Читать книгу Beiß ins Gras, Marshal! Wichita Western Sammelband 7 Romane - W. W. Shols - Страница 44

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Dunkelheit fiel über Abilene. Es wurde laut auf der Main Street. Cowboys fegten im gestreckten Galopp über die Straße. Manche schossen in die Luft. Vor irgendeinem der zahlreichen Saloons, Billardrooms und Spielhöllen zügelten sie ihre Pferde, sprangen aus den Sätteln und stürmten die Bürgersteige und die Lokale.

Es war die Tageszeit, zu der die braven Bürger der Stadt ihre Töchter von der Straße holten und die Fensterläden schlossen. Die Zeit, zu der der jeweilige Marshal - und Abilene sah viele Marshals in jenen Tagen - vor dem Fenster seines Office stand, nervös an seiner Zigarre sog und hoffte, das Schicksal würde ihn in der kommenden Nacht vor allzu ernsten Schwierigkeiten bewahren.

Gegenüber des >Joy Stars< hockten etwa sieben Männer auf dem Bürgersteig oder lehnten gegen die Pfosten der Überdachung. Seelenruhig drehte Steve Roe sich eine Zigarette.

Roe war ein kleiner, drahtiger Kerl. Wer ihn zum ersten Mal sah, hielt ihn in der Regel für ein schmalzlockiges Milchbübchen. In der Tat war er ziemlich dünn und eine lächerliche Tolle hing ihm aus dem weit in den Nacken geschobenen Hut in die Stirn. Und in der Tat erinnerte sein bleiches, glubschäugiges Gesicht an das Gesicht eines eifrigen Sonntagsschülers. In Abilene munkelte man, Roe sei knapp über zwanzig, aber ganz genau wusste das niemand.

Es gab ein paar Männer, die sich in den vergangenen Jahren durch Roes äußeren Eindruck dazu hinreißen ließen ihren Colt gegen ihn zu ziehen. Etwa sieben Männer, vielleicht auch acht, waren es gewesen. Sie ruhten inzwischen alle auf dem Friedhof am Rande der Stadt.

Roes langjähriger Waffenbruder Hank Belton war um gut einen Kopf größer als Roe. Vielleicht fünf- oder sechsundzwanzig Jahre alt pflegte er selbst bei großer Hitze seinen braunen Ledermantel nicht abzulegen. Er war ein athletisch gebauter Typ mit breiten Schultern und kräftigen Armen und Beinen.

Anders als Roe legte er keinen großen Wert auf sein Äußeres. Das fettige, schwarze Haar hing ihm lang und strähnig auf die Schultern herab. Sein drahtiger Bart wucherte ihm fast bis zu den Augen. Er ließ sich nur einmal im Monat rasieren.

Er hockte auf den Stufen des Bürgersteigs, starrte hinüber zum >Joy Stars< und ließ seine Fingergelenke knacken. Ein Geräusch, dass Charley Woolster, der neben ihm auf der Straße stand, jedesmal zusammenzucken ließ.

Immer mehr Männer tauchten aus der Dunkelheit auf und gesellten sich zu der finsteren Gruppe. Schließlich hatten sich dreizehn Männer um Woolster, Roe und Belton versammelt. Alle waren mit Handfeuerwaffen bewaffnet. Eine Trugen Äxte auf den Schultern.

"Okay", sagte Woolster irgendwann. "Ich glaub, ihr seid genug. Also nochmal: Ihr geht rein und haut den Laden zusammen. Aber seht zu, dass die Bausubstanz erhalten bleibt. Und schlagt nicht allzuviel Cowboys tot, die Texaner sind empfindlich. Und dass ihr mir keines der Mädchen anrührt! Die dürfen auch nicht eine Schramme abkriegen, kapiert? Die Weiber werden in Zukunft die Goldgrube unseres Chefs sein und dafür sorgen, dass ihr Hohlköpfe pünktlich euren Lohn ausgezahlt bekommt. Alles klar?"

"Und wohin sollen wir nächste Woche zum Bumsen gehen, wenn der Laden dicht machen muss?", wollte einer der Männer wissen.

"Idiot!", blaffte Woolster. "Wenn ihr den Laden kaputthaut, werden die Mädchen doch nicht gleich aus der Stadt verschwinden! Wir werden ihnen schon ein Dach über dem Kopf besorgen, wo sie die Beine breit machen können! Und jetzt los!"

Die Männer erhoben sich und schritten über die staubige Straße auf den dreistöckigen Holzkasten zu. Nur die großen Fenster des Untergeschosses waren hell erleuchtet. Hinter den Fenstern der beiden oberen Stockwerke sah man entweder gedämpftes, flackerndes Licht oder sie waren vollständig dunkel. Woolster ließ sich auf dem Bürgersteig nieder und zündete sich ein Zigarillo an.

Steve Roe stieß die Tür zum >Joy Stars< auf. Gespräche und Gelächter an Theke und Tischen verstummte schlagartig. Etwa zehn Cowboys und fast doppelt so viele Mädchen machten erschrockene Gesichter. Acht oder neun Männer aus Roes und Beltons Truppe stürmten sofort die Treppe hinauf.

"Okay, Junges - " Als wollte er die Cowboys beschwichtigen hob der kleine Roes beide Hände. "Eine kleine geschäftliche Auseinandersetzung. Habt ihr nichts mit zu tun, ist klar, am Besten, ihr geht ein ein bisschen frische Luft schnappen."

Zwei der Texaner kannten Roe und Belton noch nicht. Folglich sahen sie keinen Grund ihre Reflexe zu beherrschen. Anders ausgedrückt: Sie griffen blitzschnell zu ihren Revolvern. Der eine schaffte es gerade noch, seine Waffe auf Steve Roe anzulegen, der zweite bekam sie nicht mal mehr aus dem Halfter. Zwei Schüsse donnerten durch den kleinen Thekenraum, Mädchen schrien, und die beiden Texaner fielen um, wie gefällte Bäume.

Die anderen Cowboys hoben die Hände. "Ist gut, Roe, alles klar - wir wollten sowieso gerade gehen."

"Na prächtig." Roe winkte sie mit dem noch rauchenden Revolver zur Tür. "Nehmt die Mädchen gleich mit." Hank Belton steckte seinen Colt zurück ins Halfter. Er schnappte sich einen Stuhl und begann auf Schränke, Bilder und Regale einzudreschen. Die Cowboys und die Mädchen huschten aus dem Schankraum ins Freie.

Roes und Beltons Männer wüteten eine geschlagene Stunde lang in dem Bordell, schlugen mit Äxten auf Betten und Türen ein, jagten nackte Mädchen und Männer aus Betten und Zimmern, schlitzten Matratzen auf und zertrümmerten Fenster und Spiegel.

"Was zum Teufel ist hier los!?" Ein untersetzter Mann mit hellem, großkariertem Frack und Melone auf der Glatze stürzte in den Schankraum des Bordells. Er klammerte sich an einer Winchesterbüchse fest. "Ihr Schweine! Was macht ihr hier?!" Seine Stimme überschlug sich, sein Gesicht lief rot an und seine Augen füllten sich mit Tränen. "Mein schönes Lokal! Mein Lebenswerk!" Er fuchtelte mit der Büchse herum, als könnte er sich nicht entscheiden, auf welchen der Männer er schießen sollte.

Belton drückte ihm von hinten seinen Remington in den Nacken. "Ist schon schade um so ein bombastisches Lebenswerk, nicht wahr Johnny?" Seine Stimme klang rau und kehlig, als hätte er gerade mit reinem Alkohol gegurgelt. "Aber warum spielst du auch um solch hohe Einsätze? In deinem Alter ist das nichts mehr für die Nerven."

John D. Chapell, der Betreiber des >Joy Stars<, ließ das Gewehr sinken. Er zitterte. "Ich... ich wollte doch alles bezahlen... bitte, tut mir nichts..."

Steve Roe, der hinter der Theke mit seinem Revolverkolben gegen Flaschen und Gläser wütete, schwang sich über den Tresen. Er nahm Chapell die Büchse ab. "Bill Henning will seinen Puff restaurieren. Wir sollen schon mal den ganzen Plunder wegschmeißen, den er nicht mehr braucht."

Er machte eine kurze Kopfbewegung und zwei seiner Leute packten Chapell. "Bitte, bitte...", wimmerte er. "Ich bin mit allem einverstanden..."

"Na dann gibts ja keine Probleme", höhnte Hank Belton. Sie führten den Mann durch die Küche in den Hof hinaus. Dort schnappte sich Roe eine Eisenstange und hebelte vier breite Bretterbohlen von der Sickergrube. Entsetzlicher Gestank stieg aus dem Dreckloch. "Auch einverstanden mit einem kleinen Bad?", krächzte Belton. Das Licht aus den Fenstern fiel in sein bärtiges Gesicht. Er feixte und entblößte seine weißen Zähne dabei.

Chapell winselte um Gnade, vergoss Tränen, und als sie ihn an den Rand der Grube schoben, stemmte er sich mit den Füßen in den Staub des Hofes. Roe gab ihm einen Tritt, und der arme Kerl plumpste in die Kloake.

Er schrie und strampelte, hielt sich mit hastigen Schwimmbewegungen mühsam an der Oberfläche der Jauche, und Belton machte sich einen Spaß daraus, ihm eine lange Latte auf den Kopf zu setzten und ihn unter die tief in die stinkende Brühe zu drücken. Die Männer standen am Rand der Sickergrube und lachten Tränen.

Erst als die Schwimmbewegungen des Mannes erlahmten und sein Kopf immer öfter in der Jauche verschwand warfen sie ihm ein Seil zu und zogen ihn heraus...

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