Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 138

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Die Fahndung lief auf Hochtouren. Ein ganzes Team von Innendienstlern beschäftigte sich mit nichts anderem, als sämtliche Firmen ausfindig zu machen, die ABC-Schutzräume errichteten oder renovierten. Komplettanbieter waren auf diesem Gebiet leider die Ausnahme. Schließlich waren die für diese Branche seligen Zeiten des Kalten Krieges vorbei. Die Nachfrage war nahe dem Nullpunkt. Da es kaum Spezialanbieter gab, sondern fast ausschließlich Unternehmen, die ABC-Bunker unter anderem in ihrer Produktpalette hatten oder Teile davon liefern und installieren konnten, wurde die Liste entsprechend lang. Jede einzelne dieser in den gesamten USA und Kanada verstreuten Adressen würde überprüft werden müssen.

Eine Sisyphus-Arbeit.

Und es war noch nicht einmal gesagt, dass wir fündig wurden.

Am frühen Nachmittag fuhren Milo und ich zum Firmengelände von MADISON GEN-TECH in New Rochelle, um noch einmal mit Ressing und Tremayne zu sprechen.

"Irgendwie ist das deprimierend", meinte Milo während der Fahrt. "Wir kehren an den Ausgangspunkt unserer Ermittlungen zurück..."

"Manchmal muss man das", erwiderte ich.

"Vermutlich hast du recht. Aber das heißt nicht, dass es mir gefällt, Jesse."

"Glaubst du mir, Alter?"

Eine halbe Stunde später parkte ich den Sportwagen vor dem Firmengebäude. Die bewaffneten Posten hatten uns durch das Tor hereingewunken. Wir wurden erwartet.

Tremayne und Ressing empfingen uns in einem engen Büro, das sehr sachlich und steril eingerichtet war. Die Stühle waren unbequem. Und zu unserer Überraschung war noch ein dritter Mann anwesend.

Er ging nervös am Fenster auf und ab, als wir zusammen mit Tremayne und Ressing den Raum betraten.

"Mr. Mercer", entfuhr es mir unwillkürlich. Alec Mercer, der Geschäftsführer von MADISON GEN-TECH drehte sich herum.

Er verzog das Gesicht zu einem geschäftsmäßigen Lächeln und reichte mir die Hand.

"Guten Tag, Agent Trevellian. Wie ich höre, waren Sie mit ihrer Ermittlungsarbeit bisher nicht allzu erfolgreich."

"Leider muss ich Ihnen da recht geben."

Ich blickte seitwärts. Milo und ich hatten uns bei Tremayne und Ressing angemeldet. Offenbar hatten die beiden Wissenschaftler nichts besseres zu tun gehabt, als gleich in Mercers Manhattaner Büro anzurufen.

Offenbar wollte Mercer alles unter Kontrolle behalten.

Jedes Wort, das seine Leute über die Lippen brachten.

Mich machte das mehr als misstrauisch. Mein Instinkt meldete sich. Ein Instinkt, der mich in vielen Jahren als G-man selten im Stich gelassen hatte. Etwas ist hier faul, ging es mir durch den Kopf. Ich zermarterte mir das Hirn darüber, was es sein mochte...

"Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass Sie auch hier sind, Mr. Mercer", meinte Milo. "Wir sind in erster Linie hier, um Antworten auf einige Fragen zu bekommen, die sich im Zusammenhang mit Dr. George Hiram stellen..."

"Ach ja?" Mercer hob die Augenbrauen. Die beiden Wissenschaftler schwiegen.

"Aus welchem Grund hatte er keinen Zugang mehr zum Laborbereich? Weshalb wurde er wie eine Art Pensionär behandelt?", fragte Milo.

"Firmeninterna", sagte Mercer schnell, bevor Ressing oder Tremayne auch nur Luft geholt hatten. "Ich sehe keinen Zusammenhang mit dem Verschwinden des CX-Behälters. Und darum geht es ja wohl."

"Es geht auch um den Mord an Hiram", warf ich ein. "Sie zeigen nicht viel Interesse an der Frage, wer Ihren Mitarbeiter umgebracht hat."

"Das ist eine Unterstellung!", ereiferte sich Mercer. "Warum tun Sie nicht einfach Ihren Job, Agent Trevellian! Aber statt dessen kommen Sie hier her und sprechen haltlose Verdächtigungen aus."

"Ich habe keine einzige Verdächtigung ausgesprochen", erwiderte ich kühl. "Und was Ihre Anwesenheit hier angeht es hat Sie niemand darum gebeten, Mr. Mercer. Tatsächlich überlege ich mir, ob es nicht besser ist, Sie einzeln zu vernehmen..."

Jetzt mischte sich Dr. Ressing ein.

"Ich finde, wir können ruhig offen darüber sprechen, Mr. Mercer..." Er wandte sich an mich. "Sehen Sie, Hiram wechselte vor zwei Jahren von Fürbringer do Brasil hier her. Eine Kapazität, von der wir uns eine Menge versprochen haben."

"Und das hat sich nicht bewahrheitet?", hakte ich nach.

Ressing zuckte die Achseln.

"Wie man es nimmt. Das Problem war, dass ihm sein bisheriger Erfolg wohl etwas zu Kopf gestiegen war. Er war einfach unfähig, in einem Team zu arbeiten."

Und Tremayne ergänzte: "Bei Fürbringer do Brasil hat er seine Abteilung mehr oder minder wie ein Alleinherrscher regiert. Aber damit lag er hier natürlich völlig daneben... Er konnte sich nicht einordnen."

"Und es hat zwei Jahre gedauert, bis Ihnen das aufgefallen ist?"

"Sie können sich Ihren süffisanten Unterton sparen, Trevellian", maulte Mercer.

"Wie wär's, wenn Sie es uns erklären", erwiderte ich.

Mercer atmete tief durch, vergrub die Hände in den Hosentaschen. "Es gab von Anfang an Probleme", erläuterte er dann in gedämpftem Tonfall. "Aber schließlich war dieser Mann für uns eine Investition, die wir nicht so schnell abschreiben wollten."

"Sie haben ihn weiter bezahlt..."

"Wir konnten aus dem Vertrag nicht raus. Jedenfalls nicht so einfach..."

Irgendwie klang das in meinen Ohren nicht sonderlich überzeugend.

Jetzt meldete sich Tremayne zu Wort. "Man soll über Tote nichts Negatives sagen, aber..." Er stockte. Dann fuhr er fort: "Ich glaube, er stand ziemlich unter dem Einfluss seiner jungen Frau..."

"Sally Hiram."

"Sie kennen Sie?", fragte Tremayne. "Ich begegnete ihr bei einem Abendessen und zu verschiedenen anderen gesellschaftlichen Anlässen. Ich glaube, sie hatte ziemlich merkwürdige Ansichten, war irgendwie etwas esoterisch angehaucht oder so..." Er zuckte die Achseln.

"Sally Hiram ist höchstwahrscheinlich Mitglied einer Sekte, die sich die AUSERWÄHLTEN DER APOKALYPSE nennt", sagte ich. "Und es gibt Grund zu der Annahme, dass der verschwundene CX-Behälter in den Händen dieser Leute ist..."

"Das klingt beunruhigend", stellte Ressing fest.

"Das ist eine Untertreibung", erwiderte ich.

"Was haben diese Leute damit vor?"

"Vielleicht den Weltuntergang etwas beschleunigen. Wie weit sind Sie mit der Entwicklung eines passenden Impfstoffes gewesen?"

"In ein bis zwei Jahren wäre er anwendungsreif gewesen", sagte Ressing.

Und Mercer fragte: "Wo ist diese Sally Hiram?"

"Sie ist verschwunden", erwiderte ich.

Mercer war jetzt etwas ärgerlich. "Warum lassen Sie uns so lange zappeln und Blut und Wasser schwitzen? Verdammt, warum erfahre ich das alles erst jetzt?"

"Ich verstehe Ihre Aufregung nicht", erwiderte ich sachlich.

"Ach, nein? Jetzt liegt doch alles auf der Hand! Die Einbrecher verfügten über Detailkenntnisse unserer Labors und Anlagen. Sie kannten die Code-Bezeichnungen, mit denen die Bakterienkulturen bezeichnet worden waren. Schließlich haben sie ganz gezielt nach einem bestimmten CX-Behälter gegriffen! Von wem können sie diese Informationen wohl gehabt haben?"

"Sie denken an Hiram und seine Frau."

"Sie etwa nicht?"

"Natürlich. Deswegen möchten wir auch unbedingt wissen, welchen konkreten Anlass es gab, um Hiram so schlagartig zu suspendieren. Die menschlichen Schwierigkeiten in Ihrem Team dauerten doch schon länger an."

Die drei sahen sich an. Sie konnten sich nicht in unserer Gegenwart absprechen, aber ich mir war klar, dass sie im Moment genau das gerne getan hätten.

Mercer meldete sich schließlich als erster zu Wort.

"Wir hatten den Verdacht, dass Hiram Daten und Proben entwendet hat. Wir dachten eigentlich daran, dass er sie der Konkurrenz zuspielen oder bei einem eventuell bevorstehenden Wechsel in einen anderen Konzern dorthin mitnehmen würde. Als eine Art Mitbringsel zum Einstand sozusagen. Allerdings hatten wir keine Beweise, die vor Gericht ausgereicht hätten.

Hiram hätte uns verklagen können. Das war einer der Gründe, weshalb wir recht großzügig zu ihm waren. Aber wie es scheint, haben wir in eine ganz falsche Richtung gedacht. Das, was Sie sagen, macht viel mehr Sinn, Mr. Trevellian." Mercer hob die Hand. Seine Gestik signalisierte Nervosität. "George Hiram muss unter dem Einfluss dieser Sekte gestanden haben! Daran kann es doch nun kaum noch einen Zweifel geben." Er wandte sich an Ressing. "Erwähnten Sie nicht, dass Hiram sich in letzter Zeit verstärkt mit religiösen Fragen beschäftigte?"

"Das stimmt", sagte Ressing. "Ich hielt das für Anwandlungen, die einer bekommt, der viel Stress hat, aber nun..."

"Und wer sollte Ihrer Meinung nach für Hirams Tod verantwortlich sein?", fragte Milo.

"Ich nehme an, diese Auserwählten", sagte Mercer schulterzuckend. "Wer weiß, vielleicht hat Hiram erkannt, auf wen er sich eingelassen hatte und hat dann versucht auszusteigen..." Mercer lächelte dünn. "Wie gesagt, es ist Ihr Job, solche Mutmaßungen anzustellen."

"Sie sagen es", nickte ich.


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