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Über das Vertrauen

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Seitdem das Wort »Finanzkrise« in die medialen Ventilatoren geworfen wird, ist auch die Vokabel »Vertrauen« inflationär in Umlauf. Das Gerede vom Vertrauen ist das Echo des Krisengeschreis; der Vertrauenshöker folgt dem Finanzbetrüger wie ein Schatten. Wo betrogen wird, unterschlagen und gestohlen, müssen anschließend rhetorische Beruhigungsmittel ausgeschenkt werden. »Vertraue miiir ...!«, sang schon die Schlange Kaa in Walt Disneys Trickfilmadaption des »Dschungelbuchs« von Rudyard Kipling.

Um den kleinen Mowgli ungestört fressen zu können, bedurfte die Würgeschlange seines Vertrauens. Ähnlich überzeugend gebärden sich Vertreter von Wirtschaft und Politik, die »Rettungspakete schnüren«, »Regenschirme aufspannen« und um einen »Vertrauensvorschuss« werben, der ja längst gewährt und verspielt worden war.

Das Publikum wird versechsjährigt: Mutti Staat und Vati Wirtschaft bringen die Welt schon in Ordnung, und bald ist alles wieder gut. Hauptsache, alle gehen schön wählen und legitimieren durch solchen Vorschuss den Schaden. Gegen jeden Erkenntnisgewinn soll Vertrauen als carte blanche gegeben werden. Infantilisierung und Debilisierung sind nicht nur beim Kitsch mit »Knut« und »Flocke« die Hauptaufgaben der Medien. Denen genau deshalb nicht zu trauen ist.

Man kann jemandem trauen, und man kann sich etwas trauen. In diesem seligen Zustand kommt man auf die Welt. Später begegnet man dann Leuten, die viel von Vertrauen reden: Eltern, Kindergärtnerinnen, Lehrer. So lernt man, auf Sprache zu achten: Die Vorsilbe »Ver« sagt in diesem Fall sehr deutlich, dass man sich ver-traut hat, also jemand Falschem traute. Wenn der Pfarrer von Vertrauen spricht, zuckt der Ministrant zusammen: Aua, Kirche von hinten.

Dennoch gibt es gute Gründe, kein misstrauischer Mensch sein zu wollen. Man möchte nicht mit einem leninistisch verbissenen »Vertrauen ja, aber immer auch prüfen!«-Gesicht herumlaufen und das Arge, das man ja meiden will, durch permanente Vorhersicht erst anziehen. Kassandrahaften, sich selbst erfüllenden Prophezeihungen haftet etwas Miesepetriges an, und Zivilisationspessimismus verströmt immer auch den Hauch von billigem Parfüm. Ein Mensch, der fröhlich leben will, muss bereit sein, betrogen zu werden. Warum sonst heiraten Menschen?

Betrug und Verrat sind anthropologische Konstanten und Tatsachen des Lebens. Nur Unerwachsene oder Heuchler streiten das ab – und reden, betrügend, von Vertrauen. Wenn ich jemandem mein Vertrauen schenken will, ist das ganz allein meine Sache und meine Entscheidung. Wenn es ausgenutzt wird, habe ich die Folgen zu tragen. Aber niemand muss so beschränkt und so langweilig sein, dass er sein Vertrauen an Wirtschaftsbosse und Bankiers, ihre Politiker und Journalisten und andere Angehörige der ehrenwerten Gesellschaft verschenkt.

Im Sparadies der Friseure

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