Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 142
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Sally fühlte sich schwach und elend. Sie taumelte vorwärts.
Schweißperlen rannen ihr über das Gesicht.
Sie zitterte.
Ich muss es tun, dachte sie. Ich muss einfach...
Sie wankte die enge Seitenstraße entlang. Eine streunende Katze huschte hinter übervollen Mülleimern hervor und jagte quer über die Straße.
Sally zuckte zusammen.
Sie drehte sich um. Ihr Puls raste. Stundenlang war sie einfach nur gelaufen. Durch dunkle Straßen und enge, schmale Seitengassen. Bei jedem Geräusch war sie bis ins Mark erschrocken.
Und immer war ihr so, als würde sie beobachtet.
Sie werden mir folgen, ging es ihr durch Kopf. Es hat keine Sinn! Du bist zu schwach, Sally... Sie versuchte gegen diese lähmenden Gedanken anzukämpfen, so gut es ging.
Aber sie fühlte kaum noch Kraft in sich.
Sie lehnte gegen die Wand eines Brownstone-Hauses.
Ein Wagen bog um die Ecke. Sally drückte sich an die Wand.
Sie wartete ab. Es war schon ziemlich hell geworden.
Der Wagen jagte die schmale Straße in viel zu hohem Tempo entlang.
Sally hielt den Atem an. Sie duckte sich hinter einen rostigen Ford, den jemand halb auf dem Bürgersteig geparkt hatte.
Die Bremsen des Fords quietschten. Türen wurden geöffnet.
"Sie muss hier irgendwo sein!", rief eine heisere Männerstimme.
Sally zitterte. Sie hörte die Schritte näherkommen.
Nur Augenblicke blieben ihr.
Aber sobald sie sich erhob, würde sie ins Blickfeld der Verfolger geraten.
Sie legte sich flach auf den Boden und rollte sich unter den parkenden Wagen.
Dann verhielt sie sich still. Sie wagte kaum zu atmen.
Die Schritte hatten sie erreicht.
Sally sah nur die Füße von zwei Verfolgern.
Sie hörte ein ratschendes Geräusch, so als ob jemand eine Waffe durchlud.
"Verdammt, wo kann sie geblieben sein?"
"Jedenfalls kann sie sich nicht in Luft auflösen..."
"Hier ist sie jedenfalls nicht..."
Die Schritte entfernten sich. Sally rührte sich noch immer nicht. Eine ganze Weile noch blieb sie unter dem parkenden Wagen liegen. Auch noch, als sie hörte, wie die Verfolger in den Wagen stiegen und davonfuhren.
Tränen standen in ihren Augen.
Ich will leben, dachte sie und blanke Verzweiflung stieg in ihr auf. Für mich ist es zu spät, ging es ihr durch den Kopf.
Viel zu spät...
Es ist nicht richtig, Hunderttausende oder noch mehr Menschen umzubringen, dachte sie. Selbst im Namen des Kampfes gegen das Böse nicht... Unter der Oberfläche hatte diese Erkenntnis immer in ihr geschlummert. Aber sie war verschüttet gewesen. Verschüttet durch die mit sonorer Stimme vorgetragenen Worte des Propheten Josiah Morgan - jenem Mann, von dem Sally geglaubt hatte, er sei die Sense Gottes.
Das sind die Einflüsterungen des Bösen, hörte sie eine andere Stimme in ihrem Kopf. Und vor ihrem inneren Auge sah sie dabei Josiah Morgans kantiges Gesicht vor sich.
Sie schüttelte sich.
"Nein!", stieß sie hervor.
Verzweifelt versuchte sie, diese Gedanken abzuschütteln.
Aber sie waren einfach in ihr und würden sie weiter verfolgen. Es war ein gnadenloser Kampf, der in ihrem Inneren stattfand. Sally fühlte sich elend.
Sie kroch aus ihren Versteck hervor. Sie war ziemlich dreckig geworden.
Sie wankte vorwärts, bog in eine andere Straße ein, blickte sich alle paar Schritte um. Schüttelfrost hatte sie erfasst.
Ich habe Fieber, ging es ihr durch den Kopf. Bestimmt! Das erste Zeichen der Geißel Gottes... Oder nur Einbildung...
Alles wirbelte in ihren Gedanken durcheinander.
Es fiel ihr schwer, sich überhaupt auf etwas zu konzentrieren.
Schließlich erreichte sie eine etwas belebtere Straße. Um diese Zeit waren noch keine Passanten unterwegs. Aber es quälten sich bereits Autoschlangen durch die Straßen der Riesenstadt New York.
Wo bin ich?, dachte sie.
Sie hatte etwas die Orientierung verloren. Ihre Flucht war ein heilloses Davonlaufen gewesen. Ohne Ziel, ohne Plan. Nur diktiert von nackter Angst.
Das Zittern erfasste ihren gesamten Körper.
Sie blieb stehen.
An der nächsten Ecke sah sie eine Telefonzelle.
Sie wankte darauf zu. Mit nervösen, hektischen Bewegungen holte sie eine Handvoll Kleingeld aus den Taschen ihrer Jeans heraus. Sie steckte ein paar Münzen in den Schlitz.
Und dann wählte sie eine bestimmte Nummer.
Sie musste sich sehr konzentrieren, um sich an die Reihenfolge der Zahlen richtig zu erinnern.
Es war die Nummer des FBI Field Office von New York City.