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Versprecher und Versprechen

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Armer Papst. Beinahe vier Jahre lang wurde Benedikt XVI. bejubelt und als offizielles Maskottchen der Christenheit gefeiert. Seitdem Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum Papst gewählt worden war, herrschte Fußballstimmung, wo immer der Mann aufkreuzte. Die katholische Folklore erlebte eine gewaltige Renaissance. Schlau ergriff der als Kongregationsscharfmacher berüchtigte Ratzinger die Gelegenheit, auf dufte zu machen, herumzumenscheln und potentielle neue Kundschaft anzuschnacken. Vom Papamobil aus grüßte er alle Welt und inszenierte Andachten vor 250.000 Leuten; in Lourdes entließ er sich und sein Publikum beiderseits als geheilt. In ochsenblutrotem Schuhwerk sang er die lateinisch-liturgische Variante von »I did it my Way« – und kam mit all dem durch. Zwar empörten sich ein paar Tierschützer über den Hermelinbesatz seines Umhangs und seines Mützchens, doch das schlug nicht weiter ins Kontor. Zumal die deutsche Heimatpresse sich längst Bild angeschlossen hatte und unisono orgelte: »Wir sind Papst.«

Doch auf einmal war die Show vorbei, und die Journalisten wurden ganz, ganz mutig. »Holocaust-Gegner haben in der Kirche nichts zu suchen«, verkündete Caren Miosga am 2. Februar 2009 in einem Trailer für die von ihr moderierten ARD-Tagesthemen. Zwar handelte es sich um einen Versprecher, sie meinte offenbar Holocaust-Leugner, aber solche Unterschiede spielen in deutschen Medien keine große Rolle, hier spricht man auch von »polnischen Konzentrationslagern«, wenn man deutsche KZ in Polen meint. Frau Miosga zeigte, wie Fernsehen funktioniert: Hauptsache Schaum. Wenn man den als Haltung verkaufen kann, umso besser.

Was war los, was war passiert? Der Papst hatte solitär beschlossen, die Exkommunikation von vier Bischöfen aufzuheben, die einer Pius-Bruderschaft angehören, von deren Existenz kein aufgeklärter Mensch Kenntnis haben müsste. Irrsinn gibt es, in Kirchen wird er organisiert. Das ist nichts Neues. Teil des Glaubensabtrünnigen-Quartetts ist auch ein Richard Williamson, der den Holocaust für erfunden hält und die minimalzivilisatorischen Einlenkungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnt. Williamson ist ein Lefebvre’scher Traditionskatholik alter Schule, angetrieben vom Neid auf das Leid der Juden und vom Hass auf die Moderne. Im Leben Joseph Ratzingers gab es Zeiten, in denen er Williamson nicht sehr fern war. Doch während Williamson – wie auch der peinlich eitle Gegenpapst Hans Küng – auf dem Dissidententicket zu reüssieren suchen, war sich Ratzinger immer darüber im klaren, dass Macht nur im Mainstream zu haben ist und man also Kreide fressen muss.

Honoré de Balzac hatte eine treffende Vokabel für Journalisten; er nannte sie »Halbkameraden«. Das Wort gilt auch für die PR-Truppen des Papstes. Journalistische Jubelperser, die sich jahrelang trittbrettfahrend an den Medienpapst anflanschten, rangen auf einmal die Hände. »Sind wir noch Papst?«, fragte Maybritt Illner, als ob sie jemals Papst gewesen wäre. War sie noch bei Trost? Die taz erging sich in evangelischer Selbstbezichtigung und titelte: »Wir sind peinlich«. Wer wollte dem Blatt da widersprechen?

Die katholische Kirche ist, was sie war: ein Zeughaus der Heuchelei. Nahezu vier Jahre lang haben die sogenannten Leitmedien mitgeheuchelt und den Papst ikonisiert – um sich dann, bei Ahnung eines Skandals, eilig zu distanzieren. Das ist Heuchelei hoch zwei.

Privat kann jeder glauben, was er möchte. Wer sich mit seiner Religion in die Öffentlichkeit begibt, muss allerdings damit rechnen, auf Befremdnis zu stoßen, auf Widerspruch, auf Kritik und auf Spott – allein schon deshalb, weil es jede Menge Konkurrenzvereine gibt, von denen jeder seinen Glauben für den schönsten und besten hält. Der deutsche Papst Joseph Benedikt Ratzinger liebt es, Glaubenswidersacher niedrig zu machen und kleinzuholzen. Dass der Papst Gläubische schurigelt, könnte einem ja recht sein, wenn er nur nicht immerzu den eigenen Laden verherrlichte. Als notorischer Bessergläubischer zeigt der Papst der Religionskonkurrenz Geringschätzung und brüskiert regelmäßig Protestanten, Juden und Muslime, um sein eigenes Karnevalsunternehmen aufzuwerten. Das wirkt eher plump und stumpf als raffiniert und will nicht so recht zu dem durchtriebenen Theologen Ratzinger passen.

Wieso der Gnadenakt für den Antisemiten Williamson? Wollte der Papst damit nicht nur die Christenheit, sondern gleich auch die chronisch beleidigten Muslime mit versöhnen? Also eine deutsch-arabische, katholisch-muslimische Allianz schmieden, die ihren gemeinsamen Nenner in der Ablehnung des Judentums findet?

Das würde auch den Versprecher der ARD-Journalistin Caren Miosga nachträglich ins Recht setzen: »Holocaust-Gegner haben in der Kirche nichts zu suchen.« Falls Frau Miosga damit hätte sagen wollen, dass aufgeklärte Humanisten einen großen Bogen um die Kirche machen, sie hätte es nicht besser auf den Punkt bringen können.

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