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Kapitel VI A. D. 195, März Cumails letzter Bericht

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Magische Worte hallten eindringlich durch die Dunkelheit, die den Geist enthielt, der einmal ein Druide gewesen war. Diese Dunkelheit war beinahe alles, was der Geist wahrnehmen konnte, nichts anderes … außer eben diesen Worten. Sogar sich selbst erkannte der Geist nicht als Mensch, als Druiden, geschweige denn die eigene Identität, die sich früher Cumail genannt hatte. Nur ein reiner Geist, schwebend in der Finsternis und unstet in allem, was auch nur entfernt einem Willen, einer Absicht oder einem Ziel hätte entsprechen können. Der Geist Cumails schwebte und war einfach. Auch wie lange dieser Zustand schon andauerte, wusste er nicht, denn er dachte nicht, fühlte nicht. Umso erstaunlicher war die Tatsache, dass der Geist die Worte überhaupt wahrnehmen konnte.

Je länger er aber das Geflüsterte vernahm und je mehr Worte sich den vorherigen hinzufügten, desto klarer schienen sie in der Finsternis als winzige Fünkchen aufzuleuchten. Jedes Licht erlosch sofort wieder, wenn das dazu passende Wort verklungen war. Nur ein schwacher Nachhall hing in der Dunkelheit und schien auf etwas zu warten.

»Fy mbrawd wedi marw, llongyfarchiadau i ti! Cymer fy rhodd, defnyddia dy ail gyfle di a wranda: Fydd yna ddim un arall, felly ei ddefnyddia e yn iawn! Bydded ti'n cael dy rwymo arna i am byth a chyfodi di'n fuan!«

Das war es, was der Geist hören, aber noch nicht verstehen konnte. Die Worte regten etwas in ihm, was schon einmal da gewesen sein musste. Wie ein Ertrinkender, der sich an den Geschmack eines einzigen Tropfen Wassers erinnert, klammerte sich der Geist an das Echo der Worte. Der Hauch eines Willens entstand, der Wunsch aus dieser unendlichen Schwärze aufzutauchen ans Licht. Und prompt verebbten die Echos der nur ein einziges Mal ausgesprochenen Worte nicht, sondern kamen in gleichen Wellen wieder und wieder und wieder …

Der Geist sah die Worte wie einzelne Lichtwellen heranrollen, hielt sich daran fest … und blieb an der Oberfläche. Immer noch verstand der Geist nicht, was das sollte, doch alles schien besser zu sein, als dumpfes Nichtexistieren in endloser Nacht.

Stunden vergingen, die nur die Menschen wahrnahmen, die um die Reste des Körpers versammelt waren, die einmal zu dem Geist und Menschen Cumail gehört hatten.

Dann plötzlich erschien es dem Geist gar nicht mehr so, als kämen und gingen die Wortfunken in Wellen. Sein Geist hatte - an für ihn unsichtbaren Bahnen entlang - einen Weg durch die Finsternis gefunden und totes Fleisch nahm nach langer Zeit echtes Licht wahr. Und es war auch kein Nachhall der Worte mehr notwendig, um die Lichter stetig blinkend auf tiefschwarzem Grund zu erhalten.

Für den Zeitraum einer Ewigkeit – oder auch nur eines Wimpernschlages – hing der Geist an der Schwelle zu einem Reich, dass die Cruithin Anderswelt nannten. Die Stimmen früherer Gefährten, Freunde, geliebter Menschen riefen nach ihm, lockten ihn und nannten ihn bei seinem Namen.

Cumail.

Komm zu uns.

Verlasse die Welt mit all ihrem Leid und Schmerz.

Sei glücklich mit uns.

für alle Ewigkeit.

Er hätte nur zu gerne geantwortet, aber das Ding, in dem er nun steckte, gehorchte nicht seinem Willen, der nun – zumindest zu einem Teil – sich wieder geformt hatte.

Ich war Cumail, dachte er und kaum hatte er diesen Gedanken formuliert, schrie etwas in ihm auf, das ihn quälte. Aber sein Kopf war immer noch tot, nur sein Geist hatte seinen alten Platz eingenommen und erhielt durch die Nervenbahnen und immer noch aufgerissenen Augen weit entfernte Lichtpunkte zugesandt.

Das sind Sterne, erkannte er und sofort rasten weitere Gedanken durch sein Gehirn, das gerade anfing, sein unendlich verzweigtes Netz mit Energie aus einer unbekannten Quelle zu neuem Leben zu erwecken.

Beinahe hätte Cumail ein zufriedenes Gut gedacht. Noch bevor er in der Lage war, dies zu tun, schossen blendend helle Blitze durch alles, was er war, was er jemals gewesen war und möglicherweise wieder sein könnte und fegten wie ein Gewitter aus Myriaden gleißender Feuer durch ihn hindurch. Hätte er die Gewalt über seinen Mund besessen – und hätte er den passenden Körper samt Lunge dazu gehabt – so hätte er in allergrößter Pein grässliche Schreie in die Nacht ausgestoßen. Doch so konnte das Inferno sich nur in seinem Kopf austoben und riss ihm für den Moment die Fähigkeit davon, auch nur den Funken eines weiteren klaren Gedankens zu formulieren.

Wie als wollten das Schicksal, die Götter oder die Macht, die ihn in die verlorene Welt zurückzurufen schienen, eine Atempause gönnen, passierte nach diesem Lichtgewitter lange Zeit gar nichts mehr. In Erinnerung seines alten Körpers hatte er den Eindruck, als würde er wie nach einer unglaublichen Anstrengung, einer alles auslaugenden Qual endlich zur Ruhe kommen, den Atem unter Kontrolle bringen, das Durcheinander einer neuen Ordnung weichen.

Aber er hatte keinen funktionierenden Körper.

Er hatte nur einen Kopf.

Doch diese Erkenntnis erlangte er erst, als sich der nächste Schritt vollzog.

Die Wunde, die ihm zugefügt worden war und seinen Kopf von seinem Körper getrennt hatte, brannte wie Sonnenglut. Glühend heiß sengte die Wunde und mitten in der Tortur fühlte er, dass sie doppelt brannte! An beiden Enden!

Wie kann ich beide Teile fühlen?

Aber er hatte keine Zeit weiter darüber zu grübeln, denn nun loderten für ihn unsichtbare Feuer auf, die alles umfassten, was seinem Körper angetan worden war. Jedes einzelne Stück, das verloren schien, abgebissen, ausgerissen, fortgetragen oder verschluckt, flammte auf und brannte, brannte, brannte!

Das einzige Mittel, das ihm zum Ausdruck seiner Schmerzen gegeben war, waren seine Augen. Wenigstens seine Lider gehorchten seinem Befehl und sie öffneten und schlossen sich unentwegt und Tränen schossen hervor und liefen heiß das neu erwachte Fleisch seiner Wangen hinab.

»Es beginnt«, hörte er eine Stimme sagen, die ihm vertraut schien und der er anhörte, dass sie fasziniert und erschrocken zugleich klang.

Er wollte ihr antworten und sie anflehen ihm zu helfen oder ein Ende zu machen, es war ihm egal. Doch nicht einmal das war ihm vergönnt, denn jetzt gesellte sich zu dem unerträglichen Brennen ein Ziehen. Als würde sein Körper in Hunderte Teile zerlegt sein und jedes einzelne an einem scharfen Haken hängen, an dem jemand zu zerren begann.

Natürlich konnte er nicht wissen, dass sein Leib momentan aus ebenso vielen Einzelteilen bestand und sich anschickte, sich wieder zu einem Ganzen zu fügen.

Und er konnte auch nicht wissen, dass die Ratten, die ihm diese Teile abgebissen hatten, nun tot am Boden lagen und die von ihnen verdauten Teile sich an den Körperstellen neu bildeten, zu denen sie einst gehört hatten.

Cumail war so in dem Schmerzorkan gefangen, dass er nicht fühlen konnte, wie sich Stück für Stück an ihn fügte. Es war ein grausames Feuer, keine erhebende Glut, die einen wärmt oder mit Freude erfüllt, sondern eine andauernde Marter, die nicht zu enden schien.

Er musste mehrmals das Bewusstsein verloren, wiedererlangt und erneut verloren haben, denn als er den nächsten klaren Gedanken fassen konnte, hatte er den Eindruck, nein, das Gefühl, wieder in einem Körper zu stecken. Doch noch war die Wandlung nicht gänzlich vollzogen. Jetzt dröhnte alles, was er war, unter den Schlägen eines unsichtbaren Hammers, der ein weißglühendes Eisen auf dem Amboss in die gewünschte Form schlug. Bei jedem Schlag zuckten seine Glieder und bebten zitternd nach, bis sie der nächste Schlag traf. Sein Kopf schien zerplatzen zu wollen und er wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Seine Beine und Hände vibrierten, wenn wieder der Hammer niederfiel. Es dauerte lange, sehr lange, bis die Wucht der Schläge nachließ und noch länger, bis er erkannte, dass die Schläge einen Rhythmus hatten, der nichts anderes war als sein eigener Herzschlag.

So als könne er es nicht glauben, tat sein Verstand alles, um nur nicht das zu denken, was offensichtlich war. Dann wieder kam es ihm vor, als sei es ein fürchterlicher Scherz der Götter, die ein Spiel mit ihm trieben, bevor sie ihm endgültig den Einlass in die Anderswelt gewährten. Cumail konnte nicht sagen, wie lange er so dalag, dem Verebben der Schmerzen nachspürte und zunächst nichts anderes hörte, als seinen sich beruhigenden Herzschlag und seinen Atem.

»Bruder?«, hörte er nach einiger Zeit die Stimme wieder, die vorhin – vor wie langer Zeit? – die Worte gesprochen hatte, deren Bedeutung er nun wieder wusste. Und er wusste nun auch, wer sie ausgesprochen hatte.

»Meister?« Sein eigenes Wort kam ihm seltsam vor, so als spräche ein anderer mit seiner Stimme.

»Cumail, mein Bruder? Geht es dir gut?« Yan mac Ruiths Stimme war gleichzeitig herzerwärmend besorgt, und trotzdem ein Bestandteil der alten Welt. Er wollte aber in die Anderswelt.

Meine Ahnen rufen mich.

Ich möchte zu ihnen.

Und ein glasklarer Teil seines Verstandes dachte die Weisheit, die alle Druiden wussten: Wiedererweckt zu werden war kein Glück, sondern ein Fluch. Niemand sollte von der Schwelle zur Anderswelt gerissen werden.

Ich will zurück!

Es wurde ihm klar, dass er nicht umsonst wiedererweckt worden war. Und das nicht von irgendjemandem, sondern vom Oberhaupt des Druidenordens. Cumail musste sich dazu zwingen, seine Augen zu öffnen und sah im ersten Moment nur dunkle Schemen in einem noch dunkleren Raum stehen. Ein roter, flackernder Schein im Hintergrund musste ein Feuer sein, denn aus der gleichen Richtung drang verhaltene Wärme zu ihm. Er wunderte sich ein wenig, dass er diese mäßige Wärmequelle spüren konnte, nach dem versengenden Brand, der ihn eben noch umlodert hatte. Aber seine Haut schien völlig intakt und nicht zu schwarzer Asche verbrannt.

Nun, faltig ist sie immer noch, dachte er. Ich war vorher alt und bin es auch jetzt noch. Die Wiedererweckung macht einen nicht jünger.

Ein Teil in ihm war dankbar für diese Tatsache und nur ein verschwindend kleiner Rest fühlte über diesen Umstand Bedauern. Doch nur sehr wenig.

Cumail blinzelte ein paar Mal und fühlte eine Schale an seinen Lippen. Tatsächlich waren sein Mund, seine Zunge und sein Rachen eine einzige Wüste. Er öffnete die Lippen und behutsam wurde ihm Wasser gegeben, das er hastig hinunterschluckte.

»Langsam, mein Freund«, erklang Yans Stimme zu seiner Rechten und noch einmal blinzelte Cumail und sah, dass die Wasserschale von Airmed gerade neu gefüllt wurde. Sie führte sie ein weiteres Mal an seinen Mund und nun trank er weniger gierig. Dabei blickte er sich um und erkannte natürlich die Menschen, die ihn umringten.

Yan mac Ruith, mit einem traurigen Gesichtsausdruck und überdeutlicher Ungeduld in den Augen.

Airmed, die nun die Schale zur Seite legte und begann, ihn mit einem nassen Tuch das Gesicht und den Hals zu reinigen.

Ich bin nackt, dachte er in einem Anflug von Panik. Aber zu seiner Beruhigung, und Enttäuschung, regte sich sein Glied nicht, obwohl er natürlich wie alle Männer des Ordens auf Ynys Môn – ob nun jung oder alt – nicht übersehen konnte, dass Airmed der Inbegriff eines perfekten Weibes war.

Und dann war da noch Púca, der neue Talente zu entwickeln schien, denn er legte ihm mit einer so belanglosen Geste einen Umhang über seine Blöße, dass es Airmed nicht auffiel. Sie drückte ihr Tuch in einer großen Schale mehrfach aus, feuchtete es erneut an und fuhr fort, ihn zu waschen.

Cumail hätte dies bis zu seinen Zehen genossen, doch seine abgeklärte Vernunft – und die Anwesenheit der beiden anderen Männer – hielten ihn davon ab, sich ohnehin unerfüllbare Träume zu machen.

Sie wäre ein Grund, noch einige Jahre auf dieser Seite zu bleiben, dachte er und lächelte sie an.

Sie lächelte freundlich zurück, erhob sich aber und nahm Tuch und Schale mit sich, die sie auf einem Tisch abstellte, um sich ihm anschließend wieder zuzuwenden. Erst jetzt sah sie den Stoff auf seinem Schoß liegen und verstand sofort, warum dieser dort lag. Eine Röte huschte über ihr Gesicht, dass auch Yan mac Ruith, dem nach außen hin immer kühl und distanziert wirkenden Obersten ihres Ordens, nicht verborgen blieb.

»Du weißt, mein Freund«, begann er und setzte sich neben Cumail auf einen Stuhl, »dass ich dich niemals dieser … Prozedur unterzogen hätte, wenn es nicht von äußerster Wichtigkeit wäre, zu erfahren, was du erlebt und gehört hast.«

Airmed und Púca saßen bereits auf anderen Stühlen und hörten ihnen aufmerksam zu.

Cumail nickte zunächst nur, entschloss sich dann aber zu einer Antwort auf eine Frage, die noch gar nicht gestellt worden war.

»Ja, ich möchte in die Anderswelt. Und ich verlange von dir, Yan mac Ruith, Meister, dass du mir nach meiner letzten Antwort den Weg dorthin nicht mehr versperrst.« Dabei klang seine Stimme ruhig und beherrscht. Ohne Zweifel aber mit einem Unterton, der jedweden Einwand schon jetzt im Keim erstickte.

Yan nickte verstehend und schien sich bereits mit der Formulierung seiner ersten Frage zu befassen, während Airmed fasziniert und erschrocken zugleich aus ihren wunderschönen Augen auf ihn herabblickte. Púca hingegen hatte scheinbar längst mit diesem Wunsch gerechnet und zeigte nur Neugier in seinen Augen.

Er war schon immer ein gescheiter Mann, dachte Cumail bewundernd. Púca wäre sicher nicht in die Falle getappt, wie ich alter Trottel. Nicht umsonst hat Yan ihn als Spion eingesetzt.

»Wie hat sich Brannon deiner bemächtigt, alter Freund? Er besitzt keinerlei magische Kenntnisse und wir achteten sehr darauf, dass er keine Dinge erhält, aus denen er Schlafmittel oder Drogen hätte herstellen können.«

»Hahaha«, lachte Cumail zu ihrer aller Überraschung auf. Dann wandelte seine Stimme das Lachen in erstaunlich laute und sehr strenge Worte: »Wir naiv und einfältig wir doch waren! Ein einfacher Schlag auf meinem Hinterkopf streckte mich nieder und ließ mich bewusstlos werden. Und es war dieser Verräter Alain, der mir damit beinahe den Schädel zertrümmerte. Noch jetzt scheint mein Hinterkopf zu pochen.«

»Aber Alain sollte den Jungen bewachen! Vor allem von ihm hätte ich mir mehr … Distanz zu dem Jungen erwartet.«

»Hört endlich auf, von dieser Bestie als Jungen zu reden!«, fuhr Cumail sie heftig an und machte Anstalten, sich zu erheben. Doch dann ließ er den Oberkörper wieder sinken. »Wann hast du ihn denn das letzte Mal gesehen, Yan?«, fragte er und bedauerte den Vorwurf sofort. Im Grunde waren er und Púca Brannons Lehrmeister gewesen, und Yan mac Ruith nur relativ selten. Die Führung des Ordens und andere Aufgaben hielten Yan mehr von der selbst auferlegten Pflicht ab, als ihm lieb gewesen sein konnte.

»Und wie konnte er dich nach deinem Erwachen daran hindern, ihm deinen Willen aufzuerlegen?« Dem Ordensmeister war anzusehen, dass die Antwort, die er schon zu wissen schien, gehörige Angst einjagte.

Cumail schüttelte den Kopf. »Genau weiß ich es nicht. Aber ich vermute, auf die gleiche Weise, wie er sich seine Bewacher, allen voran Alain, gefügig gemacht hat. Brannon hat eine Art an sich, die wie eine lautlose Schlange die Witterung ihres Opfers aufnimmt, es verfolgt und sich mit unendlicher Geduld an es heranschleicht. Doch anstelle eines raschen Zustoßens ist sein erster Angriff wie die Ankündigung eines Hauches, noch nicht einmal ein leichter Luftzug, eher ein zartes Wispern. Und ich kann dies erst jetzt erkennen. Hätte ich es damals gefühlt, auch nur den vagen Ansatz dazu, hätte ich mich wehren können.« Sein Blick ging nun wie zwei Dolche direkt in die Augen Yans. »Wir müssen Methoden und Strategien entwickeln, um dieses schleichende Gift abzuwehren.«

»Aber er hatte von keinem von uns auch nur ein Wort darüber erfahren, wie man anderen Wesen seinen Willen aufzwingt …«, warf Púca ein.

»Vielleicht hat sich die Erinnerung dieses Wissens von seinem Vater auf ihn übertragen«, fuhr Cumail unheilschwanger fort und machte ein Gesicht, als hätte Yan in einen Spiegel geschaut und seinen finstersten Ausdruck darin geübt. »Túan war selbst dem Einfluss der Tafel erlegen und merkte es nicht einmal. Zumindest nicht, soweit es uns bekannt ist.«

Airmed hatte die ganze Zeit geschwiegen, trotzdem aber jedes einzelne Wort mit größter Aufmerksamkeit verfolgt.

»Wie viel glaubt ihr, hat Brannon von seiner Mutter geerbt?«, fragte sie in die entstandene Stille und sah die drei Männer nacheinander an. »Sie war eine Römerin, adliger Herkunft, und – soweit ich weiß – völlig unberührt von jeglicher druidischer Kunst. Warum konnte ihr Erbe das verhängnisvolle Gift des Steines nicht ausgleichen, das Brannon scheinbar von seinem Vater erhielt?«

Für mehrere Augenblicke konnte niemand darauf eine Antwort finden. Dann entschloss sich Púca, ihr zu antworten.

»Vielleicht gab sie ihm nur alles Körperliche, während sein Geist – unbeabsichtigt, wie ich vermute und betonen möchte – von Túans … Leid beeinflusst wurde. Aber das ist reine Spekulation. Wir wissen nichts über solche Vorgänge … es gab bisher keinen einzigen ähnlichen Fall.«

Yan mac Ruith nickte bestätigend. »Púca und ich haben mit den ältesten Druiden des Ordens diesen Punkt ausführlich erörtert. Niemals zuvor hat jemand von einem Mann gehört, welcher der Macht der Unheiligen Tafel erlegen war und unter diesem Einfluss ein Kind gezeugt hatte.«

Dann wandte er sich wieder an Cumail.

»Es ist jetzt nicht mehr von Belang, herauszufinden, wie und warum Brannon zu dem wurde, was er nun ist …«

»Falsch, Meister!«, fiel ihm Cumail unerwartet ins Wort. Doch niemand rügte ihn für diese Respektlosigkeit. »Er ist noch längst nicht das, was er einmal sein wird.«

Bevor die anderen etwas erwidern konnten, fuhr der alte Druide fort.

»Ihr habt ihn niemals so gesehen, wie ich ihn gesehen habe. Er verändert sich … nicht nur in seiner wachsenden Bosheit und Aggressivität, sondern auch körperlich.«

Er sah zu Airmed hinüber und fragte sich, ob sie schon so gefestigt war, dass sie seine nächsten Worte verkraften würde. Schlussendlich hatte er keine Wahl und sah ihr in die Augen.

»Er wächst immer noch, obwohl er schon jetzt mindestens Yans Größe erreicht hat. Er hasste seine glatte, reine und unbehaarte Haut. In diesem Punkt hat er wirklich ein Erbe seiner Mutter erhalten. Auch sein Gesicht zeigt viele Merkmale ihrer Schönheit. Und doch ist er in der Lage, aus diesem anziehenden Antlitz eine abstoßende Fratze zu formen. Er hasste seine makellose Haut so sehr, dass er sie mit Haut- und Fellfetzen von Tieren … und Menschen bedeckt hat.«

Cumail sah die entsetzten Blicke seiner Zuhörer und wusste, dass er ihren Schrecken noch erweitern würde, mit dem, was er weiter zu berichten hatte.

»Du sagtest gerade: er hasste seine makellose Haut?«, warf Púca ein und zeigte nun ein Lauern im Blick, dass an den Brans, Túans Wolf, erinnerte. Jeder wusste, wie das Tier seinem Herrn in die Anderswelt gefolgt war.

»Ja, er hasste sein Aussehen«, sprach Cumail weiter. »Aber kurz vor … meinem Tod entfernte er die grässlichen Zierden seines Körpers und zeigte mir etwas, was mich mehr erschütterte, als alle Schmerzen und Grausamkeiten, die er mir angetan hatte.«

Er schloss für eine Sekunde die Augen, so als wolle er das Bild Brannons sich in Erinnerung rufen – oder gerade verhindern, dass ihn der schreckliche Anblick wieder quälte -, doch dann öffnete er wieder die Augen und sprach tonlos weiter.

»Alle Stellen seiner Haut, die er mir enthüllte, waren übersät mit roten und braunen Punkten, nein, Ausbuchtungen, von denen ich gar nicht wissen will, wie weit sie noch wachsen und sich verändern werden. Ein jeder von uns hätte alle Mittel und Wege versucht, sich diese Wucherungen zu entfernen, doch er … er schien sie zu begrüßen.«

Cumail wurde von Ekel geschüttelt, sodass die anderen Drei befürchteten, er könne plötzlich einen Anfall wie Túan erleiden und endgültig sterben, doch Cumail beruhigte sich wieder und fuhr fort.

»Er strich mit seinen Fingern in einer Art darüber, die ich nur als … liebkosend bezeichnen kann.« Dann blickte Cumail wieder auf. »Er schien zu wissen, dass dies nur der Anfang eines Prozesses sein würde, an dessen Ende …« Er hielt inne und es war offensichtlich, dass er überlegte, einen Namen für das zu finden, in was sich Brannon möglicherweise, nein, höchstwahrscheinlich, verwandeln würde.

»Ein Dämon.« Airmed war es, die das Wort aussprach, das allen im Kopf herumspukte.

»Noch schlimmer als das«, ergänzte Cumail und sah nun Yan in die Augen.

»Ein Dämon … der weiß, wo sich das Versteck der Tafel befindet.«

»Und das sagst du uns erst jetzt?!«, rief Yan und sprang von seinem Stuhl so heftig auf, dass dieser umfiel. Doch kaum stand er, wurde ihm klar, dass es längst zu spät war.

Cumail nickte ihm zu und sprach die Worte, die keiner von ihnen hören wollte.

»Ich war noch nicht tot, als er schon seine Sklaven zur Höhle schickte, um die Tafel zu holen.«

Dämon der Spiegelkrieger

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