Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 134

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Das Gesicht des Weißhaarigen war angespannt. Er legte die Pipette zur Seite und blickte auf die dampfende Mahlzeit auf dem ovalen Tablett.

"Ich weiß, dass es mir nicht zusteht, danach zu fragen, mein Prophet", sagte eine Stimme aus dem Hintergrund. Sie gehörte dem hageren Mann, der als Möbelpacker verkleidet mit einem Komplizen dafür gesorgt hatte, das Sally Hiram jetzt hier war...

Der Weißhaarige blickte auf.

Er hob das Tablett an, reichte es dem Hageren.

"Bring du es ihr, Melvin." Der selbsternannte Prophet sprach mit einer sonoren Stimme, deren Klang Stärke und Durchsetzungsvermögen signalisierten. Eine Stimme, der man einfach nicht zu widersprechen wagte. Der Weißhaarige blickte Melvin direkt in die Augen. "Ich sehe die Unsicherheit und den Zweifel in deiner Seele..."

"Nein, ich..."

"Das Gift des Bösen ist tückisch. Lange Zeit bemerkt man seine Wirkung nicht. Man ist vielleicht sogar selbst noch davon überzeugt auf der Seite des Herrn zu stehen - doch in Wahrheit hat einen Satan längst in seinen Klauen. Und genau das ist vielleicht mit Sally passiert..."

Melvin atmete tief durch.

"Aber sie war loyal. Sie hat uns niemals verraten. Und nur mit ihrer Hilfe ist es uns gelungen, die versteinerte Seele eines Mannes wie George Hiram zu erweichen..."

Der Weißhaarige deutete auf das Tablett.

Ein beinahe mildes Lächeln erschien um seine dünnen Lippen herum.

"Vielleicht lebte sie zu lange im Einflussbereich des satanischen Systems. Vielleicht hatte sie zu viel Kontakt mit dem Bösen, als dass ihre Seele rein bleiben konnte."

"Dann hat sie sich für den großen Plan des Herrn geopfert?"

"Möglicherweise wird man das eines Tages von ihr sagen, Bruder Melvin. Aber noch ist sie nicht verloren... Wenn ihr Glaube stark genug ist, wird ihr die Pestilenz nichts anhaben können. So wie uns allen - auch wenn rings um uns herum das Sterben und das Wehklagen beginnt."

Melvin schluckte.

"Verzeih mir den Augenblick des Zweifels, mein Prophet."

"Kämpfe dagegen an, wenn das Böse sich in deine Seele schleicht und dich zu einem Diener der Sünde machen will."

Melvin nickte.

Er ging mit dem Tablett zur Tür.

Ein großgewachsener, breitschultriger Wächter mit ausdruckslosem, blassem Gesicht, öffnete sie ihm.

Dann ging Melvin einen kahlen Flur entlang. Das Neonlicht wirkte kalt.

Er erreichte eine Tür, die mit einem großen Stahlriegel verschlossen war.

Ein Wächter stand davor. Über der Schulter trug er eine Maschinenpistole. Am Gürtel hing ein Elektroschocker.

Melvin brauchte kein Wort zu sagen.

Der Wächter entriegelte die Tür.

Melvin blickte in einen Raum, der nur eine Pritsche enthielt. Ansonsten war er vollkommen kahl. Die Wände waren grau verputzt. Es gab kein Fenster. Eine Neonröhre verbreitete blauweißes Licht. Frischluft blies durch einen Lüftungsschacht herein, der hinter einem Metallgitter verborgen war. Es war kalt.

Sally lag zusammengekrümmt auf der Pritsche.

Als sie Melvin bemerkte, setzte sie sich.

Ihr Gesicht wirkte eingefallen.

Melvin setzte das Tablett neben sie auf die Pritsche.

"Mein Gott, dieses Licht... Kann das nicht mal jemand ausmachen?"

Melvin sagte ruhig: "Du weißt, was unser Prophet dazu sagt, Schwester Sally..."

"Ja, ja..."

"Die Finsternis ist das Reich des Bösen."

"Ich weiß... Ich will schlafen...Mein Gott, ich bin so müde."

"Du wirst Schlaf finden", sagte Melvin.

"Ja", flüsterte sie. Sie sah auf das Tablett. "Ihr verriegelt die Tür..."

"Weil noch der Dämon des Zweifels in dir wohnt."

"Ich weiß, dass alles richtig ist, was du sagst. Alles. Und doch..."

"Iss, Schwester Sally. Iss..."

Sie nickte.


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