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Einleitung

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„(Manche sagen die Zukunft voraus), nachdem sie (ein bestimmtes) Wasser getrunken, wie der Priester des klarischen Apollo in Kolophon, andere, indem sie bei (bestimmten) Schlünden sitzen wie die, die in Delphi weissagen, und endlich noch andere, indem sie aus (bestimmten) Wassern die Dünste, (die ihnen entsteigen) einatmen wie die Orakelpriesterinnen bei den Branchiden (in Didyma)“ (Iambl. de myst. 3,2).

Die Vielfalt antiker Orakelmethoden war scheinbar unendlich und variierte vom einfachen Losorakel, dem Nicken einer Statue, der Reflektion eines Spiegels im Wasser einer heiligen Quelle über die Interpretation bestimmter Naturphänomene wie dem Rauschen der Eiche in Dodona, dem Flug der Vögel, der Bewegung der Fische bis hin zu Horoskopen, Feuer-, Traum-, Totenorakeln und direkter göttlicher Inspiration. Jedem übernatürlichen Wesen – ja der Natur selbst – wurde auch eine gewisse Orakelfähigkeit zugesprochen. Die rein verbale Antwort auf eine an ein übernatürliches Wesen gestellte Frage bezeichnete man in der Antike wie in der heutigen Forschung allgemein als Divination. Dagegen leitet sich der heutige Begriff Orakel von dem lateinischen Wort oraculum (Sprechstätte) ab. Im antiken Griechenland nannte man den Orakelspruch chresmos, den Ort der Weissagung aber chresterion oder manteion. Nach dem aktuellen Forschungstand bezeichnen Orakel schließlich „Weissagungen, die an bestimmten Orten nach einem festgelegten Ritus und zu festgelegten Zeiten, an denen die Gottheit als anwesend gedacht war, erteilt wurden“ (Rosenberger 2001, 7). Der Begriff Orakel bezeichnet demnach nicht nur das Ritual oder den Orakelspruch allein, sondern ist immer auch in einem räumlichen Gesamtzusammenhang zu sehen, denn weit mehr als heute waren Orakel auch in der Topographie und Architektur der antiken Welt allgegenwärtig. Zwar gab es schon seit frühester Zeit in der gesamten antiken Welt wandernde Seher und Scharlatane, die den Menschen – in der Regel gegen gute Bezahlung – auf jedem beliebigen Marktplatz die Zukunft weissagten, doch entwickelte sich besonders in der griechischen Kultur in den Wirren der so genannten Dark Ages ein Phänomen, das für die nächsten 1000 Jahre nicht nur das Schicksal des Einzelnen, sondern ganzer Staaten und Königreiche bestimmten sollte – das griechische Orakelheiligtum. Kult und Ritual waren an diesen Orten eng miteinander verbunden. Nur bestimmte Götter, allen voran Apollon, waren in der Lage, in die Zukunft zu sehen und sich den Menschen zu offenbaren. Die „göttliche Absolution“ jedoch war es, die das Gewicht eines Orakelspruches ausmachte. Orakel waren auf diese Weise nicht nur normstiftend für die antike Gesellschaft, sondern besaßen vor allem legitimatorische Qualität. Da hier alle wichtigen politischen wie privaten Fragen beantwortet wurden, waren Orakelheiligtümer in der gesamten Antike Zentren moralischer Gesellschaftsbildung. Eine entsprechend angepasste Architektur bildete hierfür den notwendigen und würdigen Rahmen und bediente dabei nicht nur ästhetische, sondern vor allem kultische und praktische Anforderungen.

Die Kunst vom Wahn- und Wahrsagen

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