Читать книгу Beiß ins Gras, Marshal! Wichita Western Sammelband 7 Romane - W. W. Shols - Страница 52
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ОглавлениеVirgil starrte den Stern an. Mit offenem Mund stand er da, und starrte den Stern an. Den Stern in der Hand des Mannes, der sich als Mr. Henry vorgestellt hatte, als erster Bürgermeister Abilenes. Eben kämen sie aus einer Bürgerversammlung im Nebenzimmer der >Kansas Pacific Railway Hall< und dort sei er gewählt worden. Und als erste Amtshandlung habe er sich vorgenommen, ihn als Marshal anzustellen.
Virgil glaubte zu träumen. Sein Gesicht verzog sich zu einem ungläubigen Lächeln.
"Nehmen Sie schon, Mr. Potter", sagte der Bürgermeister. "Wir brauchen einen Mann wie Sie." Fast zwanzig Augenpaare hingen an Virgils Lippen. Die Bürgerwehr von Abilene. Virgil erkannte seinen Friseur unter den Männern.
Mr. Henry räusperte sich. "Man hat mir erzählt, wie sie gestern im >Pearlhouse< aufgeräumt haben. Das hat mich beeindruckt, alle hat das beeindruckt. Wir brauchen einen unerschrockenen Mann, der es versteht mit der Waffe umzugehen, einen Mann wie sie."
Noch immer hatte Virgil seine Sprache nicht wiedergefunden. Sein Blick wanderte zwischen den Männern der Bürgerwehr und dem Stern in der Hand des Bürgermeisters hin und her.
"Bitte", sagte der Mann neben dem Bürgermeister. Der in den schwarzen Klamotten und mit dem weißen Steifen Kragen. Der Reverend irgendeiner Freikirche. "Bitte lassen Sie uns nicht im Stich - unsere Stadt verkommt, wenn sich nicht endlich das Wort Gottes und das Gesetz der Vereinigten Staaten durchsetzt..."
Virgil atmete tief durch. In seinem Schädel fuhren seine Gedanken Karussel - Tu's, tu's nicht, denk an den toten Reynolds, ein Mann mit Stern ist ein geachteter Mann, mit den wilden Cowboys hier wirst du nicht fertig, was wird man wohl verdienen als Townmarshal, lass die Finger von dem Stern... und so weiter.
Über die Schulter blickte er die Straße hinunter. Vor dem Büro der Kansas Pacific Railway standen eine Menge Pferde. Männer gingen ein und aus. Er wandte sich wieder dem Bürgermeister und dem Reverend zu. "Bin gerade auf dem Weg zur Kansas Pacific Railway... wollte mich als Begleitschutz bewerben... kommt alles ein bisschen plötzlich..."
"Eine Fügung Gottes." Ein Strahlen ging auf dem Gesicht des Reverends auf. "Wir kommen genau in dem Augenblick aus der Bürgerversammlung, in dem Sie auf der Straße vorbeigehen!" Er drehte sich zu den Männern der Bürgerwehr um und hob beide Arme, als wollte er eine Predigt halten. "Eine Fügung Gottes!", rief er und war plötzlich richtig begeistert.
"Hundertfünfzig Dollar im Monat." Der Blick des Bürgermeisters bohrte sich in Virgil Augen. "Und für jede Verhaftung eine Prämie von zwei Dollar."
Virgil schluckte und starrte wieder den Stern an. Das Licht der Mittagssonne brach sich in dem glänzenden Silber. Ein Schriftzug war in das Metall eingraviert - >Townmarshal von Abilene<.
Hundertfünfzig Dollar, ging es durch Virgil Kopf, verdammter Bullshit... hundertfünfzig Dollar...
Der Bürgermeister legte seinen Zeigefinger auf die Gravur des Sterns. "Darüber werden wir Ihren Namen eingravieren, Mr. Potter."
Virgil konnte später nicht mehr sagen, was ihn letztendlich überzeugt hatte - die Kurzpredigt des Reverends oder das Gehalt. Jedenfalls tat noch einmal einen tiefen Seufzer, und dann griff er zu. Die Männer der Bürgerwehr brachen in Jubelgeschrei aus. "Gott segne Sie", sagte der Reverend und der Bürgermeister klopfte ihm erleichtert auf die Schulter, nahm ihm den Stern ab und heftete ihn an Virgil Weste.
"Darauf trinken wir einen", schlug einer der Männer vor, und schon schoben sie Virgil vor sich her zum Eingang der >Kansas Pacific Railway Hall<.
"Eine Runde Whisky!", orderte der Bürgermeister. Sie nötigten Virgil auf einem Barhocker Platz zu nehmen. Die Augen des massigen Wirtes verengten sich, als er Virgil sah. Mit geballten Fäusten schob er sich hinter der Theke an ihn heran.
"Hey, Henry!", fuhr der Bürgermeister den kahlköpfigen Hünen an. "Hast du Bohnen in den Ohren? Wir wollen was trinken!" Loominal baute sich vor Virgil auf. Dessen Körper spannte sich an. "Suzanne!", rief der Bürgermeister. "Dein Mann ist besoffen! Wir wollen was trinken!"
Loominal griff über die Theke, packte Virgil an seiner Weste und zog ihn hoch. Die Männer verstummten. Aus den Augenwinkeln sah Virgil Suzanne neben dem Barregal aus der Küche auftauchen.
Loominals Blick senkte sich, er beugte seinen Kopf ein wenig vor und blinzelte - jetzt erst entdeckte er den Stern an Virgils Brust. Er stieß ein wütendes Schnauben aus und ließ Virgil los. "Verpiss dich, Henry!", knurrte einer der Männer. Loominal warf Virgil einen hasserfüllten Blick zu. Grob stieß er seine Frau zur Seite und stapfte in die Küche.
"Das geht nicht so weiter mit ihm", sagte der Reverend mit ernster Stimme. Suzanne schenkte Whisky aus. Virgil sah sie an. Sie sah müde und unglücklich aus. Aber sie war immer noch schön. Ihre grünen Augen fixierten den Stern an seiner Brust. "Hallo, Virgil", sagte sie dann leise. "Meinen Glückwunsch..."