Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 70
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„Was hältst du von der Geschichte?“, fragte Milo, als wir Rikers Island bereits wieder verlassen hatten und auf dem Franklin D. Roosevelt Drive im Stau steckten.
„Wir werden sehen, was Jennifer Garrison uns sagt.“
„Meinst du, sie kannte diesen ‚Randall’ oder wie immer er auch geheißen haben mag auch?“
„Einen anderen Grund dafür, dass sie nun plötzlich doch den Mund aufmachen wollte, kann ich mir bei ihr kaum vorstellen“, gab ich zurück. „Allerdings lasse ich mich immer wieder gerne überraschen.“
Wir verständigten das Field Office. Gegen Sonny Ricone konnte jetzt ein Haftbefehl ausgestellt werden. Zumindest wegen des Mordes an Alex Waters war er dran.
Milo schaltete das Radio an.
Ein Moderator interviewte gerade Joshua Freed, den Prediger, der wegen seiner geradezu menschenverachtenden Haltung gegenüber den Opfern des Barbiers Schlagzeilen gemacht hatte.
„Die Polizei ist doch heute von Psychologen durchsetzt. Von den Ideen Freuds – und die widersprechen eindeutig der Bibel“, konnte man Freed sagen hören.
„Meinen Sie etwa nicht, dass der wahnsinnige Mörder, der im Augenblick die Straßen New Yorks unsicher macht, von einem krankhaften Wahn befallen ist?“, fragte der Moderator etwas irritiert.
„Vielleicht ist es einfach nur jemand, dem die Unmoral in unserer Stadt und überhaupt in unserem Land reicht und der jetzt eine Grenze ziehen will. Eine Grenze zwischen Gottgefälligkeit und Sünde, zwischen Gut und Böse. Diese Frauen, die sich in unseren Straßen oder in billigen Absteigen anbieten, um ihre Drogensucht zu finanzieren, sind Geschöpfe der Sünde. Sie verdienen kein Mitleid, das ist es was ich sagen will! Formal ist Prostitution verboten, aber glauben Sie vielleicht, dass irgendeine Stadt in den USA, die mehr als 100 000 Einwohner hat, es geschafft hat, dieses Verbot auch durchzusetzen? Mich wundert es nicht, wenn jemand auf die Idee kommt, dass man mit etwas drakonischeren Maßnahmen durchgreifen müsste.“
„Liebe Zuhörer, das ist ziemlich starker Tobak, den Reverend Joshua Freed hier zum Besten gibt.“
„Das steht in schon der Bibel! Man darf das Übel nicht dulden, sonst gehört man schließlich selbst zum Übel. Das gottlose Babylon war auch eine Stadt der Sünde und der Hurerei – und es ging unter.“
„Ja, ich weiß nicht, ob dieser historische Vergleich wirklich zutrifft. Ich habe nämlich in der McKee School in Geschichte nie besonders gut aufgepasst!“ Der Moderator lachte heiser. „Und jetzt noch einmal Musik. Sie können gerne im Sender anrufen, wenn Sie Ihre Meinung zu Reverend Freed und seinen umstrittenen Thesen machen wollen.“
Die Nummer des Senders wurde durchgegeben und anschließend wurde ein Country Song gespielt.
„Tut mir leid, aber ich finde es schwer erträglich, wie dieser Möchtegern-Heilige aus den Morden Kapital schlägt“, meinte ich.
Ich blickte auf die Uhr und hoffte, dass wir noch pünktlich zum Treffpunkt mit Jennifer Garrison kamen. Der Stau bewegte sich etwas und verwandelte sich schließlich in zähfließenden Verkehr mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von nicht mehr als zwanzig Meilen.
Nach dem Country Song wurde das Interview mit Reverend Freed fortgesetzt.
„Wie kamen Sie dazu, Ihr Leben der Verkündigung der Heiligen Schrift zu widmen – in Ihrer speziellen Interpretation natürlich?“, fragte der Moderator.
Die innere Distanz, die der Moderator zu seinem Gast empfand, war nicht zu überhören. Aber offenbar dachte er in erster Linie an die Quote. Und da war Reverend Freed im Moment fast schon eine Erfolgsgarantie, gleichgültig ob er im Fernsehen, im Radio oder sonst wo auftrat.
Die einen mochten ihn, die anderen lehnten ihn vehement ab. Nur gleichgültig ließ er mit seinen ruppigen, von Beleidigungen durchsetzten Statements niemanden.
„Vor sieben Jahren habe ich mein Leben geändert, nachdem ich einen schweren Unfall hatte. Ich war Rausschmeißer in verschiedenen Clubs, ich habe mit Drogen gehandelt und ich habe Dinge getan, die weder vor dem Gesetz noch vor dem Herrn richtig sind.“
„Wer waren Ihre Eltern?“
„Meine Mutter war eine Prostituierte und mich kann man wohl einen Betriebsunfall Gottes nennen.“
„Und Ihr Vater?“
„Ich habe nur einen Vater. Und das ist der im Himmel. Aber wir waren bei dem Unfall vor sieben Jahren. Ich saß mit drei Frauen in einem Sportwagen. Es war Sommer. Die Sonne schien, wir hatten alle reichlich Alkohol und Drogen genommen. Dann gab es einen Unfall. Ich weiß nicht mehr, wie es dazu kam, aber ich war der einzige Überlebende. Da habe ich beschlossen, mein Leben zu ändern und die Sünde furchtlos zu benennen, wo immer sie zu finden war. Wissen Sie, als ich klein war, durfte ich nirgends darüber sprechen, wie meine Mutter ihr Geld verdiente. Können Sie sich vorstellen, was es für ein kleines Kind bedeutet, immer lügen zu müssen?“
„Als Amateur-Psychologe würde ich sagen, der Kerl hasst seine Mutter und wünscht stellvertretend allen Huren New Yorks den Tod“, kommentierte Milo das Interview, das wieder durch Musik unterbrochen wurde. „Was meinst du, Jesse, der Kerl passt doch genau in das Profil, das Dr. Schmitt erstellt hat!“
„Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Freed und den Opfern.“
„Vielleicht bringt uns ja Donna McNolan gleich auf direktem Weg zum Ziel, Jesse. Aber falls nicht, werde ich diesbezüglich mal ein paar Dinge abgleichen...“
„Das ist doch nur Gestocher im Nebel, Milo.
„Und wenn schon. Wir könnten darauf angewiesen sein.“