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Vor den Toren Münsters, Oktober 1533

Markus war voller Sorge. Seit Wochen war Anna in der Stadt. Doch außer einigen knappen Botschaften hatte er nichts von ihr gehört. Er verstand zwar, dass sie sich zurückhalten musste, um nicht aufzufallen, aber er wurde langsam wahnsinnig vor Sorge!

Er musste in die Stadt, er hielt es nicht mehr aus. Alles wäre besser als diese Ungewissheit! Gemeinsam mit Hauptmann von Waldow überlegte er, wie man dies bewerkstelligen konnte. Sein Vorgesetzter war nicht besonders erbaut davon, dass ausgerechnet Markus nach Münster wollte, aber er sah ein, dass es sinnlos war, es dem jungen Mann ausreden zu wollen, und so dachten sie gemeinsam nach.

Was ihnen einfiel, war zwar voller Risiken und Unabwägbarkeiten, doch erschien es Markus und seinem Vorgesetzten als die einzige Möglichkeit.

Jetzt stand er vor den Männern, die eingeweiht waren, ein wenig abseits des Lagers, und sah sie an. Markus trug keine Uniform, sondern alte und verschlissene Sachen, sein Gesicht war schmutzig und seine Haare strähnig. Im Grunde wirkte er wie jemand, der seit Tagen oder sogar Wochen auf der Flucht war.

»Ihr wisst, was zu tun ist?«

Astheimer nickte grimmig.

»Ja, aber es gefällt mir nicht. In Ravensburg, da hätte ich dich zu gerne zum Teufel gejagt. Aber hier? Nein, Markus, das ist doch …«

»Es muss sein.« Er legte dem großen Mann eine Hand auf den Arm. »Glaub mir, es gibt keine andere Möglichkeit.«

Astheimer seufzte, sah zu Bachmüller und Dunzweiler, die nur mit den Achseln zuckten.

»Dann lass uns mal anfangen.«

Markus nickte erneut, lächelte flüchtig.

»Ihr wisst, ich komme wieder.«

»Wenn nicht, komm ich dich holen«, brummte Bachmüller. »Und wie wir das Max erklären sollen, das weiß ich auch noch nicht.«

Der Hüne und beste Freund von Markus hatte nicht eingeweiht werden können. Die Gefahr, dass er sich verplapperte, war zu groß. Markus wusste, es würde seinem Freund wehtun, aber am Ende würde er es verstehen.

»Dann los«, grinste Astheimer.

Markus drehte sich um und rannte los, weg von seinen Gefährten, die noch etwas warteten und dann hinter ihm herliefen.

Der junge Soldat drehte sich nicht um, als er die schweren Schritte Astheimers hörte, der ihn schon beinahe eingeholt hatte. Er brach durch das dürre Gebüsch, dass die Straße nach Münster säumte, wandte sich nach rechts und lief, als wenn der Leibhaftige hinter ihm her wäre.

»HALTET DEN DESERTEUR!«

Dunzweiler brüllte, so laut er konnte. Der Effekt war wie erwartet. Die Wachen am Tor starrten in ihre Richtung, einer pfiff laut und mehrere Bewaffnete stürmten die Straße hinunter, Markus entgegen. Als er sie erreichte, packte ihn einer und warf ihn in den Staub.

»Halt still oder dein Kopf rollt alleine weiter«, zischte der Wachsoldat. Die anderen bildeten einen Ring um ihn.

»Anhalten!«, rief jetzt einer den Kameraden des im Staub liegenden Markus zu. »Was soll das?«

Astheimer und seine Kameraden blieben stehen.

»Das da«, zischte Dunzweiler, »ist ein feiger Deserteur. Wir jagen ihn seit drei Tagen. Übergebt ihn uns, damit wir ihn aufknüpfen können.«

»Stimmt das, Bursche? Bist du abgehauen?«

Markus wurde unsanft auf die Beine gestellt und senkte den Kopf.

»Ja, Herr«, murmelte er.

»Und warum?«

»Spielt das eine Rolle?«, fauchte Dunzweiler. »Dieser feige Hund will nicht gegen euch kämpfen, wenn es so weit ist. Faselt was von Taufe und dass unser Glaube falsch ist und was weiß ich.«

Der Anführer der Wache überlegte, dann traf er eine Entscheidung.

»Wenn er aus den Gründen, die Ihr sagtet, geflohen ist, genießt er vorläufig den Schutz Münsters. Wir werden den Fall besprechen. Wenn wir entscheiden, dass er nur ein einfacher Deserteur ist, nehmen wir euch die Arbeit ab und ihr könnt ihn dort«, er deutete auf eine Zinne auf der Mauer, »hängen sehen.«

»Das glaubt Ihr selber nicht! Der kommt mit uns!«

Astheimer drängte sich in den Vordergrund und zog seinen Beidhänder langsam aus der Scheide.

»Hoho, langsam!« Der Anführer der Wachen, die deutlich in der Überzahl waren, musste fast schon grinsen. »Ihr seid nur zu dritt. Aber Euer Benehmen zeigt mir, dass ich mit meiner Entscheidung Recht habe. Ihr trollt euch besser alle drei, bevor wir euch Beine machen.«

Er trat einen Schritt nach vorne. Dunzweiler legte eine Hand auf die Astheimers.

»Nun gut, für den Moment werden wir uns zurückziehen.«

Langsam gingen sie rückwärts, bis sie weit genug entfernt waren, und sahen dem immer kleiner werdenden Markus nach, der von den Wachen in die Stadt gezerrt wurde.

»Gott sei mit dir, Markus«, murmelte Bachmüller, bevor sie sich abwandten.

W

Hauptmann von Waldow saß in seinem Zelt. Zum wiederholten Mal fragte er sich, ob sie nicht ein zu großes Risiko eingingen, doch ohne die Informationen, die sie dringend benötigten, würde es beinahe unmöglich sein, die Stadt zu Fall zu bringen. Dazu nur die kargen Nachrichten, die er über die Grimaldinis erhielt. Es schien schwierig zu sein, sich in Münster frei zu bewegen, und die Menschen waren misstrauisch und sprachen in der Öffentlichkeit nicht viel.

Er erinnerte sich an Wien, wo sie trotz erheblicher Unterzahl die Stadt gegen die Sarazenen erfolgreich verteidigt hatten. Es war immer schwieriger, eine gut verteidigte Stadt zu erobern als sie zu halten, rief er sich ins Gedächtnis.

Bischof von Waldeck hatte zähneknirschend dem Plan zugestimmt und versprochen, die erforderliche Summe, die von Waldow dem Gauklerfürsten zugesichert hatte, aufzubringen. Gleichzeitig zog er immer mehr Truppen rund um Münster zusammen.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu offenen Kampfhandlungen kommen würde. Er schrak auf, als Astheimer in das Zelt trat.

»Auftrag ausgeführt, Hauptmann. Er ist in Münster.«

»Gut«, nickte von Waldow. »Ich hoffe, wir müssen ihn nicht an der Mauer hängen sehen.«

»Oh, Markus ist pfiffig, er weiß, was er tut«, bekam er als Antwort.

»Das stimmt«, musste der Hauptmann zugeben. Er hatte kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Aber nach wie vor sah er keine andere Möglichkeit. Er brauchte Markus’ militärischen Verstand in der Stadt, um wirklich zu wissen, ob sich die Stadtbefestigung überwinden ließ, wo es vielleicht eine Lücke gab, die man ausnutzen konnte.

Astheimer nickte noch einmal, dann ließ er von Waldow alleine mit seinen Gedanken.

Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit

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