Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 66
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Am nächsten Morgen trafen wir uns im Büro von Mr McKee zur Besprechung.
Diesmal war außer Max Carter, Clive Caravaggio und einigen anderen Agenten auch Dr. Gary Schmitt anwesend, ein Psychologe, der sich mit dem Profiling von Serientätern auseinandergesetzt hatte und der unserem Field Office seit einiger Zeit zugeordnet war.
Zumindest für die Zeit, in der der Barbier noch frei herumlief. Normalerweise lehrte er in Quantico Tatortanalyse.
Dr. Schmitt hatte den Fall des Barbiers von Anfang an verfolgt. Schon nach dem Mord an Gail Montgomery hatte er das erste psychologische Gutachten zur Täterpersönlichkeit angefertigt.
Gary Schmitt hatte schon damals prophezeit, dass dieser Tätertyp erneut zuschlagen und sich nicht mit einem Mord begnügen würde.
Inzwischen lagen auch der vollständige Obduktionsbericht sowie sämtliche andere Laborberichte vor.
„Wir kennen jetzt die Zusammensetzung der K.o.-Tropfen, die den Opfern verabreicht wurden“, erklärte Mr McKee. „Die Mischung ist sehr speziell. Das Zeug heißt DSW-13 und ist auch als ‚Hammerschlag’ bekannt. In der Diskothek ‚The Skull’ hier in der Avenue B sind mehrere Fälle bei der City Police angezeigt worden, bei denen Gäste mit genau dieser Mischung betäubt und ausgeraubt worden. Es gab ein paar Festnahmen und Verurteilungen. Allerdings konnte bis jetzt nicht herausgefunden werden, von wem die K.o.-Droge stammt.“
„Aber es ist in dem Fall doch anzunehmen, dass der Täter zu den Gästen von ‚The Skull’ gehört“, vermutete unser indianischer Kollege.
„Ich schlage vor, dass Sie sich diesen Laden mal intensiv vornehmen, Medina“, sagte Mr McKee. „Vielleicht führt die Spur zum ‚Barbier’ über denjenigen, der ihm DSW-13 verkauft hat. Aber es gibt noch weitere interessante Erkenntnisse.“ Mr McKee nickte Max Carter zu. „Sie haben das Wort, Max.“
„Danke, Sir! Es fanden sich an der Kleidung der Leiche feinste Faserspuren, die von unseren Kollegen von der SRD inzwischen identifiziert werden konnten. Es handelt sich um eine Teppichbodenfaser.“
„Haben wir irgendetwas Vergleichbares an den vorangegangenen Opfern?“, hakte Mr McKee nach.
Max schüttelte den Kopf. „Nein. Aber dabei muss man bedenken, dass der erste Fall dieser Serie sieben Jahre zurückliegt und sich unsere Verfahren zur Spurensicherung erheblich weiterentwickelt haben. Es kann durchaus sein, dass solche Faserspuren auch an den Asservaten aus den vorangegangenen Fällen vorhanden waren, aber einfach nicht gesichert wurden.“
„Dann möchte ich, dass das nachgeholt wird“, erklärte unser Chef. „Schließlich beweisen diese Fasern, dass zumindest der Mord von Eileen Genardo in einer Wohnung verübt wurde.“
„Ich glaube nicht, dass der Täter seine Vorgehensweise in diesem Punkt geändert hat“, mischte sich Gary Schmitt ein. „Die Teppichbodenfaser und der vermutliche Tatort – eine Wohnung – lassen auf eine nach Sicherheit strebende Person schließen. Das Opfer wird vermutlich zunächst in Sicherheit gewogen, eingeladen in den Wagen zu steigen...“
„Woher wollen Sie wissen, dass der Täter einen Wagen benutzte?“, unterbrach in Mr McKee.
Gary Schmitt zuckte die Schultern. „Ich weiß es nicht, ich sage nur, was zu der Person passen würde, mit der wir es zu tun haben“, stellte er klar. „Und vergessen wir nicht, dass ein Wagen von bisher noch nicht ganz geklärtem Fabrikat am Heckscher Playground gesehen wurde, bevor man schließlich Eileen Genardo dort fand.“
„Der Täter lädt die Frauen ein, zu ihm in den Wagen zu steigen, bringt sie nach Hause, verabreicht ihnen dort die Betäubungsdroge und erwürgt sie dann mit einer Drahtschlinge“, schloss ich.
„Im Mageninhalt aller Opfer ist Kaffee zu finden“, stellte Max fest.
„Irgendetwas braucht unser Mann ja, in dem er das DSW-1 auflösen kann“, ergänzte Dr. Schmitt.
„Der Kerl geht tatsächlich auf Nummer sicher“, stimmte Milo zu. „Ich meine, K.o.-Tropfen und Drahtschlinge, da kann für den Täter ja wohl wirklich nichts mehr schief gehen.“
„Vergessen Sie nicht, dass die Oper auch noch gefesselt worden sind“, gab Gary Schmitt zu bedenken.
„Heißt das, er hat mit der Tötung gewartet, bis das Opfer wieder erwacht ist?“, hakte Mr McKee nach, während auf seiner Stirn eine tiefe Furche erschien.
„Inzwischen bin ich davon überzeugt“, gestand Gary Schmitt. „Unser Täter will, dass sein Opfer bei Bewusstsein ist, wenn ihm langsam die Luft abgedrückt wird und sich der Draht in Hals schneidet.“
„Ein Sadist“, stellte Mr McKee fest.
„Jemand, der selbst sehr stark verletzt wurde“, korrigierte Gary Schmitt.
„Von einer Prostituierten?“, fragte ich.
„Ja, vielleicht auch. Aber ich würde doch annehmen, die traumatischen Erlebnisse, die zu dieser Form der Persönlichkeitsstörung geführt haben, bereits in der Kindheit stattgefunden haben und sehr fundamental sein müssen. Der Täter hasst alle Frauen, nicht nur Prostituierte. Es könnte sein, dass es sich um einen Täter handelt, der in einer Umgebung aufwuchs, in der sehr feste Moralvorstellungen galten. Der Widerstand, den er aufbringen muss, um eine Prostituierte zu töten, ist vermutlich bei ihm geringer, weil er die Einstellung vermittelt bekam, dass es sich dabei um moralisch minderwertige Frauen handelt. Sünderinnen, die den Tod in Wahrheit verdient haben. Das macht es ihm leichter, seinen Hass auszuleben.“
„Ein sexuelles Motiv schließen Sie aus?“, fragte Mr McKee.
„Es geht um Erniedrigung und die Macht, jemanden bestrafen zu können“, erklärte Gary Schmitt. „Keines der Opfer wurde vergewaltigt oder sexuell missbraucht. Ich denke, der Obduktionsbericht von Eileen Genardo wird da keine unerwarteten Neuigkeiten bringen.“
Mr McKee atmete tief durch.
Er ging zu seinem Schreibtisch und holte eine zusammengerollte Zeitung, die er schließlich entfaltete, sodass wir die Schlagzeilen lesen konnten. „Das hier passt zu dem, was Sie uns vorhin über wertlose Sünderinnen gesagt haben, die unser Täter mit gutem Gewissen ermorden kann“, sagte er. „Ein radikaler Prediger namens Joshua Freed hat sich öffentlich zu Wort gemeldet und wird demnächst wohl durch alle möglichen Kabelsender wandern. Er behauptet, der ‚Barbier’ sei ein Schwert Gottes, um die Sünderinnen zu strafen, die sich einem gottlosen Leben hingegeben hätten.“ Mr McKee warf die Zeitung auf den Tisch.
„Der Unterschied zu unserem Täter scheint nur die Tatsache zu sein, dass dieser Prediger seinen Hass verbal äußert und nicht in die Tat umsetzt!“, sagte Schmitt.
„Könnte so etwas unseren Mann zu weiteren Taten anspornen?“, fragte ich.
Schmitt schüttelte den Kopf. „Ganz so einfach ist das nicht. Aber wenn der Täter von den Äußerungen dieses Predigers liest, könnte er das als eine Art Segnung seiner eigenen Handlungsweise empfinden. Die Hemmungen werden geringer, er könnte dem Bedürfnis, eine weitere Tat auszuführen vielleicht schwerer widerstehen.“
Ich berichtete von den Gerüchten über einen perversen Freier, der darauf stand, Frauen die Haare anzuschneiden und angeblich schon zur Zeit des Falles Gail Montgomery vor sieben Jahren Susan Michaels angesprochen hatte.
„Sie halten das nicht für besonders glaubwürdig?“, fragte Gary Schmitt.
Ich zuckte mit den Schultern „Für mich ist das schwer zu sagen. Ich denke, es handelt sich erst mal nur um ein Gerücht, bis ich mehr darüber weiß. Eigentlich wollte ich nur wissen, ob es möglich wäre, dass ein Täter manchmal bis zum Äußersten geht und ein Opfer umbringt und in andere Fällen sich vielleicht mit einer Rasur der Kopfhaut zufrieden gibt?“
„Das ist sogar sehr wahrscheinlich, wenn man von der bisher angenommenen Täterpersönlichkeit ausgeht“, erklärte Schmitt. „Falls dieser Mann, von dem Sie gehört haben, tatsächlich der Mörder sein sollte, dann scheint er sich zumindest zeitweise noch unter Kontrolle zu haben und belässt es bei ein paar etwas seltsameren Spielchen.“