Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 114
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"Alles in Ordnung, Alter?", fragte Milo, als er auf mich zukam.
Ich nickte und klappte das Handy ein.
Dann klopfte ich mir notdürftig den Dreck aus den Sachen.
Wir kehrten zu Hirams Bungalow zurück. Einen Moment lang hatten wir erwogen, die Verfolgung aufzunehmen. Aber dann erreichte uns die Meldung der Zentrale. Die Beamten des County-Sheriffs hatten alle Straßen, die aus dem Gebiet herausführten abgesperrt. Das Kennzeichen des Geländewagens hatte ich durchgegeben.
Ich setzte mich per Handy noch einmal mit dem Büro des Sheriffs in Verbindung, um auf die Gefährlichkeit der Flüchtigen hinzuweisen.
Der Sheriff versicherte mir, dass seine Leute die Lage im Griff hätten.
"Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, habe wir die Kerle in einer Viertelstunde", war er überzeugt. "Es gibt genau zwei Straßen, über die man diese Gegend verlassen kann - und die sind dicht. Machen Sie sich also keine Sorgen."
"Besser, wir überlassen die Verfolgung den hiesigen Cops", meinte Milo. "Die sind ortskundig. Wir wissen doch nach zehn Minuten gar nicht mehr, wo wir sind. Außerdem ist hier am Tatort auch eine Menge zu tun."
Milo hatte damit natürlich recht.
Vor allem würde uns Sally Hiram eine Reihe von Fragen zu beantworten haben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Schönheit im Badeanzug so ahnungslos war wie sie tat.
Es war kein Zufall gewesen, dass sie uns mit einem Revolver in der Hand begrüßt hatte...
Wir trafen Sally weder auf der Terrasse, wo die Leiche ihres Mannes noch starr im Korbsessel saß, noch im Erdgeschoss des Bungalows. Milo forderte per Handy FBI-Spezialisten aus New York City an, vor allem Erkennungsdienstler.
Ich hörte Geräusche von oben.
Der Bungalow hatte ein ausgebautes Dachgeschoss.
Vermutlich befanden sich dort die Schlafräume. Jedenfalls hatte ich im Erdgeschoss davon nichts gesehen und einen Keller gab es nicht - vermutlich aufgrund des felsigen Untergrunds.
Ich stieg die steile Wendeltreppe empor, die hinaufführte.
Dann fand ich Sally.
Sie stand vor einem geöffneten Kleiderschrank. Auf dem ausladenden Wasserbett lag eine geöffnete Sporttasche. Sie packte ihre Sachen.
Sally sah mich in einem der Spiegel in den Schranktüren und drehte sich herum.
Ihre Augen waren rotgeweint.
Sie wischte sich mit einer fahrigen Geste über das Gesicht.
"Ich kann hier nicht bleiben", sagte sie, so als müsste sie mir erklären, was sie tat.
Ich ging auf sie zu, sah sie an.
Ihre stahlblauen Augen musterten mich. Sie hat Angst, dachte ich.
"Wo wollen Sie hin?", fragte ich.
"In unsere New Yorker Wohnung. Oder zu Bekannten. Mein Gott, ich weiß es noch nicht, aber hier..." Sie schluchzte auf.
Ich legte den Arm um ihre Schulter. Sie zitterte.
"Es ist so furchtbar, was hier passiert ist", flüsterte sie dann. "So furchtbar..."
"Sie müssen uns helfen, Sally", verlangte ich.
"Helfen?"
Sie rückte von mir ab, stieß meinen Arm von sich. Sie sah mich an, als hätte ich etwas Unanständiges gesagt.
"Wovor hatten Sie Angst, als wir hier auftauchten?", wiederholte ich die Frage, die ich ihr schon einmal gestellt hatte und der sie ausgewichen war.
Sie verschränkte die Arme unter den Brüsten.
Und schwieg.
Reglos stand sie einen Augenblick da. Das einzige, was sich in diesen Sekunden an ihr bewegte, war die Ader an ihrem Hals. Eine leichte Röte hatte ihr Gesicht überzogen.
Innerlich brodelte es in ihr. Aber ich wusste nicht, weshalb.
Ich wusste nur, dass sie mir etwas verschwieg, das mit diesem Fall zu tun haben konnte. Ich hatte einen Instinkt dafür und der hatte mich selten getrogen.
"Sie können mir vertrauen", sagte ich so ruhig wie möglich.
"Ach, ja?", erwiderte sie mit einem feindseligen Unterton.
"Was waren das für Leute, die Ihren Mann auf dem Gewissen haben. Vermutlich kleine Handlanger, die die mörderische Drecksarbeit für andere verrichten. Aber wer hat sie geschickt? Sie wollen mir allen ernstes weismachen, dass Sie davon nicht die geringste Ahnung haben."
"Ich will Ihnen gar nichts weismachen. Ich will nur weg hier."
"Bei MADISON GEN-TECH wird eingebrochen und ein Behälter mit sensiblem Material gestohlen und einer der maßgeblichen Wissenschaftler wird erschossen, nachdem er bei seiner Firma offenbar in Ungnade gefallen ist. Da sieht doch ein Blinder Zusammenhänge."
Ihre Augen wurden schmal.
Sie trat einen Schritt auf mich zu.
"Wollen Sie mich festnehmen, Mr. Trevellian. Habe ich mich irgendwie strafbar gemacht? Wohl kaum, was."
Ich erwiderte ihren Blick.
"Packen Sie ein paar ihrer persönlichen Sachen, Mrs. Hiram", sagte ich dann sachlich. "Aber rühren Sie bitte ansonsten hier nichts an. Unsere Leute werden hier jeden Zentimeter genauestens unter die Lupe nehmen. Und Sie nehmen wir mit nach New York City."
Sie widersprach nicht.
Stattdessen drehte sie sich um, ging zum Fenster. Sie blickte hinaus auf den blau glitzernden See.
"Habe ich es nicht gesagt, Mr. Trevellian", murmelte sie dann, kaum hörbar.
"Wovon sprechen Sie?"
"Davon, dass das Übel die Welt beherrscht. Überall kriechen sie aus ihren Löchern... Die Boten des Unheils... Überall. Sie töten wahllos im Auftrag des Antichristen."
Wieder fiel mir die Tätowierung auf ihrem Rücken auf.
Drei Kreuze.
"Wissen Sie, wer der Antichrist ist, Mr. Trevellian?", hörte ich ihre leise, brüchige Stimme. Sie wartete meine Antwort nicht ab, sondern fuhr fort: " Der Gegner des Guten. Das ist er!
Der Herr des Bösen. Sie können nicht gegen ihn gewinnen, Mr. Trevellian. Nicht mit Ihren Mitteln."
"Welche Mittel müsste ich anwenden?", fragte ich.
Sie sah mich etwas erstaunt an. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass ich darauf einging.
"Ich glaube nicht, dass Sie das verstehen würden", murmelte sie.
"Versuchen Sie, es mir zu erklären."
Ich wollte einfach, dass sie redete. Jedes Detail, das dabei zu Tage kam konnte uns der Klärung dieses Falls vielleicht einen Millimeter näher bringen. Und wenn der Gewinn nur darin bestand, ihr Vertrauen zu gewinnen, dann war das auch schon was.
Aber sie tat mir den Gefallen zu reden nicht.
Sie schwieg.
Die Frau eines nüchternen Naturwissenschaftlers entpuppte sich als evangelikale Fundamentalistin! Vielleicht war sie im Moment einfach auch nur ein wenig durcheinander. Schließlich war ihr Mann vor ihren Augen erschossen worden. Das wegzustecken war alles andere als eine Kleinigkeit.
Plötzlich sagte sie: "Vielleicht sind auch Sie und Ihre Organisation ein Teil des Bösen und wissen es nicht einmal."
Aus den Augenwinkeln heraus sah ich Milo in der Tür stehen.
Er hatte keinen Lärm gemacht, als er die Treppe heraufgekommen war und so wusste ich nicht genau, wie viel er mitgehört hatte.
Offenbar genug, um sich ein Urteil zu bilden.
Milo brauchte nichts zu sagen. Ich sah seinem skeptischen Gesicht an, was er dachte.
"Ich würde Ihnen gerne helfen", sagte Sally Hiram dann. Ich hatte Schwierigkeiten, ihr zu glauben. Sie fuhr fort: " Ich habe ihnen die Wahrheit gesagt, Mr. Trevellian. Ich weiß kaum etwas über die Arbeit meines Mannes oder ob er mächtige Feinde hatte... und ich habe auch keine Vermutung, wer die Wahnsinnigen waren, die dieses schreckliche Verbrechen begangen haben."
"Beantworten Sie einfach unsere Fragen", sagte ich. "Dann helfen Sie uns am meisten."
Jetzt meldete sich Milo zu Wort.
"Kann ich dich einen Moment sprechen, Jesse."
"Sicher."
Ich ging zusammen mit meinem Kollegen und Partner hinaus auf den Flur. Es war klar, dass Milo mich allein sprechen wollte.
"Gerade kam die Meldung von den Beamten des County Sheriffs."
"Und?", fragte ich.
"Der Geländewagen ist bislang bei keinem der Kontrollpunkte gesichtet worden."
"Was heißt das im Klartext?"
"Keine Ahnung, Jesse. Aber Tatsache ist, dass die Attentäter dort längst hätten auftauchen müssen. Es werden jetzt zusätzliche Polizeikräfte aus den benachbarten Städten herbeigeholt, um die Gegend abzusuchen."
"Sie können sich ja nicht in Luft aufgelöst haben", meinte ich.
Milo schüttelte den Kopf. "Nein, aber wenn sie sich gut in der Gegend auskennen, kann es trotzdem schwierig sein, sie zu kriegen. Schließlich sind diese Wälder und Berge wie geschaffen dafür, sich zu verkriechen..."