Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 144

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Das Gespräch konnte zu einer Telefonzelle in der Bronx zurückverfolgt werden. Wir machten uns sofort mit mehreren Wagen auf den Weg.

"Sie klang, als wäre sie wirklich in Gefahr", meinte ich unterwegs, während ich den Sportwagen über den Broadway lenkte.

"Vor allem klang sie etwas durcheinander", erwiderte Milo ziemlich nüchtern. "Jesse, es spricht viel dafür, dass sie freiwillig mit ihren 'Entführern' mitgegangen ist. Die Tätowierung deutet darauf hin, dass sie eine der AUSERWÄHLTEN DER APOKALYPSE ist. Warum sollten die es jetzt plötzlich auf sie abgesehen haben?"

"Vielleicht ist sie abtrünnig geworden..."

"Jesse!"

"Worauf willst du hinaus, Milo?"

"Ich frage mich einfach nur, ob wir nicht manipuliert werden."

"Warten wir es ab!"

Die Telefonzelle, von der aus der Anruf gekommen sein musste, lag an einer vierspurigen Straße. Wir hielten am Straßenrand, stiegen aus. Ein paar Meter dahinter parkten Clive Caravaggio und 'Orry' Medina mit einem Chevy unserer Fahrbereitschaft. Unser Kollege Fred LaRocca war mit ihnen hergefahren.

Wir sahen uns um.

Es war keine gute Gegend. Mindestens jedes zweite Haus schien leerzustehen. Hier und da waren Fenster zerstört und mit Spanplatte vernagelt. Graffitis prangten an den Wänden.

Ein herzliches FUCK OFF!, begrüßte uns in grellgelb von einer ansonsten dunkelgrauen Hauswand.

Orry nahm sich die Telefonzellen vor, die an der Ecke standen.

Es waren insgesamt vier, dicht nebeneinander.

Nur eine einzige funktionierte überhaupt. Und wie diese dem allgegenwärtigen Vandalismus hatte entgehen können, war ein Rätsel.

Die vierspurige Straße war stark befahren.

"Die Anruferin ist längst über alle Berge!" war Orry überzeugt. "Wir hätten gar nicht erst herzufahren brauchen..."

"Sie kann sich nicht in Luft aufgelöst haben", widersprach ich.

"Sie kann sonstwo sein, Jesse!" erwiderte Milo ernst.

Er hatte natürlich recht. Vor allem dann, wenn sich seine Vermutung bestätigte, dass wir manipuliert werden sollten.

Aber ich hatte ein anderes Gefühl bei der Sache.

Ich ging in die Telefonzelle und überlegte.

Ein Telefonbuch gab es nicht mehr in der Zelle.

Jemand hatte es herausgerissen.

Hier, an dieser Stelle hat sie gestanden, ging es mir durch den Kopf. Und dann hatte Sally jemanden gesehen. So musste es gewesen sein. Panik hatte sie erfüllt...

Ich verließ die Zelle.

"Wahrscheinlich haben Sallys Verfolger sie gekriegt", meinte Milo.

"Wo ist die nächste U-Bahnstation?", fragte Orry. "Ich an ihrer Stelle würde dorthin flüchten..."

"Ich glaube zwei Straße weiter", sagte Clive Caravaggio.

"Aber wer sagt uns, dass sie sich hier auskennt?"

Ein dumpfer Knall übertönte für den Bruchteil einer Sekunde den Straßenlärm.

Kurz darauf geschah dasselbe noch einmal.

Ich wirbelte herum. Zwei Schüsse. Daran gab es für mich keinen Zweifel.

"Das kam dort her!", rief Milo. Er hatte bereits seine P226 in der Hand und deutete mit der Linken in Richtung des fünfgeschossigen Hauses an der Ecke. Im Erdgeschoss war früher mal ein Lebensmittelladen gewesen. Die Reklameschilder waren zum Teil noch vorhanden. Manche hatten Sprayer in ihre Bilder einbezogen. Der Putz bröckelte von den Wänden. Hier und da wurde der Blick auf die Steinwände freigegeben.

Die oberen Geschosse waren Wohnungen.

Die Fenster waren zum Teil eingeschlagen. Das Ganze wirkte wie eine Ruine und man konnte nur hoffen, dass niemand mehr darin wohnte.

Wieder war ein Schuss zu hören.

An einer der zerstörten Fenster im zweiten Stock war für Sekunden eine dunkle Gestalt zu sehen.

Ich überlegte nicht lange.

Mit der Waffe in der Hand stürmte ich vorwärts.

Nur Sekunden später hatte ich den Eingang erreicht. Eine Tür gab es nicht mehr.

Milo war mir auf den Fersen.

Vielleicht hatte Sally Hiram sich hier her retten können und sich vor ihren Verfolgern versteckt. Es war zumindest eine Möglichkeit...

Die Aufzüge funktionierten nicht.

Es gab keinen Strom.

Mit weiten Schritten hetzte ich die Treppenstufen hinauf.

Die anderen folgten mir.

Nur Augenblicke brauchte ich, um den zweiten Stock zu erreichen. Hier waren tatsächlich früher Wohnungen gewesen, wenn man nach dem Grundriss urteilte. Allerdings war alles herausgerissen worden, was sie bewohnbar gemacht hätte. Es gab keine Türen, kaum noch unbeschädigte Fenster und selbst der Fußbodenbelag fehlte.

Ein Labyrinth.

Ich tastete mich vorsichtig vor, wandte für den Bruchteil einer Sekunde den Kopf und sah Milo, der mich von hinten absicherte.

Die P226 hielt ich mit beiden Händen.

Ich hörte Schritte.

Und Stimmen.

"Ein verdammt guter Schuss, Buddy", sagte irgendjemand.

Und dann tauchte in der nächste Sekunde eine hoch aufragende Gestalt in dem engen Flur auf. Ein Mann in schwarzer Ledermontur.

Er hielt eine große Magnum in der Linken.

Sein Gesicht verzog zu einer Maske des Entsetzens, als er in den Lauf meiner P226 blickte.

"Waffe weg! FBI!", brüllte ich.

Der Kerl in Leder grunzte etwas Unverständliches, riss die Magnum empor und feuerte sofort wild drauflos.

Ich ließ mich seitwärts fallen, prallte gegen die Wand und schoss meine P226 ab. Tückische Querschläger ritzten am Beton.

Funken blitzen auf.

Ich feuerte ein zweites Mal.

Der Kerl in Leder schrie auf. Die Kugel erwischte ihn an der Schulter seines Waffenarms. Er wurde nach hinten gerissen.

Der Schuss aus seiner Magnum ging in die Decke. Der Mann taumelte zurück, strauchelte und rutschte an der von Schimmel angefressenen Wand hinunter. Er hielt sich die Schulter.

Milo stürmte jetzt vor, während ich wieder auf die Beine kam.

Mit wenigen Sätzen war Milo bei dem am Boden Liegenden. Der versuchte, seine Waffe erneut zu heben. Aber das gelang ihm nicht. Ein Zittern ging durch seinen Arm, der ihm nicht mehr so recht zu gehorchen schien. Milo kickte ihm die Waffe aus der Hand. Sie rutschte drei Meter über den Boden.

Milo richtete die Waffe auf den Kerl in Leder.

Dieser bleckte die Zähne wie ein Raubtier.

"Alles Okay", meinte Milo.

Ich hatte mich indessen bis zu der Tür vorgearbeitet, durch den der Mann in den Flur getreten war.

Ich blickte in einen kahlen Raum.

Auf dem nackten Beton lag eine Gestalt lang hingestreckt.

Das Gesicht sah ich nur von der Seite.

Zwischen den Schulterblättern war die Jacke des Mannes durch ein Projektil zerfetzt. Eine Blutlache hatte sich gebildet.

Neben dem Toten lag eine Pistole.

Ich trat an die Leiche heran, kniete nieder und drehte den Mann etwas herum. Das Gesicht kannte ich nicht. Aber etwas ließ mich stutzen.

Er trug ein Goldkettchen um den Hals, an dem ein kleines Amulett hing. Drei Kreuze hoben sich von einer kreisförmigen Oberfläche ab.

Das Zeichen der AUSERWÄHLTEN!


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