Читать книгу Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis - Alfred Bekker, Frank Rehfeld, Karl Plepelits - Страница 72
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Donna McNolan parkte ihren Wagen vor einem Haus im Brownstone-Stil mit der Adresse 221 West 19th Street und stieg aus. Ein schmaler, verwilderter Vorgarten schloss sich an den Bürgersteig an. Büsche und Sträucher wucherten teilweise die Fenster im Erdgeschoss zu. Wilder Wein rankte sich an den Brownstone-Wänden empor bis zum zweiten Stock.
Donna McNolan ging zur Tür und drückte auf den Klingelknopf.
Sie wartete ab, aber niemand öffnete. Also versuchte sie es noch einmal.
Ein Summton zeigte an, dass die Sprechanlage eingeschaltet war.
„Alicia, wenn du da bist, dann mach auf. Ich muss mit dir reden.“
Es gab keine Amtwort.
„Alicia? Es ist wirklich dringend.“
Donna wartete ein paar quälend lange Minuten, ehe endlich die Tür aufgeschlossen und einen Spaltbreit geöffnet wurde.
„Na los, Schwesterherz, ich bin kein Einbrecher!“, sagte Donna. Die Tür wurde zur Gänze geöffnet. Eine junge Frau in einem hochgeschlossenen, aber eng anliegenden Kleid stand da. Das dunkle, leicht gelockte Haar trug sie zu einer Knotenfrisur zusammengefasst.
„Hi, Donna“, sagte sie. „Komm herein.“
„Danke. Meine Güte, du hast mich aber auch ganz schön warten lassen.“
Donna betrat das Haus. Im Empfangsraum herrschte Halbdunkel. Alicia verschloss sorgfältig die Tür.
Dann gingen sie gemeinsam ins Wohnzimmer, das mit Mobiliar völlig überfüllt war. Vitrinen und Schränke mit kleinen, butzenartigen Glasscheiben prägten den ersten Eindruck. Der Rest der freien Wandfläche wurde durch Regale bedeckt.
Und überall waren Porzellanpuppen. Die Größen waren sehr unterschiedlich. Sie reichten von fingergroßen Objekten bis zu Puppen, die von Kopf bis Fuß schätzungsweise einen Meter groß waren.
Fünf mittelgroße Puppen waren an fast unsichtbaren, von der Decke herabhängenden Fäden aufgehängt worden und bildeten ein Mobile.
„Setz dich doch, Donna. Möchtest du Kaffee? Oder Tee?“
„Vielleicht später.“
„Du hast dich eine ganze Weile nicht blicken lassen, Donna.“
„Es war viel zu tun.“
„Müssten jetzt nicht die großen Herbstschauen in Mailand und Paris sein?“
„Ja.“
„Fliegst du rüber nach Europa?“
„Nein. Diesmal nicht.“
Alicia lächelte verhalten. „Schade. Diesmal hätte ich mir vielleicht überlegt, dich noch mal zu begleiten. Als Zwillingsschwestern wären wir sicher aufgefallen, meinst du nicht auch?“
„Kann schon sein.“
Alicias Tonfall veränderte sich. „Warum fährst du diesmal nicht nach Europa? Ich dachte, du bist Ressortleiterin bei New Beauty? Oder hat man dir eine Jüngere vor die Nase gesetzt, weil man denkt, dass sie die Trends besser erfassen kann?“ Alicia hob die Schulter und strich sich ein paar verirrte Strähnen aus dem Gesicht. „Tja, so ist das Leben, Schwesterherz. Man wird älter und schwächer, bis man schließlich in der Kiste liegt und die Maden einen zerfressen. Darum möchte ich ja auch eine Seebestattung, wenn es bei mir mal so weit ist.“
„Verstehe ich.“
Donna McLee hatte ihrer Schwester bis jetzt geduldig zugehört. Aber als Alicia erneut zu einem Redeschwall ansetzen wollte, fuhr sie hart dazwischen. „Alicia, ich arbeite im Moment an einem Thema, das nichts mit Mode zu tun hat. Und deswegen bin ich auch hier...“
„Nichts mit Mode? Das klingt interessant. Du bist doch jetzt nicht etwa unter die investigativen Journalisten gegangen, die Skandale ausgraben und den Leuten hinter den dicken Schreibtischen mal ein paar schlaflose Nächte bereiten?“
„So ähnlich. Ich kann dir nicht sagen, worum es geht. Und zwar zu deiner eigenen Sicherheit.“
„Oh, so wichtig ist die Sache? Du kannst dich auf mich verlassen, ich schweige wie ein Grab. Eigenartig, wie kommen wir nur immer wieder auf Tod, Bestattungsarten und dergleichen, wenn wir miteinander reden?“
„Ich brauche eine Wohnung, Alicia. Lass mich für ein paar Tage bei dir einziehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich beobachtet werde und es könnte sein, dass man mir ziemlich unangenehmen Besuch auf den Hals hetzt.“ Donna vollführte eine ausholende Geste. „Das Haus ist ja groß genug, sodass ich dir auch nicht auf den Wecker fallen würden. Na, was sagst du?“