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Österreichs erster Staatsvertrag

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War am Jahrestag des Attentats von Sarajevo auf Schloss Versailles der Frieden mit Deutschland geschlossen worden, wurde in weiterer Folge in Saint-Germain und Trianon über die Konkursmasse des zerstückelten Habsburgerreiches beschieden. Für die Sieger galten (Deutsch-)Österreich und Ungarn als Rechtsnachfolger der Doppelmonarchie und damit mitverantwortlich für den Ausbruch und den Verlauf des Krieges. Die Besiegten sahen dies hingegen völlig anders. Deutschösterreich war nach der Auffassung sowohl der Rechtsgelehrten als auch der Politik in Wien ein gänzlich neuer Staat, der sich zu keiner Zeit mit einem anderen im Kriegszustand befunden habe. Dieser Standpunkt war jedoch in Paris nicht durchzusetzen. Für den Präsidenten der Friedenskonferenz war der Krieg im Augenblick seiner Erklärung in Wien – wie in allen anderen Hauptstädten der an ihm teilnehmenden Parteien auch – nicht nur stürmisch begrüßt worden, sondern das österreichische Volk hatte nach Auffassung Clemenceaus bis zur endgültigen Niederlage auch »nichts getan, um sich von der Politik seiner Regierung und seiner Verbündeten zu trennen«. Daher sollte es gezwungen werden, seinen Anteil an der Verantwortung zu übernehmen.

Dem Kleinstaat an Donau und Alpen wurde darüber hinaus der Herzenswunsch seiner Gründerväter untersagt: der »Anschluss« an die Deutsche Republik. Von den zehn Millionen Deutschsprachigen des kaiserlichen Österreich sollten durch den Vertrag 3,5 Millionen fortan jenseits der neuen, rot-weißroten Grenze leben. Die deutschsprachigen Gebiete der böhmischen Länder und kleinere Teile niederösterreichischen Gebiets wurden der Tschechoslowakei zugeschlagen, Südtirol ging an Italien und die Untersteiermark an das jugoslawische Königreich. Als eine Art Kompensation erhielt Österreich Teile Westungarns. Über die weitere Zukunft Südkärntens sollte eine Volksabstimmung entscheiden. Als ein weiterer kleiner Erfolg gegenüber dem ersten, noch härteren Vertragsentwurf konnten Einschränkungen bei dem an die Tschechoslowakei aus eisenbahntechnischen Gründen abzugebenden Gebiet im nördlichen Niederösterreich verbucht werden. Für viele galt dieser »Rest« des alten habsburgischen Österreich schon aufgrund seiner offenkundigen wirtschaftlichen Schwäche auf sich allein gestellt aber als nicht lebensfähig.

»Arbeiten, arbeiten und nicht verzweifeln, an die Zukunft glauben«, bemühte sich Staatskanzler Renner in seiner von stürmischem Beifall begleiteten Rede vor der Nationalversammlung trotzdem Aufbruchsstimmung zu vermitteln. Wenn auch der Führer der Christlichsozialen Partei, der oberösterreichische Prälat Johann Nepomuk Hauser, von einem »Todesurteil« für Österreich sprach, stimmte doch die Mehrheit der Volksvertretung unter feierlichem Protest für die Unterzeichnung. Die betont nationalen Großdeutschen votierten dagegen, die Tiroler Abgeordneten, verbittert über die Abtretung ihres Landesteils südlich des Brenners, enthielten sich der Stimme. Karl Renner reiste noch einmal nach Paris und unterfertigte am 10. September 1919 im Pavillon Henri IV. den Friedensvertrag von Saint-Germain. Die Österreicher selbst bezeichneten das Dokument fortan jedoch als Staatsvertrag.

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