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Schnellstmöglichst mega

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Der Superlativ greift um sich. Dessen er habhaft werden kann, das grapscht er sich und bläst es auf. Aus Nichtigkeiten macht er: das Beste, das Größte, das Schärfste oder das Allerschlimmste. Was nicht gigantisch daherkommt, geht unter und wird unsichtbar, als existiere es nicht.

Telefonisch buchte ich ein Zimmer im Steigenberger Esplanade Hotel in Jena. Zunächst geriet ich in die Warteschleife und wurde von einer seifenreklamefreundlichen Automatenstimme »um etwas Geduld« gebeten. Zur Sedierung wurde Lullsoßenmusik gespielt. Es handelte sich also um einen jener Vorgänge, die allgemein nicht mehr als unangenehm empfunden, sondern als normal erachtet werden, weil man sich an den Niedergang gewöhnt hat und sich pragmatisch in ihm einzurichten versucht. Dazu bedarf es einer kosmetischen Sprache; dieselbe Telefonstimme versicherte mir, dass man sich »schnellstmöglichst« um mich kümmern werde. Bei »schnellstmöglichst« wurde ich endgültig hellhörig wach: doppelter Superlativ, das ist dann schon Superlativitis.

Wer sich verbal derartig die Beine ausreißt, hat keine Kraft mehr, seine Ankündigungen noch wahrzumachen; wo ein zweifacher Superlativ im Schaufenster liegt, da ist am Lager Ebbe. Rhetorisches Hyperventilieren führt zu nichts – außer zum Verlust von Sprache und Verstand respektive dem Rest, der davon noch übrig ist. Im Kult des permanenten Besten muss es den Superlativ unbedingt auch in verdoppelter Form geben: Die »bestgehütetsten« Geheimnisse werden gelüftet, der »bestverdienendste« und »bestaussehendste« Mann wird bestaunt, das »meistverkaufteste« Automobil bejubelt, das ist nun einmal »am optimalsten«, schließlich fährt es »schnellstmöglichst«. Der im Wort »schnellstmöglichst« sich manifestierende Zwang, mit jedem Satz die Bereitschaft zur Erringung eines goldenen Leistungsabzeichens zu demonstrieren, bringt das Simulationsleben im Konsumismus auf den Punkt: »schnellstmöglichst« sich und alles zur Ware machen, so gewinnstbringendst es gerade ebenst noch geht.

Das Dresdner Mercure-Hotel lässt sich gleichfalls nicht lumpen und bietet »Style und Design, Wohlfühl-Atmosphäre, persönlichen Service und beste Citylage. Hier lebt man als Vier-Sterne-Gast«. Dass eine Innenstadtlage automatisch eine »beste Citylage« sein oder doch wenigstens genannt werden muss, ist längst Pflicht und Ehrensache; eine »Wohlfühl-Atmosphäre« klingt entfernt nach hundehaufiger Reklame für Romika-Schuhe: »Reintreten und sich wohlfühlen.« Und als »Vier-Sterne-Gast« kann man es sich nicht einfach gut gehen lassen, da muss man etwas leisten, sonst wird ein Stern aberkannt und der Gast degradiert, wahrscheinlich zum Drei-Sterne-General.

Über die Stadt Chemnitz – früher: Karl-Marx-Stadt, noch früher: Chemnitz – wird auf einer Ansichtskarte verbreitet, sie sei »toll – super – nett – riesig – fantastisch – zauberhaft – liebenswert – einmalig – herzlich – prima«. Wer diesen Adjektivbeschuss überlebte, kann selbst nachschauen, wie ihm die sächsische Stadt gefällt. In Mode- und Mediensprech wäre sie aber unbedingt »mega«.

»Mega« ist überall, fällt aus jedem Mund, dringt in jedes Ohr. Kamerad Mitmensch macht zehnmal am Tag eine »Mega-Erfahrung« und findet das, wie es von ihm verlangt wird, entsprechend »mega-geil«. Die Nachrichtenillustrierte Der Spiegel klassifiziert einen Film als »Mega-Blockbuster« – ließe sich das gegebenenfalls noch steigern? Mit »SuperMegaDollyBlockwartBuster«? Oder muss es in Zeiten der gratis-in-die-Schuhe-schieberischen 68er-Dämonisierung statt Blockwart besser gleich »ErnstBlochwart« heißen?

Ohne Megaphon-Geschrei geht gar nichts mehr – je brüllendlauter, desto mega. Wer das griechische »mega« korrekt mit »groß« oder »Million« übersetzt, ist ein Altmodiker und damit »mega-out«; wer »MEGA« für die Abkürzung von »Marx-Engels-Gesamt-Ausgabe« hält, liegt zwar völlig richtig, wird aber in einer von Kenntnisfreiheit und stolzer Ignoranz durchprägten Informationsgesellschaft auf den Schrottplatz verwiesen. »Max ist tot!«, frohlockte bereits 1989 Norbert Blüm. Max? Welcher Max? Das Geheimnis seiner Botschaft erschloss sich in Blüms Mundart: Auf hessisch ist Marx eben: Max. Und vor allen Dingen: tot – also garantiert kein bisschen mega.

Im Sparadies der Friseure

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