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1.5 Idealtypische (theoretische) und realtypische (empirische) Führungsmodelle
ОглавлениеVereinigung der Theorien
Von 1950 an unternahmen amerikanische Wissenschaftler den Versuch, die von Fayol, Weber und Taylor geschaffene „klassische Theorie von Management und Organisation“ mit der „Schule der menschlichen Beziehungen“ zu vereinigen. Warren Bennis vom Massachusetts Institute of Technology bezeichnete diese Gruppe als „Revisionisten“.
Zwei Gruppen
Die neuen führungstheoretischen Modelle waren zunächst noch rein theoretischer Natur, wurden aber im Verlauf der 1960er-Jahre empirisch fundiert. Im Rahmen der wissenschaftlichen Systematisierung entstanden mehrere begriffliche Zuordnungen beziehungsweise Klassifikationsgruppen. So unterschied eine von vielen Einteilungen etwa zwischen
idealtypischen Ansätzen und
realistischen Ansätzen.
Theoretische Ansätze
Erstere sind theoretischer Natur, so zum Beispiel die weiter vorn beschriebene Typologisierung von Führungsstilen durch Weber oder die Kontinuum-Theorie von Robert Tannenbaum und Warren Schmidt (s. u.). Hier wird das Führungsverhalten nach dem Ausmaß der Entscheidungsfreiheit der Mitarbeiter angeordnet. Die Verhaltensspanne reicht vom extrem autoritären bis hin zum Laisser-faire-Führungsverhalten.
Realtypische Ansätze
Zu den realtypischen Ansätzen gehören die im Kapitel E dieses Buches beschriebenen Führungskonzepte, so etwa das Grid-Modell. Es handelt sich hierbei um den Versuch, empirisch abgesicherte Effizienzaussagen über Führungsstile zu treffen.
Die folgenden vier Studien erlangten große Bekanntheit.
Iowa-Studie
Experimente zum Erziehungsstil
Den ersten Versuch, empirisch fundierte Aussagen über Führungsstile zu machen, unternahm der aus Deutschland in die USA emigrierte Begründer der modernen Sozialpsychologie Kurt Lewin (1890–1947) mit Schülern. Seine Erziehungsstil-Experimente begründeten seinen wissenschaftlichen Ruhm. Er wollte die Auswirkungen unterschiedlichen Führungsverhaltens auf das Leistungsverhalten von aggressiven Kindern studieren.
Die zugrunde gelegten Führungsstile waren „autoritär “, „demokratisch“ und „laisser faire“.
Stil | Charakteristika | Wirkung |
Autokratisch | – Entscheidungsgewalt allein beim Leiter– subjektive Lob- und Kritikäußerung– unpersönliche Rolle des Führers | – mehr Feindseligkeit, Aggressionen, Rivalität– Unzufriedenheit, größere Nachgiebigkeit gegenüber dem Leiter– dafür Spannungsreduktion an einem „Prügelknaben“ |
Demokratisch | – Entscheidungen durch die Gruppe– Nennen verschiedener Lösungen– freie Partnerwahl– objektive Lob- und Kritikäußerung– Führer als Gruppenmitglied, jedoch keine aktive TeilnahmeM | – mehr Äußerungen mit „Wir-Charakter– mehr Kreativität– Gruppengefühl und Freundlichkeit |
Laisser-faire | – Führer hält sich völlig fern vom Gruppengeschehen | ähnliche Ergebnisse wie bei der autokratischen Atmosphäre |
Lewin kam zu dem Schluss, dass das unterschiedliche Verhalten in demokratischen, autokratischen und anarchischen Situationen kein Ergebnis der Persönlichkeit oder des Führungsverhaltens, sondern eine Wirkung der Atmosphäre insgesamt (Gesamtsituation!) ist.
Michigan-Studie
Mitarbeiter- gegen Leistungsorientierung
Im Jahre 1947 stellten Forscher der Universität von Michigan die Frage nach dem richtigen Führungsverhalten. Sie gingen jedoch zunächst davon aus, dass Mitarbeiterorientierung (employee orientation) und Leistungsorientierung (production orientation) zwei Extrempunkte einer Dimension sind.
Das Stilkontinuum
Hierfür wurde der Begriff Michigan-Stilkontinuum geprägt. Die Managementforscher gingen von der Annahme aus, dass, wenn man das eine Ziel verfolgt, man das andere aus den Augen verliert. Dies verwarfen sie jedoch später und kamen zum gleichen Ergebnis wie die nachstehend beschriebene Ohio-Studie. Ein Mehr an Mitarbeiterorientierung muss also nicht durch ein Weniger an Aufgabenorientierung erkauft werden und umgekehrt genauso. Jedoch waren sie der Meinung, dass langfristig die Mitarbeiterorientierung zu höherer Leistung führt, während die Leistungsorientierung nur bei kurzzeitiger Erhöhung der Produktivität erfolgreich ist.
Kritik
Schon früh meldeten sich Kritiker zu Wort und bemängelten unter anderem, dass keine situativen Einflüsse berücksichtigt wurden und das Führungsgeschehen so komplex ist, dass es außer den zwei Kriterien noch weitere wichtige Bedingungen für den Führungserfolg geben müsste.
Tannenbaum/Schmidt-Modell
Sehr bekanntes Modell
Eines der bekanntesten Modelle, Führungsstile auf einem eindimensionalen Kontinuum zu beschreiben, ist das Führungsstil-Kontinuum nach Robert Tannenbaum und Warren Schmidt (1958), die nach dem Subjekt der Willensbildung/Entscheidung grundsätzlich zwischen autoritärem und kooperativem Führungsstil unterscheiden, jedoch auf einem Kontinuum graduell insgesamt sechs Stile (autoritär, patriarchalisch, beratend, konsultativ, partizipativ, delegativ) differenzieren.
Die sechs Stile
Die sechs Stile bedeuten:
1 Autoritär: Der Vorgesetzte entscheidet und ordnet an.
2 Patriarchalisch: Der Vorgesetzte entscheidet; er ist aber bestrebt, die Untergebenen von seinen Entscheidungen zu überzeugen, bevor er sie anordnet.
3 Beratend: Der Vorgesetzte entscheidet; er gestattet jedoch Fragen zu seiner Entscheidung, um durch deren Beantwortung die Akzeptanz zu erreichen.
4 Konsultativ: Der Vorgesetzte informiert seine Untergebenen über seine beabsichtigten Entscheidungen; die Untergebenen haben die Möglichkeit, ihre Ansichten und Einschätzungen zu äußern, bevor der Vorgesetzte die endgültige Entscheidung trifft.
5 Partizipativ: Die Gruppe entwickelt Vorschläge; aus der Zahl der gemeinsam gefundenen und akzeptierten möglichen Problemlösungen entscheidet sich der Vorgesetzte für die von ihm favorisierte Lösung.
6 Delegativ: Die Gruppe entscheidet, nachdem der Vorgesetzte zuvor das Problem aufgezeigt und die Grenzen des Entscheidungsspielraums festgelegt hat. Der Vorgesetzte fungiert als Koordinator nach innen und außen.
Unterschiedliche Spielräume
Der Entscheidungsspielraum des Vorgesetzten nimmt in der Dimension nach rechts immer mehr ab. Der einzelne Mitarbeiter beziehungsweise die Gruppe erhalten mehr und mehr Entscheidungsspielraum. Der Prozess der Lösungsfindung ändert sich von eigener Entscheidungsfindung und Durchsetzung durch die Führungskraft hin zu Entscheidungen der Gruppe und rein koordinativem Verhalten des Vorgesetzten.
Ohio-State-Studie
Militärische Führung im Fokus
Die 1947 begonnene Studie der Ohio-State-University sollte klären, wie sich Führungsverhalten auf das Individuum und die gesamte Gruppe auswirkt. Erstes Untersuchungsfeld war der militärische Führungsbereich, für den man den so genannten LBCQ (Leader Behavior Description Questionnaire) mit 150 Fragen entwickelte, aus dem später der Supervisory Behavior Description-Fragebogen entstand.
Neun Faktoren
Mitarbeiter sollten nun anhand der folgenden neun Faktoren ihre Vorgesetzten beschreiben:
1 Integration
2 Initiative
3 Mitgliedschaft
4 Repräsentation
5 Organisation
6 Domination
7 Kommunikation
8 Anerkennung
9 Leistungsbetonung
Erfolg hängt auch vom Ziel ab
Nach Auswertung der Fragebögen wurde deutlich, dass sich erfolgreiches Führungsverhalten nicht allein aus diesen Faktoren ergibt. Man kam zu dem Schluss, dass Führungserfolg nicht nur von den sozialen Beziehungen zu den Geführten abhängt, sondern ergänzend von der Ausrichtung auf das gemeinsame Ziel.
Aus diesen Ergebnissen wurden letztendlich folgende zwei Dimensionen abgeleitet:
1 Mitarbeiterorientierung (employee centered)
2 Sachaufgaben-/ Leistungsorientierung (production centered)
Vier Kombinationen
Diese zwei Dimensionen münden in die abgebildeten vier Führungsstilkombinationen. Im Gegensatz zur Michigan-Studie soll ein erfolgreicher Führer Ausprägungen in beiden Grunddimensionen aufweisen. Diese Überlegung wurde später von Robert Blake und Jane Mouton in ihrem Grid-Modell konkretisiert.
Ergänzende und vertiefende Informationen zu diesen Themen finden Sie im Kapitel E 2 dieses Buches.
Ohio-State-Leadership-Quadrant
Group-Dynamic-Studien
Zwei Funktionen
Diese Richtung geht von zwei elementaren Führungsfunktionen aus:
1 Erreichen der Gruppenziele und
2 Zusammenhalt der Gruppe.
Daraus ergeben sich als zentrale Führungsfunktionen die
Lokomotionsfunktion (Zielerreichung) und die
Zielfunktion (Zusammenhalt der Gruppe).
Diese Dichotomie zieht sich durch die gesamte Theoriediskussion beziehungsweise Führungsliteratur der 1960er- und 1970er-Jahre.
Führungsmodelle nach dem Grad der Dimensionierung
Eindimensional oder zweidimensional
Eine andere Art der Klassifikation basiert auf der Betrachtung der Anzahl der den Modellen zugrunde liegenden Dimensionen. Demnach gehört das Kontinuummodell von Tannenbaum und Schmidt sowie die Einteilung von Lewin in die Führungsstile autoritär, demokratisch und laisser faire zur Gruppe der eindimensionalen Modelle. Die an den Staatsuniversiäten von Michigan und Ohio entstandenen Modelle haben zweidimensionalen Charakter, ebenso die Group-Dynamic-Studien. Sie alle basieren auf zwei Dimensionen, aus deren Kombination unterschiedliche Führungsstile resultieren.
Dimensionen der Modelle
Dreidimensionaler Ansatz
Da das im Kapitel E 4 vorgestellte 3D-Führungsmodell neben der Mitarbeiter- und Leistungsorientierung zusätzlich noch die Situation integriert, spricht man von einem dreidimensionalen Ansatz.
Die Dimensionen im Überblick:
eindimensional: Michigan-Studie, Tannenbaum/Schmidt, Lewin
zweidimensional: Grid, Ohio-Studie, Group-Dynamic-Studien
dreidimensional: Reddin, Hersey und Blanchard
Kritik: Wichtige Aspekte werden ausgeblendet
In der Diskussion des Lewinschen Ansatzes und der Studien der Universitäten von Ohio und Michigan wurde immer wieder kritisiert, dass wesentliche Begleitumstände für den Führungserfolg ausgeblendet blieben, so beispielsweise die Persönlichkeit des Vorgesetzten, die Situation beziehungsweise das Umfeld, in dem sich Führer und Geführte bewegen, oder die Beziehungen in einer Arbeitsgruppe, vor allem zwischen dem Führer und den Geführten. Als Folge hiervon bildeten sich weitere Schulen heraus, von denen die Eigenschaftentheorie und die Situationstheorie den größten Bekanntheitsgrad erlangten. Zu erwähnen wäre aber auch ein deutscher Ansatz, dessen theoretische Leistung darin besteht, die amerikanischen Führungsmodelle relativiert zu haben. Gemeint sind die Beiträge von Oswald Neuberger, Lehrstuhlinhaber für Personalwesen und Führung an der Universität Augsburg.