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Einer gegen vierundzwanzig - Von Eduard Ritter v. Schleich

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as Spätsommer 1917 hatte ich eine schwere Ruhrerkrankung. Mein liebenswürdiger Stabsarzt befahl mir Bettruhe und strengste Diät, und, obwohl ich sowieso nur Schleimsuppe essen durfte, pumpte er mir auch diese täglich wieder aus dem Magen — kaum hatte ich sie hinuntergewürgt. So wurde ich allmählich immer schwächer, und wenn ich aufstehn durfte, saß ich hinterm Ofen — für einen Flieger ein ganz unwürdiges Dasein. Schließlich wurde mir das zu dumm. Ich ließ mir den Koch meiner Staffel und meinen ersten Monteur kommen, beide bekamen Sonderaufträge. Ersterer, ein kräftiges Hahn zu fangen und zuzubereiten, letzterer, mein Flugzeug, das nun schon acht Tage Ruhe hatte, durchzusehen und für den Nachmittag startbereit zu machen. Beide erhielten strengstes Schweigegebot.

Als mein Stabsarzt mit seinem Magenschlauch wieder zur Stelle war, verbat ich mir endgültig, mir aus dem Magen zu pumpen, was ich gar nicht drinnen hätte, war renitent, so dass er schmollend mein Zimmer verließ. Mittags verspeiste ich mit Riesenhunger meine Henne, die mir mein Koch heimlich hinten durchs Haus gebracht hatte, trank eine halbe Flasche Burgunder, rauchte eine dicke Brasilzigarre, schlief eine Stunde und dann — riss ich aus. Ich hatte mich heimlich in meinen Vogel geschwungen, und bevor einer etwas gemerkt hatte, hing ich schon oben im Blauen — Richtung Toter Mann — Verdun. Ich fühlte mich fabelhaft gesund und glaubte, alles wagen zu können, nachdem ich wieder mal etwas Essbares im Leib hatte. In dreitausend Meter ging’s über die Front. Außer dem „Onkel von Eix“, einem französischen Fliegerabwehr-Matador, hatte mich niemand bemerkt oder belästigt. So stieg ich auf viertausend Meter und kreiste über Verdun, als ich plötzlich mörderisches Abwehrfeuer erhielt. Da entdeckte ich auch schon links unter mir sechs Spads, die man auf mich aufmerksam oder — wie ich heute in meiner seit acht Tagen erstmalig wieder satten Stimmung annahm — vor mir warnen wollte. So überlegte ich nicht lange, drückte auf die feindliche Staffel zu, stürzte mich auf die hintersten und schoss in sie hinein, was die Läufe hielten. Einer begann auch bereits bedenklich zu wackeln und abzuhängen, so dass ich mich ganz dicht an seine Fersen heftete und — als ich nun gerade losschießen wollte, flogen mir weiße Phosphorstreifen in ungeahnten Mengen um die Ohren. Als ich zurücksah, saßen nicht weniger als drei Spads hinter mir, gedeckt von zirka zwölf weiteren, kurzum der Himmel hinter mir hatte sich verfinstert. Mein Gegner vor mir und seine fünf Kameraden waren verschwunden, dagegen tauchten von beiden Seiten noch annähernd je drei Stück auf, die auf mich zu hielten. Auch unter mir flog eine Kette, so dass ein Entkommen unmöglich war. Ich fing natürlich zu kurven an, weil mir das noch das sicherste Mittel schien, um kein Ziel zu bieten. Schließlich aber kurvte allmählich alles um mich herum, so dass ich mir wie eine Mücke in der Laterne vorkam. Nun wurde es mir aber — trotz meines feinen Hühnchens — im Magen allmählich sehr mulmig zumute, noch dazu, als so nach und nach der Ring um mich immer enger wurde und alle Augenblicke ein anderer, der mich gerade im Visier hatte, Zielübungen auf mich veranstaltete. Da schoss mir einer plötzlich von hinten her durch meinen Ohrenschutz in mein Visier, dass die Splitter flogen; gleich darauf fühlte ich einen Schlag auf mein linkes Handgelenk, ohne dass ich darauf achten konnte. In meinen Tragflächen entstanden allmählich immer mehr Löcher, bis es plötzlich einen fürchterlichen Krach tat und entsetzlich zischte, weißer Qualm aus meinem Motor kam und die Tourenzahl bedenklich nachließ. Nun half nichts mehr, ich musste heraus aus diesem Hexenkessel, auch wenn ich einen rammte. Ich riss meine Maschine fast senkrecht hoch und überzog sie, dass sie sich wie ein Kreisel in die Tiefe drehte. Als ich sie wieder langsam aufzurichten versuchte, saßen auch schon wieder drei hinter mir und jagten mich unter Salven über unsere Front in unser Hintergelände zurück, das ich mit Mühe und Not und meckerndem Motor erreichte.

Auf dem nächsten Platz, einem meiner früheren Flugplätze auf der Chassogne Ferme landete ich zur rechten Zeit, da durch das starke Kurven auch mein im Magen befindliches Huhn Bewegungen vollführte, als wollte es zum Schlunde wieder herausfliegen. Ich taumelte ordentlich, als ich ausstieg und musste mich erst fünf Minuten ins Gras legen, bevor ich mir den Schaden besehen konnte: Wassermantel kaputtgeschossen, Visier weg, im Motorgehäuse drei Schüsse und in der Maschine zählte ich außerdem noch dreiundvierzig Treffer, wovon sechs sehr gefährlich hätten sein können, da sie im Seitwerk saßen. Gerade wollte ich zum Telefonieren in die nächste Ortschaft gehen, da raste auch schon ein Auto an, und zu meinem Schrecken erblickte ich meinen Stabsarzt drinnen mit anderen meiner Herren. Das war das Schlimmste für mich, denn nun war der Schlauch, der mein sowieso schon rebellisch gewordenes Huhn wieder ans Tageslicht befördern sollte, auch nicht mehr ferne. Ein ordentliches Geschimpfe erhob sich gegen mich, den Führer der Jagdstaffel 21. Wie man so etwas überhaupt machen könne, in diesem Zustand, da könnte ich von Glück sagen, das; ich nicht mausetot sei, und ich müsste jetzt vierzehn Tage ins Bett und mein Zimmer würde hermetisch versperrt und so fort. Na, nun hatte ich den Salat. Meine Herren hatten den Kampf beobachtet, und da ich abhandengekommen war, sofort gedacht, dass ich die Mücke unter den vierundzwanzig war. Da sie sagten, das müsse unbedingt schief ausgehen, waren einige gleich mit dem Arzt nach vorne gefahren, während der Rest unser Prestige in der Luft wieder herzustellen versuchte und nach meinen Gegnern fahndete. Meine Maschine wurde abmontiert und mit dem Transportwagen zurückgeschafft, während ich wie ein Gefangener unter Bewachung in mein Bett transportiert wurde. So endete mein Ausflug auf eigene Faust und — ich muss es zugeben — ich wäre besser zu Hause geblieben! Aber im Bett kann man eben nicht kämpfen und nicht sterben — als Flieger. —

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