dämon tobte und schleuderte immer mehr Blitze gegen ihn, die jedoch an dem Wall abprallten. Er raste gegen den einsamen Mann auf dem Feld und blendete ihn mit seiner Helligkeit. Lonsam schützte die Augen. Das tropfnasse Haar hing ihm in Strähnen ins Gesicht. Er sah schrecklich aus. Seine Hände zitterten vor Erschöpfung, dabei hatte der Kampf erst begonnen.

Der magische Kreis verschwand. Die Wassermassen löschten ihn auf, und Lonsam musste ihn immer wieder erneuern, um dem Geist keine Lücke zu bieten, durch die er ihn zerren konnte. Wenn das geschah, war er verloren.

Flüchtig dachte der Dämonenvernichter an Enna, die Hexe, die in seinem Haus auf ihn wartete. Würde sie ihm helfen können, wie er ihr geholfen hatte? Wäre ihre Macht groß genug für diesen Dämon?

Diese Gedanken waren müßig, denn Enna war weit und konnte ihm nicht zur Seite stehen.

Vor ihm brach die Erde auf. Dämpfe waberten aus dem gähnenden Spalt und drangen in Lonsams Poren. Sie sollten seine Geisteskraft lähmen.

Voller Angst suchte der Magier eine silberne Dose, in der er eine schwärzliche Salbe aufbewahrte. Damit rieb er sich Gesicht und Körper ein. Er wusste, dass die Mixtur die Poren wenigstens vorübergehend verstopfte und der drohenden Lähmung vorbeugte. Doch der Regen wusch alles schnell wieder herunter. Es war aussichtslos. Der Donner ließ den Boden erzittern. Es war, als würden sich sämtliche Höllenschlünde öffnen.

Das Holzkreuz sackte zur Seite. Lonsam richtete es wieder auf und klammerte sich daran fest. Ein Blitz fauchte herab und griff nach seiner Faust, die das Kruzifix hielt. Lonsam verbiss den Schmerz, aber er ließ nicht los. Dieser Rettungsanker war seine einzige Stütze in diesem Inferno, das ihn vernichten wollte. Er beschwor alle verstorbenen Magier. Zu manchen hatte er bereits früher geistigen Kontakt aufgenommen. Sie mussten ihm jetzt helfen! Doch sie blieben ihm eine Antwort schuldig ... Er war allein. Und wieder meldete sich die herrische Stimme, die sich bereits als Sieger fühlte: »Erkenne, wie klein du bist, Unseliger! Du kannst mir nicht mehr entrinnen. Ich hole dich, aber du sollst zuvor noch vor Angst und Entsetzen vergehen. Das ist meine Rache dafür, dass du dich mir solange widersetzt hast. Furcht ist die Hölle. Du wirst sie auskosten. Wenn wir uns wiedersehen, bist du mein!«

Ein letztes Krachen, ein schmerzhaftes Aufleuchten und ein Guss, der ihn wie ein Brett traf und in den Dreck schleuderte, dann hellte sich der Himmel auf, der Regen versiegte schlagartig, und nur der Schlamm, der Lonsam in Augen, Ohren und Mund gedrungen war, und das nur allmählich verklingende Dröhnen in seinem Schädel erinnerten ihn an das entsetzliche Erlebnis, das er überstanden hatte.

Seine Grenzen waren ihm aufgezeigt worden. Einen weiteren Zusammenprall mit diesem Dämon konnte er nicht überstehen. Fortan musste er in Panik leben, bis er geholt wurde.

Wankend erhob sich der Mann und steckte das Kruzifix wieder zu sich. Seine Beine waren wie taub, als er sie zögernd vorwärts bewegte. Fast gehörten sie ihm schon nicht mehr, und bald würde ihm auch sein Verstand nicht mehr gehorchen.

Nein, das durfte nicht sein ...

Lonsams Augen blickten plötzlich wild und entschlossen. Sein Gesicht wurde hart, seine Finger zuckten.

Im Dorf war nichts von dem Unwetter zu spüren. Hier war der Himmel strahlend blau, und niemand ahnte, was draußen auf den Feldern passiert war.

Enna ging ruhelos in dem engen Raum auf und ab. Hin und wieder lauschte sie an der Tür, wenn eilige Schritte über das holprige Pflaster klapperten oder ein Karren vorbei rumpelte. Jedes Mal hoffte sie, dass es Lonsam sei, doch immer wieder zog sie sich enttäuscht zurück. So wartete sie weit über drei Stunden, und sie wurde immer unruhiger. Es wurde draußen bereits dämmrig, als wieder Schritte nahten. Sie verharrten vor dem Haus, in dem sich Enna verbarg.

Das verabredete Klopfzeichen beruhigte sie. Es war der Dämonenjäger. Endlich kehrte er zurück. Sie war voll banger Vermutungen, was er alles im Dorf gehört haben mochte. Würde sich noch eine Möglichkeit zur Flucht bieten? Sie eilte zur Tür und öffnete ungeduldig.

»Ergreift sie!«, hörte sie Lonsam sagen. »Die Hexe hat sich bei mir eingeschlichen. Sie ist des Teufels und hat versucht, mich gegen die Obrigkeit einzunehmen.«

Zwei Büttel drängten sich aus der dunklen Gasse an ihm vorbei. Ihre Arme reckten sich Enna entgegen, die wie erstarrt stand. Ihre blauen Augen waren fassungslos. Sie wollten nicht glauben, dass der gleiche Mann, der sie vor Stunden erst gerettet hatte, nun verriet.

»Was tust du, Lonsam?«, flüsterte Enna.

Der große Mann warf ihr einen kurzen Blick zu. Dann wandte er sich brüsk ab und sah nicht, wie die beiden Häscher der Hexe gewaltsam die Arme auf den Rücken rissen und sie aus dem Haus stießen, wobei sie mit kräftigen Stößen nachhalfen, obwohl das Mädchen nicht den geringsten Widerstand leistete. Dazu war es viel zu benommen.

»Ihre Mutter war eine Hexe«, hörte sie den Magier sagen, »und sie ist es ebenfalls. Sie hat den Feuertod verdient, damit nicht noch mehr Unheil über unser Dorf hereinbricht.«

In seinem Gesicht zuckte es. Seine Lippen waren zwei dünne Striche, aus denen alles Blut gewichen war. So mitleidlos war sein Gesicht immer dann, wenn er sich im Kampf gegen Dämonen oder anderen Wesen der schwarzen Mächte befand.

Als er seinen Kopf zur Tür wandte, glaubte er, dass die Büttel das Haus bereits verlassen hätten. Doch gerade in diesem Augenblick drehte sich auch Enna nach ihm um, und der Blick aus ihren klaren, seltsam blauen Augen traf ihn härter als einer der gnadenlosen Blitze, die er erst vor kurzem überstanden hatte. Er erschrak, denn er sah, dass sich ihr Erschrecken in Hass gewandelt hatte. Diese Augen waren wie Bergseen, in deren glattem Spiegel er die Zukunft lesen konnte. Was er darin entdeckte, ließ ihn erschauern.

»Sei verflucht, Lonsam!«, hauchte Enna. »Für das, was du getan hast, soll dich grausame Strafe treffen. Du hast Enna besiegt, aber es gibt Stärkere und Mächtigere als sie. Das wirst du schon bald begreifen.«

»Vorwärts!«, schrie einer der Blutknechte. »Alles, was du zu sagen hast, kannst du noch heute dem Richter erzählen. «

»Schafft mir das Weib aus den Augen!«, ächzte Lonsam. Er allein begriff, wie schwer ein Fluch der Hexe zählte. Er würde seine ganze Kraft aufbieten müssen, um sich von ihm zu befreien. Mit einer Handbewegung vertrieb er die düsteren Gedanken. Mit dem Fuß schleuderte er die Tür ins Schloss, damit er die anklagenden Augen nicht mehr sehen musste. Kurze Zeit hörte er noch die schweren Schritte der Büttel über das Pflaster stampfen. Dazwischen war leises Stöhnen. Offenbar gingen sie mit dem Mädchen nicht gerade behutsam um.

Lonsam stürzte zum Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Er presste das Gesicht gegen die Tischplatte und hielt sich krampfhaft die Ohren zu, um das Stöhnen nicht mehr hören zu müssen. Es gelang ihm sogar. Nur vor dem Fluch konnte er die Ohren nicht verschließen. Es würde lange dauern, bis er in seinem Innern verstummte ...

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