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7. Kapitel

Tanja Sommer fuhr nach Wandsbek. Die Wohnung von Otto Bergheim lag in Mariental, einer gehobenen Wohngegend. Das Haus, in dem er gewohnt hatte, war eine hübsche Stadtvilla. Sechs Partien bewohnten das Haus. Otto hatte im Dachgeschoss gewohnt, in einer Zweizimmerwohnung mit schrägen Wänden. An der Wohnungstür klebten noch Reste des Polizeisiegels. Das Herz klopfte Tanja bis zum Hals, als sie die Tür öffnete. Es roch nach Tabakrauch. Er steckte noch in den Tapeten und Gardinen. Otto war ein starker Pfeifenraucher gewesen. Eine typische Junggesellenwohnung, stellte Tanja fest. Selbst der letzte Abwasch stand noch in der Spüle. Die Wohnung befand sich tatsächlich in dem Zustand, wie ihn die Polizei beschrieben hatte, durchwühlt. Schranktüren standen offen, Schubladen waren ausgekippt, ihr Inhalt lag auf dem Fußboden verstreut. Viele Bücher, die einmal im Regal gestanden hatten, lagen teils aufgeschlagen auf den Sesseln und der Couch. Offensichtlich hatten die Einbrecher selbst zwischen den Buchseiten gesucht. Aber was hatten sie gesucht? Und haben sie es gefunden? Das war die Frage. Und wonach suche ich, dachte Tanja? Ging es um den ominösen Chip, den der Informant erwähnt hatte? Was Tanja auch ansah oder in die Hand nahm, alles schien belanglos zu sein. Das Gefühl, die Intimsphäre eines Menschen zu verletzen, beschlich sie. Es war eine dumme Idee, hierher zu kommen, befand sie und war gerade im Begriff, zu gehen, als ihr Blick auf eine Fotografie fiel. Eine Gruppenaufnahme im Format 13 x 18 in Farbe. Offensichtlich war sie von den Einbrechern aus einem Rahmen gerissen worden, um hinter das Passepartout nach Verstecktem zu schauen. Tanja hob das Foto auf und drehte es um. „Studienabschluss 25. Mai 1991“ stand auf der Rückseite mit der Hand geschrieben.

„Wie sind Sie hier hereingekommen? Was haben Sie hier zu suchen? Wer sind Sie?“, sagte eine forsche Stimme hinter ihr.

Tanja zuckte zusammen.

„Mein Gott, haben Sie mich erschreckt!“, sagte sie und drehte sich um. Hinter ihr stand ein Mann, circa 1,80 Meter groß, sportliche Figur, dunkler Anzug und mit einem Gesichtsausdruck wie eine Kobra, die gleich zubeißen wollte. Ein Typ wie diese Sicherheitsleute, die immer um Politiker und Promis herumscharwenzeln. Nur der Knopf im Ohr und das gedrillte Kabel, das zur Sende und Empfangseinheit führte, fehlten, dachte Tanja bei seinem Anblick. „Das Gleiche könnte ich Sie auch fragen!“, sagte sie, als sie den Schreck überwunden hatte.

Er hielt einen Schlüssel in die Luft.

„Hiermit. Und Sie?“

Tanja hielt ihren Schlüssel ebenfalls hoch.

„Hiermit. Und bevor Sie weiterfragen, ich habe ihn von der Hausverwaltung. Und Sie?“

Der Typ grinste, kramte einen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn Tanja unter die Nase. „Roland Scheuer, Landeskriminalamt Hamburg.“

„Nun, was suchen Sie hier?“, fragte er erneut.

„Ich suche gar nichts. Ich besuche meinen ermordeten Kollegen?“, weiter kam sie nicht …

„Dann sind Sie also Frau Sommer, die Journalistin?“

„Woher wissen Sie das?“, unterbrach Tanja ihn und hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen, wegen der dummen Frage und die. Die Quittung kam prompt.

„Ich lese Akten und da steht eine Menge über Sie drin“, sagte er breit grinsend. Offensichtlich freute er sich über die gelungene Überrumpelung.

Tanja hielt es für das Klügste, klein beizugeben.

„Ja, ich bin Tanja Sommer und habe den Auftrag, ein Porträt über meinen Kollegen zu schreiben. Deshalb bin ich hier, um mir einen Eindruck zu verschaffen, wie er gelebt hat. Stellt Sie diese Antwort zufrieden?“

Roland Scheuer schien zu überlegen, was er als Nächstes fragen könnte, aber ihm fiel wohl nichts Intelligentes ein, deshalb wiederholte er, was schon beantwortet war.

„Und wonach haben Sie gesucht?“

„Sehen Sie sich doch um, was soll ich hier schon gesucht haben?“ Tanja beschrieb mit der Hand einen Kreisbogen. „Das haben offenbar andere schon gründlich besorgt. Oder?“

„Da haben Sie sicher recht“, bestätigte er.

„Aber Sie haben mir immer noch nicht verraten, aus welchem Grund Sie hier aufgetaucht sind“, fragte Tanja.

Roland Scheuer schaute ein wenig verlegen drein, so, als sei ihm die Antwort peinlich.

„Ich warte hier auf die Sozialbehörde. Eigentlich wollte sie schon hier sein, um die Wohnung auszuräumen, weil Herr Bergheim keine Angehörigen hat.“

„Und dazu schickt man einen Kriminalbeamten vom LKA als Aufpasser?“, sagte Tanja erstaunt.

Roland Scheuer schien sich in seiner Haut gar nicht wohlzufühlen. Er lächelte verlegen und zuckte mit der Schulter. Er wirkte wie ein Lausbub, der beim Äpfelmopsen erwischt wurde.

Ach, ist der süß, wenn er verlegen ist, dachte Tanja und fand ihn gar nicht mehr so unsympathisch.

„Na ja, irgendeinen Ansprechpartner müssen die Leute schließlich haben, wenn sie hier auftauchen, und ohne Schlüssel kommen sie auch nicht herein“, erklärte er.

Das klang in Tanjas Ohren plausibel und sie verzichtete auf weitere Fragen. Stattdessen kramte sie ihr iPad aus der Handtasche und sagte:

„Wenn das so ist, mache ich noch schnell ein paar Aufnahmen als Gedächtnisstütze für mein Porträt.“ Wegen ihrer Sehschwäche benutzte sie statt des Smartphones meist das iPad für ihre Arbeit. Der größere Bildschirms schonte die Augen. Sie schritt durch die Wohnung und knipste aus verschiedenen Perspektiven. Als sie fertig war, marschierte sie in Richtung Haustür und sagte:

„Schönen Tag noch. Ich fahr dann jetzt wieder in die Redaktion.“

Roland Scheuer stellte sich ihr in den Weg:

„Moment, Frau Sommer!“

Tanja wich einen Schritt zurück. Plötzlich hatte er wieder diesen Giftschlangenausdruck im Gesicht.

„Was soll das?“, fragte sie.

„Ich möchte Sie warnen“, sagte er.

„Wovor?“

„Machen Sie nicht den Fehler, sich in laufende Ermittlungen einzumischen. Das kann fatale Folgen für Sie haben.“

„Ist das alles? Wenn ja, dann lassen Sie mich jetzt durch, ich muss zur Arbeit“, fauchte Tanja.

Roland Scheuer trat etwas beiseite und sie quetschte sich an ihm vorbei zur Haustür hinaus. Sie fuhr zur Hausverwaltung. Die hatte ihr Büro am Mundsburger Damm. Sie gab den Hausschlüssel zurück und man versicherte ihr, dass es keine weiteren Ersatzschlüssel gab. Auch habe niemand von einer Behörde nach einem Schlüssel für die Wohnung gefragt. Sehr merkwürdig, dachte Tanja, maß dem aber keine besondere Bedeutung zu und fuhr zurück in die Redaktion.

Ein unsichtbarer Feind

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