Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 124
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Wir folgten der Blutspur bis zum Eingang des Lagerhauses. Die Schiebetür stand offen. Sie war so verrostet, dass man sie vermutlich gar nicht mehr bewegen konnte.
Die dunkelroten Flecken auf dem Boden waren immer größer geworden.
Smith musste bereits eine Menge Blut verloren haben.
"Das muss mehr als ein einfacher Streifschuss gewesen sein", meinte Milo.
Im Inneren des Lagerhauses war es ziemlich dunkel. Die meisten Fensterflächen waren einfach mit Spanplatten vernagelt worden. Nur an wenigen Stellen kam Tageslicht herein, das dann so grell wie das Licht von Taschenlampen wirkte.
Wir durchquerten das Erdgeschoss, das aus mehreren großen Räumen bestand. Vor allem ging es uns darum, zu überprüfen, ob es auf der anderen Seite einen Ausgang zur Straße gab.
Aber das war nicht der Fall.
Die Blutspur führte die Treppe in den ersten Stock hinauf.
Feiner Staub hatte sich auf die Stufen gesetzt. Durch ein Loch in einem der vernagelten Fenster drang ein Lichtstrahl herein. Im Staub konnte ich dicht neben einem der Blutflecke zwei Fußabdrücke erkennen.
Einer der Abdrücke war deutlich größer als der andere, obwohl sie mit großer Wahrscheinlichkeit von derselben Person stammten.
Milo und ich sahen uns kurz an.
Wir brauchten kein Wort darüber zu verlieren.
Auch so war uns beiden in dieser Sekunde klar, dass wir jetzt vielleicht einen entscheidenden Schritt nach vorn machen konnten.
Wir lauschten.
Von draußen drangen Geräusche herein. Motorengeräusche und Stimmengewirr. Die Kollegen, die wir als Verstärkung angefordert hatten, waren eingetroffen, desgleichen die Mordkommission und die Spurensicherung.
Vorsichtig schlichen wir Stufe um Stufe hinauf. Zuerst ich, mit der P226 im beidhändigen Anschlag, dann mein Freund und Kollege Milo Tucker, der mich absicherte.
Der erste Stock sah von der Raumaufteilung dem Erdgeschoss zum verwechseln ähnlich. Die Lichtverhältnisse waren hier allerdings noch etwas schlechter.
Ich ließ den Blick schweifen.
Ein schabender Laut ließ mich herumfahren.
Aus dem türlosen Eingang in einen noch dunkleren Nebenraum blitzte Mündungsfeuer auf.
Ich ließ mich seitwärts fallen.
Milo feuerte sofort in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war. Dann stolperte er seitwärts und suchte Deckung hinter einem Mauervorsprung.
Ich rollte mich am Boden herum, schnellte hoch, riss die P226 hoch. Fünf, sechs Meter lagen zwischen mir und einem Stapel verstaubter Holzkisten mit der Aufschrift HARRISON EXPRESS MAIL.
Ein Schuss zischte dicht an mir vorbei.
Ich feuerte zurück.
Insgesamt viermal zog ich den Abzug der P226 durch, während ich auf den Kistenstapel zuschnellte.
Milo gab mir zusätzlichen Feuerschutz.
Sekunden später hatte ich es geschafft.
Ich hatte Deckung hinter den Kisten und duckte mich.
Milo konnte ich von meiner Position aus sehen. Er presste sich in die Mauernische und lud seine Waffe nach.
"Hier ist der FBI!", rief ich unserem Gegenüber zu. "Wir wissen, dass Sie uns hören können, Smith! Sie haben keine Chance. Fahndungsfotos von Ihnen hängen in jedem New Yorker Polizeirevier. Außerdem sind Sie verletzt. Sie müssen viel Blut verloren haben..."
Ich wartete ab.
Sekundenlang herrschte absolute Stille. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
"Geben Sie auf, Smith!", rief ich. "Sie tun sich keinen Gefallen, wenn Sie jetzt weitermachen. Ihre Lage kann nur schlimmer werden..."
Wieder folgte ein Augenblick der Stille.
Dann dröhnte ein Schuss aus dem Nebenraum heraus, in dem Smith sich verborgen hielt.
Ich hatte kein Mündungsfeuer aus der Dunkelheit heraus aufblitzen sehen.
Smith hatte also nicht auf uns gefeuert.
Es gab zwei Möglichkeiten - und die gefielen mir beide nicht.
Entweder, der Mann, der sich Smith nannte, hatte sich selbst eine Kugel in den Kopf gejagt, weil er erkannt hatte, dass seine Lage aussichtslos war.
Oder er wollte uns das nur glauben machen, um uns aus der Deckung herauszulocken.
In geduckter Haltung kam ich hinter dem Kistenstapel hervor, die P226 mit beiden Händen umklammert.
Ich musste höllisch aufpassen.
Vorsichtig tastete ich mich voran. Milo sicherte mich von hinten ab.
Dann hatte ich die Tür zu dem dunklen Nebenraum erreicht, in dem Smith sich aufhalten musste.
Ich wartete.
Kein Laut war zu hören.
Dann stürzte ich hinein.
Binnen eines Sekundenbruchteils musste ich mich an das Dunkel gewöhnen. Eine schattenhafte Gestalt lehnte an der Wand. Die Gestalt rührte sich nicht, saß da wie erstarrt.
Ich trat etwas zur Seite, so dass ich mir nicht selbst im Licht stand.
Dann senkte ich die Waffe.
"Der Kerl hat sich selbst eine Kugel in die Schläfe gejagt", sagte ich an Milo gerichtet, dessen Schritte ich hörte.