Читать книгу Die Witwe und der Wolf im Odenwald - Werner Kellner - Страница 16
ОглавлениеKapitel 12
Katra Romanescu, geboren am Sonntag 27.11.2004 in Rescita, ledig. Ihr Vater Konstantin war ein arbeitsloser Trinker, die Mutter Valentina arbeitete als Putzfrau. Katra war vor der mittleren Reife von der Realschule in Rescita abgegangen, träumt von einer Modelkarriere in Deutschland, wird von der Mafia in der Seniorenoase als Sexsklavin gehalten.
Marbach Stausee, Montag 31.8.2020, 08:00 Uhr
Maxim saß in seinem Büro im Erdgeschoß der Pflegeoase „Jungbrunnen“ und unterschrieb gerade drei neue Werkverträge für ‚Reinigungskräfte‘ im Heim, nachdem er die Beschreibung der Mädchen geprüft hatte, die sein rumänischer Vermittler über seinen Sicherheitschef der Seniorenoase angeboten und geliefert hatte. Der Agent erfüllte Maxims Spezifikation, was Alter, Aussehen und den familiären Hintergrund der Mädchen anbelangte wie immer perfekt.
Die gutaussehenden Mädchen waren wie gewünscht sehr jung und stammten durchweg aus desolaten Familien. Die Eltern der Mädchen waren froh, dass wenigstens ein Familienmitglied Geld verdiente. Er hatte wie immer die Altersangaben der jungen Dinger im Werkvertrag für die Aufsichtsbehörde und das Einwohner Meldeamt passend gemacht. Den üblichen Eignungstest für den Spezialservice des Hauses mit der hübschesten von allen, der sechszehnjährigen Katra, hätte er direkt auf seiner Besuchercouch erledigt, wenn ihm sein Boss aus Kaliningrad sein Lieblingsprogramm nicht über den Haufen geworfen hätte.
Das Telefonat mit seinem Boss vor drei Tagen war diesmal anders gelaufen als üblich. Vitali hatte erstmal über die Disziplinlosigkeit seiner Leute getobt, und mit Konsequenzen gedroht und vor allem seinen Besuch in der Seniorenoase mit entsprechend rauem Unterton angekündigt.
Was hatte sich dieser Idiot von Oliver bloß dabei gedacht. Einen derart unprofessionellen Schlägertrupp auf diesen Investigativreporter zu hetzen, um ihn mundtot zu machen. Das wäre eine Stümperei sondergleichen gewesen und komplett an seiner Anweisung vorbei. Jetzt fehlten gerade noch der Steckbrief der beiden und eine Hausdurchsuchung beim Wachschutz des Heims.
‚Ob es stimmen würde‘, wollte er wissen, ‚dass einer der beiden Schläger sogar erkannt worden wäre?‘
Dass Oliver ständig in seine eigenen Taschen wirtschaftete, das war eine Sache, die dem Boss seit langem ein Dorn im Auge war. Aber dass Oliver leichtfertig die Sicherheit der ‘Gesellschaft’ mit seinen schlampig geplanten und ausgeführten Einbrüchen und jetzt mit dieser Schlägerei aufs Spiel setzte, das war zu viel des Guten. Maxim ließ den Boss reden und dachte, dass er das gefälligst selber regeln sollte. Beim nächsten Besuch kündigte Vitali jedenfalls ein Vieraugengespräch mit Oliver als letzte Warnung an.
Maxim wollte nicht widersprechen, um den alten Mann nicht weiter aufzuregen. Vitali wäre ihm fast an den Hals gegangen, wenn nicht die Onlinesprachverbindung dies unmöglich gemacht hätte, und Vitali kam dann auch sofort auf sein Hauptanliegen zu sprechen, nämlich darauf, wie schlecht sich das Geschäft unter lokaler Führung entwickeln würde.
Nach Maxims Ansicht war daran eindeutig und noch immer Corona schuld.
Die Entwicklung auf dem Drogenmarkt für harte Drogen hatte sich seit dem Corona Ausbruch rapide verschlechtert, obwohl es mehr Drogentote als im Vorjahr gab. Aber der Trend zu Drogen hatte sich tendenziell weg von Heroin zu Kokain und den chemischen Modedrogen entwickelt. Insbesondere seit die Methadonzentren geschlossen waren und vielleicht auch wegen der Häufung coronabedingter, sozialer Abstürze quer durch die Gesellschaft steigerte sich zwar der Drogenkonsum wieder langsam, aber davon konnte die Opiummafia wenig profitieren.
Die übrigen Geschäftsfelder der Organisation warfen ebenfalls coronabedingt weniger ab, und Maxim musste eingestehen, dass die weiteren Aussichten noch schlechter waren, als sie bei der Videokonferenz vorausgesehen hatten. Und das, obwohl sie alle Register für Abhilfemaßnahmen gezogen hatten.
Maxim betonte mehrmals, dass er momentan seine ganze Energie immer noch darauf verwenden müsste, um das Heim im Odenwald aus dem Fadenkreuz der ‚Lügen Presse‘ zu holen, welche ausländische Investoren und deren miserable Pflegeleistung zu überhöhten Kosten anprangerte. Er griff dann gerne auf die in Querdenkerkreisen so populär gewordenen Begriffe wie ‚Fake News‘ und ‚Lügen Presse‘ zurück, wenn es um die Suche nach einem Sündenbock ging. Diese Pressekampagne musste sofort beendet werden, denn eine Stilllegung des Heims wäre eine Katastrophe, vor allem für Maxim, der ja persönlich dafür haften würde.
Vitali erinnerte Maxim eindringlich an die Beschlüsse der Videokonferenz vor wenigen Wochen. Man konnte die Spannung, die sich zwischen den beiden aufbaute, knistern hören.
Maxim wechselte mehrmals im Gespräch die Gesichtsfarbe und blieb so ruhig, wie er konnte.
Nach Ansicht des Bosses lief vor allem der Ausbau des Opioidgeschäftes wegen ungenügender Produktivität und Vermarktung nicht schnell genug. Er wollte Aktionen sehen und keine Scheißzahlen, wie er sich ausdrückte.
Das Depot mit Rohopium sei voll, warf er Maxim vor, und er hätte die Anlieferung neuer Ware bereits zum zweiten Mal stoppen müssen.
Maxim sah das als Versuch des Anführers, von seinem eignen Versagen abzulenken.
Der zwischenzeitlich „graue“ Anführer der Organisation wollte ein Austrocknen seiner Geldquellen um jeden Preis verhindern und deutete an, dass er sich direkt und vor Ort um die Produktivität kümmern werde, wenn nicht bald ein Erfolgssignal von Frank käme. Maxim beobachtete kühl, dass der Anführer nicht mehr die Kraft von früher hatte, wenn es um die Durchsetzung von Disziplin ging. Seine Zähne wurden stumpf und sein Gebell lauter.
Bisher waren Maxims Pläne, die er gemeinsam mit Frank Koch entwickelt hatte, und die er unabhängig von Corona eingeleitet hatte, um das Drogengeschäft in ein quasi-legales Geschäftsmodell umzubauen, sauber und erfolgreich umgesetzt worden.
Sie hatten Anfang des Jahres mit einer gezielten Übernahme eine Produktionsstätte gefunden und zum Laufen gebracht. Vitali hatte ihm sogar einen Spezialisten aufgezwungen, der Erfahrung in der Opium-Veredlung hatte. Der hatte die Infrastruktur des ausgewählten Start-ups, das der Chef der Drogenküche Frank Koch als Basis für die geplante Produktion aufgekauft hatte, auf Eignung geprüft und für gut befunden.
Die junge Mannschaft des Start-ups wollte ursprünglich mit ihrer eigenen Entwicklung eines synthetischen Medikaments in das Schmerzmittelgeschäft einsteigen und hatte bereits eine Prototyp-Produktionslinie aufgebaut. Der eigentliche Vorteil lag in dem Knowhow des Start-ups, was die Anforderungen für die Zulassung von Medikamenten bei den zuständigen Behörden anbelangte. Dazu zählten auch die Hygiene und Sauberkeitsanforderungen in der Produktion mit ‚Reinraumcharakter‘. Nach dem Erwerb des Start-ups und der Übernahme des Knowhows erfolgte sofort der Umstieg auf die Opium-Veredelung, und die Start-up Gründer wurden aus der Firma gedrängt, die jetzt als ‚Pharmatecc – GmbH & Co. KG‘ als Tochtergesellschaft der Stiftung ‚Jungbrunnen‘ in Darmstadt ins Handelsregister eingetragen wurde.
Mit dem Übergang in die industrielle Massenproduktion war das dann schon eine andere Nummer. Es ging um die Hochskalierung der Produktionsprozesse, und Vitali behauptete, dass sie wieder seine Unterstützung bräuchten. Klar, wenn die Produktivität sowie die verfügbare Rohopiummenge höher wäre, könnten sie massenhaft das Rauschgift auf den Schmerzmittelmarkt werfen.
Ein kleines Problem, aus dem der Boss jedoch ein großes machte, betraf den bisherigen schlechten Marktzugang für rezeptfreie Opioide, weil die Zulassungsbehörde das bisher verhindert hatte, aber sie arbeiteten daran. In den USA explodierte der Markt geradezu, und hier hinkten sie hinterher. Sie arbeiteten sogar daran, ihre Produkte in die USA direkt zu liefern, aber die regulären Lieferwege waren zu kompliziert, zu aufwändig und zu teuer. Es bliebe wieder nur Drogenschmuggel, der zwar lukrativ, aber auch sehr risikoreich war.
Vitali hatte seinen Besuch gemeinsam mit zwei Spezialisten für die Massenproduktion für den Nachmittag angekündigt.
Ein Blick auf seine Armbanduhr genügte, um ihn daran zu erinnern, dass seine Gäste in fünfundvierzig Minuten mit einer Aeroflotmaschine von Kaliningrad über St. Petersburg kommend auf dem Rhein-Main-Flughafen in Frankfurt landen würden, von wo er sie direkt nach Darmstadt zu der Besichtigung der Anlage unter Frank Kochs Leitung bringen würde. Er versprach sich sehr viel von der Inspektion und steuerte seinen protzigen SUV auf die B 45 in Richtung Frankfurt.
Den Eignungstest mit Katra würde er in den nächsten Tagen nachholen.
Der lief ihm nicht weg.