Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 131
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Das Licht war im ersten Moment furchtbar grell. Sally Hiram kniff die Augen zusammen und hob die Hand. Aber die Helligkeit war überall. Scheinwerfer leuchteten von allen Seiten. Eine kräftig zupackende Hand ergriff ihren Oberarm und half ihr, aus der großen Kiste herauszuklettern.
Undeutlich nahm Sally die beiden Möbelpacker wahr.
Aber da war noch eine dritte Gestalt.
Sie hob sich als dunkler Schemen gegen das grelle Licht ab, schritt langsam näher.
"Es ist schön, dich wieder bei uns zu wissen, Schwester Sally", sagte die Gestalt. Die Stimme war sehr tief. Die verhallte Akustik in diesem Raum gab ihr etwas Überlegenes, Allgewaltiges.
Die Gestalt kam näher.
Das Licht der Scheinwerfer beleuchtete ein kantiges, männliches Gesicht. Das sanfte, fast entrückte Lächeln stand im Widerspruch dazu. Der Blick der dunkelbraunen Augen hatte eine geradezu hypnotische Intensität. Der Mann hatte langes, fast weißes Haar, das in seinem Nacken zu einem Zopf zusammengefasst war.
Der Weißhaarige breitete die Hände aus.
Sally blieb stehen.
Sie wagte es nicht, in seine Augen zu sehen. Sie senkte den Blick, starrte auf das goldene Amulett, das ihr Gegenüber an einer Kette um den Hals trug.
Es hatte die Größe einer Faust.
Und es zeigte drei Kreuze, die sich deutlich von einer kreisförmigen Grundfläche abhoben.
Der Weißhaarige wandte sich kurz an die Möbelpacker.
"Ihr könnt gehen!"
Sie gehorchten wortlos und verschwanden durch seitlich gelegene Türen.
"Wo bin ich?", fragte Sally dann.
"Ist das von Bedeutung, meine Schwester im Glauben?" Der Weißhaarige trat näher, seine Hände berührten Sallys Schultern. "Vertrau mir. Oder hast du je Grund dazu gehabt, dies nicht zu tun?"
"Nein."
"Ich weiß, dass ein steiniger Weg der Prüfungen hinter dir liegt, meine Schwester."
"Es war so furchtbar..."
"Sei getrost! Die Tage der Herrschaft des Bösen sind gezählt! Der HERR vernichtete Sodom und Gomorra, und das sündige Babylon ist zu Staub zerfallen... Er wird auch New York, das neue Babylon, richten..."
Sally hob den Kopf. Einen Augenblick lang blickte sie in das unheimliche Feuer dieser hypnotischen Augen.
"Wann?", fragte sie.
"Sehr bald, meine Schwester. Die Zeit der Reinigung hat schon begonnen. Bald schon wird man das Wehklagen in den Straßen hören - so wie damals, als der Herr den Todesengel ausschickte, um die Häuser der Ägypter heimzusuchen. Aber diesmal wird es noch viel furchtbarer sein!"
Er sah Sally an. Sie wandte den Blick und schluckte. Er fasste ihr Kinn, zwang sie dazu, ihm direkt ins Gesicht zu sehen. "Was sind es für Gedanken, die dich quälen, meine Schwester?"
"Es ist nichts", wehrte sie ab.
"Vor mir kannst du nichts verbergen. Genauso wenig, wie vor Gott. Ich bin sein Gesandter, und ich blicke bis zum Grund deiner kleinen Seele! Du kennst die Gesetze unserer Gemeinschaft."
"Ja", flüsterte sie schluckend.
"Keine Geheimnisse."
"Keine Geheimnisse", wiederholte sie, fast wie in Trance.
Ihre Lippen murmelten diese Worte fast wie automatisch.
"Du weißt, wer ich bin?"
"Du bist der letzte Prophet", murmelte Sally. "Der Prophet der Apokalypse, gesandt von Gott."
"Also gehorche!"
Sally atmete tief durch. Die Stimme des Weißhaarigen klang eiskalt und unerbittlich. Du musst ihm alles sagen, hämmerte es in ihr. Alles!
"Ich frage mich, ob es richtig ist, was wir tun", sagte sie dann zögernd.
"Seit wann stellst du dir diese Frage?"
"Ich weiß nicht. Sie war einfach da..."
"Seit wann?", wiederholte der Weißhaarige scharf.
"Seit vorgestern."
Der Weißhaarige strich ihr über das Haar. "Du hast lange im Einflussbereich des Bösen leben müssen. Vielleicht zu lange... Deine Gedanken sind Einflüsterungen Satans. Nichts anderes."
"Ja", murmelte sie.
"Wir haben jedes Recht, das zu tun, was der Plan des Höchsten ist!"
"Ja."
"Wir handeln nicht anders, als jemand, der Ungeziefer zertritt!"
"Ich bin eine Närrin!"
"Nur verwirrt, meine Schwester!"
"So wird es sein!"
"Sterben soll die wiedererstandene Hure Babylon! Sterben soll New York!" Der Weißhaarige ballte dabei beschwörend die Hände zu Fäusten. Allmählich entspannte sich sein Gesichtsausdruck etwas. Die Ahnung eines Lächelns kehrte zurück. "Und nun berichte mir, meine Schwester..."