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Im Gauklerlager, Neujahr 1534

Elisabeth lag wach auf ihrem schmalen Bett, wälzte sich von einer Seite auf die andere. Jedes Mal, wenn der Schlaf begann, sie zu übermannen, sah sie das Gesicht von Katrina vor sich.

Sie sah die wächsern-bleiche Haut, die Augen blutunterlaufen, das Wasser lief ihr aus den nassen Haaren über das Gesicht.

»Mama, warum? Ich habe nichts Unrechtes getan. Warum musste ich so jung sterben?«

Wieder und wieder sah Elisabeth, wie der Inquisitor an ihrer Tochter die Hexenprobe vornehmen ließ, die ihre Unschuld bewies. Allerdings war das Ergebnis das Gleiche, als wenn man sie verurteilt und verbrannt hätte. Sie war tot. Ertrunken. Gemeuchelt.

Die Tränen liefen heiß über Elisabeths Gesicht.

»Katrina. Es tut mir leid.«

Sie gab sich selber die Schuld an dem, was geschehen war. Wäre sie nicht so vehement gegen die Beziehung zum Schönen Albrecht gewesen, hätte sie ihrer Tochter erlaubt, sich mit ihm im Wagen zu treffen, dann wäre sie nicht verhaftet worden. Und der grausame Tod hätte sie möglicherweise nicht ereilt.

Elisabeth stand auf, zog sich nur einen Mantel über ihr Nachthemd und eilte aus dem Wagen. Der kalte Wind, der an ihren Haaren zog, machte ihr nichts aus. Sie spürte nicht, wie ihre Füße im kalten Schnee versanken.

Wie in Trance durchquerte sie das Lager, strebte dem nahen Wald entgegen, aus dem ihr Katrina entgegensah.

»Ich komme, mein Kind«, flüsterte sie, beschleunigte ihre Schritte. »Bald sind wir wieder vereint.«

»Nein, Mama. Nicht. Es ist nicht Recht. Du musst leben.«

Elisabeth stockte.

»Warum? Ohne dich ist alles sinnlos.«

»Nein, Mama. Es ist nicht sinnlos. Sag das nicht.«

»Doch. Ich bin schuld an deinem Tod.«

»Das stimmt nicht. Nur ich bin schuld. Ich hätte auf dich hören sollen. Albrecht hat mir den Kopf verdreht, mir eingeredet, dass er mich liebt. Und, was hat er getan, als uns die Soldaten erwischten? Er ist feige davongelaufen und hat mich im Stich gelassen. Du hattest Recht, Mama. Er war es nicht wert, meine Jungfräulichkeit an ihn zu verschwenden.«

Elisabeth blieb stehen, nur wenige Schritte trennten sie noch von dem Wald. Nur wenige Minuten noch von ihrer letzten Reise, die sie anzutreten gewillt war.

»Aber was soll ich hier noch?«

»Mama, glaub mir, du wirst wieder glücklich werden. Nicht hier, nicht jetzt. Aber es wartet etwas auf dich.«

»Was? Sag es mir, Katrina.«

»Das darf ich nicht, Mama. Aber ich darf dir sagen, dass du nicht zu streng mit dir sein darfst. Und du sollst Markus nicht dafür verdammen. Er ist ein Opfer, so wie ich eines war, wie du eines bist. Und doch, er ist am Ende der Schlüssel. Vertrau mir. Hilf ihm.«

Elisabeth zuckte zusammen. Ausgerechnet Markus, der Mann, der als Gehilfe des Inquisitors dafür gesorgt hatte, Leid und Elend über die Truppe zu bringen.

»Markus? Ich hasse ihn!«

»Das darfst du nicht. Er ist ein guter Mensch. Und er wird alle Hilfe brauchen, die er bekommen kann. Er und Anna.«

Aus dem Nichts erschien eine Hand, streichelte das Gesicht der weinenden Frau.

»Katrina, ich vermisse dich so.«

»Ich weiß, aber ich bin immer in deiner Nähe. Und nun, Mama, geh zurück, geh in dein Bett, schlaf. Und wenn du erwachst, vergiss nicht, dass ich bei dir bin. Tu das, was du am besten kannst. Hilf Tariq, hilf denen, die zu dir kommen.«

Das Gesicht vor ihr löste sich auf.

»KATRINA! GEH NICHT!«, rief Elisabeth, doch ein Windhauch verwehte die letzten Gesichtszüge.

Wimmernd ließ sie sich zu Boden sinken, warf sich mit dem Kopf voraus in den Schnee.

»AU! VERDAMMT!«, fluchte sie und schlug die Augen auf.

Verwirrt sah sie sich um, stellte fest, dass sie in ihrem Wagen auf dem Boden lag und sich den Kopf gestoßen hatte. Langsam richtete sie sich auf und glaubte, ein leises Lachen zu hören.

»Ja, du hast Recht, mein Kind.«

Sie stand auf, zog sich an und verließ den Wagen, sah sich um. Die Sterne verblassten langsam, die Sonne ging auf. Nach und nach verließen die anderen Frauen ihre Wagen, sahen Elisabeth und staunten. Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte sie wieder.

Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit

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