Читать книгу Gewalt des Glaubens: Kampf um die Freiheit - Werner Diefenthal - Страница 25
ОглавлениеWie jeden Tag öffnete sich die Tür zum ›Krug‹ pünktlich zum Mittagsläuten, und Christian Gehring, der älteste Sohn des Wirtes Thomas, trat ein. Anna hatte sein Mittagessen bereits vorbereitet und trug es zusammen mit einem Krug dunklen Bieres an den Lieblingstisch Christians.
Schmunzelnd setzte der Mann sich hin, nickte anerkennend.
»Dich einzustellen war die beste Entscheidung, die mein Vater in den letzten zehn Jahren getroffen hat, Anna! Du leistest hervorragende Arbeit!«
Anna knickste leicht und senkte bescheiden den Kopf.
»Danke, Herr!«
Dann kehrte sie zum Spülbecken hinterm Tresen zurück, fuhr fort, die Weingläser der vornehmen Herrschaft zu polieren, und spitzte die Ohren. Es war Freitag, und da tagte der Stadtrat, in dem Christian einen Sitz hatte. Thomas lehnte sich interessiert über die Theke.
»Lass hören, was macht der Stutenbernd?«
Seit Bernd Rothmann das Abendmahl nur noch mit Weißbrot feierte, wurde er im Volk hinter vorgehaltener Hand und nicht ohne Belustigung ›Stutenbernd‹ genannt, aber seit einigen Wochen wurden jene, die lachten, immer leiser. Christian fuhr sich missmutig durch den Bart. Genau wie sein Vater machte er den Mangel an Haaren auf dem Kopf am Kinn wett, nur war sein Bart noch nicht ergraut, sondern kräftig braun.
»Er redet immer mehr von der Erwachsenentaufe, verkündet, die Kindstaufe wäre falsch. Und das nicht nur in seinen Predigten in der Kirche, er hat dasselbe heute auch vorm Rat erklärt. Die Leute werden immer unruhiger. Ich sage dir, Vater, bald passiert hier in der Stadt etwas.«
Anna merkte sich jedes Wort genau. Es wurmte sie, dass sie nicht alles verstand. Dass die Gehrings Lutheraner waren, und das mit Leidenschaft, hatte sie begriffen. Es gab kaum noch Katholiken in Münster, nur noch der Dom und die Klöster der Stadt waren katholisch, die sechs Pfarrkirchen lutheranisch. Darauf hatte man sich zu Beginn des Jahres geeinigt.
Was genau das bedeutete, wusste Anna nicht. Sie hatte bei den sonntäglichen Messebesuchen nur festgestellt, dass es in den Pfarrkirchen keine Heiligenbilder mehr gab. Sie war nie sonderlich religiös gewesen, daher war ihr weder der Unterschied zwischen den Katholiken und den Lutheranern klar, noch inwiefern sich das, was Rothmann mittlerweile predigte, von der Lehre der Lutheraner unterschied. Sie wusste nur, dass es deswegen in der Stadt brodelte.
Umso genauer musste sie zuhören und alles genau so, wie es gesagt worden war, weitergeben. Sollte sich Hauptmann von Waldow darüber den Kopf zerbrechen, was davon wichtig war!
Eigentlich lag ihr etwas ganz anderes im Magen, aber sie wagte nicht, danach zu fragen. Als Christian von alleine davon anfing, hielt sie den Atem an.
»Dieser Soldat, den sie als Deserteur verhaftet haben, sitzt immer noch im Gefängnis. Er redet genau dasselbe wie Rothmann, will unbedingt getauft werden! Ich befürchte, er wird der erste werden, den Rothmann hochoffiziell zu Gott bringt!«
Anna schlug das Herz bis hinauf in die Kehle. Sie hatte die Stadtsoldaten Markus durch die Straßen zerren sehen, dass er sich kaum auf den Beinen hatte halten können. Seither befürchtete sie jeden Tag, ihn auf dem Schafott entdecken zu müssen. Als sie nun Christian Gehring reden hörte, platzte es aus ihr heraus.
»Ihr meint, er wird hingerichtet?«
Erstaunt sahen Christian und Thomas sie an, und dann lachte der jüngere Mann.
»Nein, Kleine! Rothmann wird ihn taufen! Nicht heute und nicht morgen, aber irgendwann wird er ihn für seine Zwecke benutzen!«